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AFRIKA/1791: Biosprit und der drohende Hunger in Tansania (SB)


Dürre und Getreidemangel in Ostafrika

Tansania steht am Beginn einer größeren Nahrungskrise

Eine Reihe von Biospritunternehmen belegen fruchtbares Land, um Agrotreibstoffe zu gewinnen


Die Nahrungsversorgung Tansanias ist angespannt. Sollte die gegenwärtige Dürre bis Mitte Februar anhalten, droht dem Land ein eklatanter Nahrungsmangel. Es droht ein Hungerausbruch. Die Regierung Präsident Jakaya Kikwetes muß sich fragen lassen, ob nicht ihre Politik der Öffnung des Landes für ausländische Investoren, die Plantagen zur Gewinnung von Biosprit anlegen, nun zurückschlägt und das Versäumnis offenbart, für keine ausreichende Nahrungssicherheit gesorgt zu haben.

Der Maispreis in der tansanischen Stadt Arusha könnte in diesem Monat auf über 60.000 tansanische Schillinge (Tsh) pro 100 kg - umgerechnet 36,20 Euro - steigen. Das wäre der höchste Betrag seit Jahrzehnten, warnte die Zeitung "Arusha Times" [1]. Normalerweise kosten 100 kg Mais 35.000 Tsh - 21,15 Euro. Diese Summe verlangen inzwischen bereits die Erzeuger im Anbaugebiet von Manyara. Zwar verdienen die Bauern nun gut am Mais, aber für die Konsumenten wird das Hauptnahrungsmittel empfindlich teuer.

Insbesondere der Norden Tansanias leidet unter Trockenheit. Einige Bauern, die Mais verkaufen könnten, warten anscheinend zunächst ab, ob es Regen gibt oder nicht. Andere haben ihre Ware bereits im Dezember verkauft, weil sie das Geld für die neue Aussaat und die anfallenden Schulgebühren ihrer Kinder benötigen.

Der Preisanstieg könnte auch damit zusammenhängen, daß im benachbarten Kenia und weiter nördlich in Südsudan eklatante Nahrungsmängel herrschen. Dort erzielen die tansanischen Händler umgerechnet 120.000 Tsh für einen Sack Mais zu 100 kg. Ein weiterer Faktor, der Ausdruck des Mangels ist und diesen zugleich befördert, ist die zu geringe Getreidereserve der Regierung. Die "Arusha Times" bezieht sich auf die Zeitung "The Citizen", die zu berichten wußte, daß Tansania lediglich über 121.769 Tonnen Getreidereserven verfügt. Die Regierung sei aber gesetzlich angehalten, 150.000 Tonnen Getreide als jährliche Reserve bereitzuhalten.

Sollte in Tansania in den nächsten Wochen tatsächlich in einem größeren Umfang Hunger ausbrechen, so hat das zwar mit den ungünstigen Witterungsverhältnissen und sicherlich auch einer künstlichen Verknappung durch besorgte Bauern oder auch Spekulanten zu tun. Aber daß diese Faktoren überhaupt greifen können, offenbart einen strukturellen Mangel, der durch Entscheidungen der Regierung verstärkt wird.

Denn die hatte Mitte vergangenen Jahres bereits fast 641.170 Hektar fruchtbare landwirtschaftliche Fläche für den Anbau von Pflanzen freigegeben, die in die Herstellung von Biosprit fließen, wie "The Citizen" am 23. Juli 2008 berichtete. [2] Angebaut wird unter anderem Jatropha. Die ölhaltige Pflanze ist nicht zum Verzehr geeignet und gedeiht auf relativ trockenen, armen Böden. Das bedeutet jedoch nicht, daß diese deswegen auch die bevorzugten Böden der Biospritunternehmen sind. In Tansania werden auf landwirtschaftlicher Fläche, auf der sehr gut Nahrungspflanzen wachsen könnten, Pflanzen für Biosprit aufgezogen. Nahrungsmangel