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RATTE/033: Sri Lankas Premier gibt Massaker an Tamilen als "humanitäre" Operation aus (SB)


Sri Lankas Armee verübt Massaker an tamilischer Zivilbevölkerung und tamilischen Guerillas

Alle Versuche, die Not der Srilanka-Tamilen hörbar zu machen, fallen medialer Verklitterung zum Opfer


Sri Lankas Premierminister Mahinda Rajapakse hat seit Tagen durch die Presse verkünden lassen, daß er am vergangenen Wochenende eine letzte, endgültige Offensive gegen die für einen eigenen Staat Tamil Eelam kämpfende tamilischen Guerillas durchzuführen beabsichtige. Neuesten Berichten über das Gelingen seines Vorhabens muß Glauben geschenkt werden, auch wenn keine unabhängigen Meldungen ausländischer Berichterstatter existieren.

Während der gesamten Dauer der durch die srilankische Armee gezielt vorangetriebenen Dezimierung und Internierung der tamilischen Zivilbevölkerung sind inländische Journalisten aufgrund ihrer Artikel getötet und vertrieben und ausländische Pressevertreter des Landes verwiesen worden. Humanitären Hilfsorganisationen wurde jeglicher Zugang in die Kampfgebiete untersagt. Laut World Socialist Website vom 15. Mai 2009 hat die Regierung von 10.000 bis 20.000 Zivilpersonen gesprochen, die sich bis zuletzt in dem von der LTTE verteidigten Gebiet aufgehalten haben. Diese Angaben stehen im krassen Gegensatz zu Aussagen ausländischer Diplomaten und von Mitarbeitern diverser Hilfsorganisationen, die von 120.000 zivilen Tamilen sprachen.

Die vom srilankischen Premier als erfolgreich beendet bezeichnete Militäroperation wurde am Montag (18. Mai 2009) in der hiesigen Presse mit den wenig präzisierenden Worten als "Ende des Bürgerkrieges" betitelt. Wer sich in weiter Ferne vom Kriegsgeschehen wähnt, dem fällt es nicht schwer, ohne auch nur einen weiteren Gedanken an die zahlreichen Opfer des Krieges und die unsichere Zukunft der überlebenden tamilischen Bevölkerung zu verschwenden, erleichtert aufzuatmen. Denn wie anders sollte es zu deuten sein, wenn zwei miteinander verfeindete Parteien "endlich" ihre Zwistigkeiten beendet haben und "das Ende des Bürgerkriegs" herbeigeführt wurde?

Es ist nicht unüblich, sich mit einseitigen oder auch nur halbgaren Informationen zufrieden zu geben, genauso wie es auszureichend zu sein scheint, Appelle zu formulieren. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier beispielsweise zeigt sich "beunruhigt", weil die Regierung in Sri Lanka sich nicht entschließen könne, "mit den Hilfsorganisationen so zusammenzuarbeiten, daß eine schnelle Verbesserung der Lage zu erhoffen wäre" [1]. Und die Linke verkündete kurz vor der lang angekündigten Militäroffensive durch die srilankische Armee: "Die UN, die EU und die internationale Öffentlichkeit können und dürfen nicht länger wegschauen. Sofortiges politisches Handlen ist unverzichtbar." [2] Ganz offensichtlich handelte es sich bei diesem, in einer langen Kette vorangegangener Appelle stehenden Aufruf der Linken vom 12. Mai lediglich um eine weitere leere Worthülse.

Mit dem nun verkündeten "Sieg" der srilankischen Regierung wird das Ende eines Bürgerkrieges zwischen der singhalesischen und tamilischen Bevölkerung behauptet, der seit 1985 zum Tod von 80.000 und zur Flucht von 700.000 Tamilen ins Ausland geführt hat. Es läßt sich nun eine bittere finale Bilanz von mehreren tausend toten Zivilisten innerhalb der letzten Tage sowie von weiteren 100 toten LTTE-Kämpfern wie auch etlichen -Kadern ziehen. Unbestätigt und von der LTTE bestritten, aber öffentlich von Mahinda Rajapakse bejubelt wurde der Tod des LTTE-Führers Velupillai Prabhakaran. Es ist sehr wahrscheinlich, daß die Armee ein Massaker an den LTTE-Führern verübt hat. Unter den Toten sollen sich desweiteren der älteste Sohn Prabhakarans, Charles Anthony, befinden, der Chef der "See"-Tiger, Soosoi, B. Nadesan und S. Pulidevan, die Führer des politischen Flügels der Organisation, Sundarman, der rechte Arm von Charles Anthony, Pottu Amman, der Leiter des Geheimdienstes, Rathnam Master, ein sogenannter "Black Tiger"- Führer und andere.

Die zahlreichen Todesopfer unter der Zivilbevölkerung wie auch der LTTE-Kämpfer kommentierte der Premierminister, zitiert von NDR Info am Montag morgen (18.05.09), mit den folgenden Worten:

Viele Menschen glauben, daß die LTTE militärisch nicht zu besiegen ist, aber ich kann mit Stolz verkünden, daß meine Regierung mit dem totalen Einsatz der Streitkräfte in einer nie dagewesenen humanitären Operation die LTTE endlich militärisch besiegt hat. Diese Freiheit kommt nach drei langen Jahrzehnten. Meine Regierung und gut organisierte humanitäre Operationen haben dafür gesorgt, daß wir fast alle Zivilisten gerettet haben.

Die "Rettung" der zivilen Tamilen besteht in der Internierung beinah der gesamten Überlebenden in von der Armee eingerichteten, von Stacheldraht umzäunten und bewachten Camps, die selbst von den Medien mit Internierungslagern verglichen werden. Das Büro für Humanitäre Angelegenheiten der Vereinten Nationen (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA)) hat im April 2009 Zahlen veröffentlicht, wonach sich bereits 153.787 "Internally Displaced persons" (IDPs, Binnenvertriebene) im Camp Vanvuniya, 11.089 im Camp Jaffna, 5.468 in Trincomalae und 52 in Mannar befinden. Nach neuesten Zahlen wird von 250.000 internierten Tamilen ausgegangen.

Der britische Fernsehsender Channel 4 berichtete über das Verschwinden von Menschen aus den Lagern, den sexuellen Mißbrauch von Frauen, von zu Tode erdrückten Kindern beim Gerangel um Lebensmittel und von tagelang in der Gegend herumliegenden Leichen.

Mahinda Rajapakse zeigt sich gegenüber der Öffentlichkeit jedoch vollständig zufrieden und spricht davon, nun eine politische Lösung des Problems des tamilischen Volkes in Aussicht zu stellen. Längst hatten die LTTE-Kämpfer ein "Schweigen der Waffen" angeboten und dies am Wochenende erneut bekräftigt. Tamilische Zivilisten kämen durch die Bomben der Regierungstruppen, durch Hunger und Krankheit um. Deshalb habe die LTTE nur diese eine Wahl, um die Zivilisten zu schützen, berichtete NDR Info (18.05.09).

Der Kampf der Tamilen für einen eigenen Staat ist mit dem Ende der britischen Kolonialherrschaft auf dem Boden von Diskriminierung und Repression durch die singhalesische Regierung gewachsen. Lange Zeit gab es lediglich politischen Widerstand. Als die Tamilen erstmals den Wunsch nach Autonomie äußerten, warf man sie geradewegs aus dem Parlament. Nachdem weitere gewaltfreie Proteste vom Militär gewaltsam niedergeschlagen wurden, bewaffneten sich schließlich tamilische Jugendliche und gründeten 1976 unter Velupillai Prabhakaran die LTTE (Liberation Tigers of Tamil Eelam). Doch erst nach dem Pogrom gegen die tamilische Bevölkerung 1983, das als "Schwarzer Juli" in die tamilische Geschichte einging und bei dem Polizei- und Regierungskräfte die tamilische Bevölkerung Colombos regelrecht abschlachteten - in einer Nacht wurden 3000 Tamilen ermordet und Eigentum im Wert von mehreren Milliarden Rupien zerstört -, nahm die LTTE den bewaffneten Kampf auf.

Paul Sieghart, zu jener Zeit Vorsitzender der Britischen Sektion der Internationalen Juristen-Kommission (ICJ), verfaßte über diese Tragödie einen Bericht [3], in dem er erklärte, daß die Ausschreitungen "eine Serie vorsätzlicher Taten waren, die in Übereinstimmung mit einem konzertierten Plan ausgeführt wurden, der lange Zeit vorher erdacht und organisisiert worden war."

Dies [die Ausschreitungen von 1983] war eindeutig kein spontaner Ausbruch ethnischen Hasses unter der singhalesischen Bevölkerung, noch war es, wie Einige behaupten, eine Antwort der Bevölkerung auf die Tötung von 13 Soldaten in einem Hinterhalt der Tamil Tigers vom Vortag, über den noch nicht einmal in den Medien berichtet worden war, als die Ausschreitungen begannen.

Wenn NDR Info, um nur ein Beispiel westlicher Berichterstattung zu nennen, im Zusammenhang mit dem Tod des Führers der LTTE, Velupillai Prabhakaran, der die Organisation 1976 gründete, lediglich erwähnt, daß diese 1983 zu den Waffen griff, werden der Öffentlichkeit wesentliche Details verschwiegen. Mit der seit 2006 anhaltenden Militäroffensive und dem Massaker der vergangenen Tage überbietet die Regierung Sri Lankas die in den zurückliegenden Jahrzehnten an der tamilischen Bevölkerung verübten Gräueltaten.

Premierminister Rajapakses öffentliche Bekundungen offenbaren den Hohn des Siegers. Stolz erklärt er, daß seine Regierung mit dem totalen Einsatz der Streitkräfte in einer nie dagewesenen "humanitären" Operation die LTTE endlich militärisch besiegt habe. Nur mit der militärischen Unterstützung der USA und Waffenlieferungen vornehmlich aus China und Pakistan, aber auch aus Indien konnte ein derartiger Schlag gegen die gesamte tamilische Bevölkerung durchgeführt werden.

Das Vorgehen der srilankischen Regierung, das rücksichtslose Ermorden und Aushungern, das gezielte Bombardieren medizinischer Einrichtungen, das Unterbinden der medizinischen Versorgung der Verletzten und der Bergung der Toten sowie letztlich die Internierung eines ganzen Volkes findet statt, ohne das von internationaler Seite etwas anderes als Appelle ausgesprochen werden. Eine systematische und fundierte Kriegsberichterstattung, in der die militärische Bekämpfung der tamilischen Bevölkerung und systematische Vernichtung ihrer Widerstandsstrukturen nicht ausgeblendet wird, wurde gezielt von der srilankischen Regierung unterbunden.

Der jüngste Aufruf der Europäischen Union, die eine unabhängige Untersuchung - wie sie formuliert "möglicher" - Kriegsverbrechen in Sri Lanka fordert, um Völkerrechtsverletzungen der Konfliktparteien nachzugehen, wird vermutlich ohne jegliche Konsequenz verlaufen, wie schon der Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung des Gazastreifens für Israel straflos geblieben ist. Die Regierung Sri Lankas kann sich der Rückendeckung der sogenannten Internationalen Gemeinschaft ebenso sicher sein.

[1] www. fokus.de/politik/weitere-meldungen/26-jahre-buergerkrieg-sri- lanka-feiert ende des blutigen krieges aid 400432.html

[2] www.die-linke.de

[3] Paul Sieghart: "Sri Lanka: A Mounting of Errors",
Abschlußbericht der Internationalen Juristen Kommission,
http://www.icescolombo.org/05_library_links/pub_details.asp?detail=9237

20. Mai 2009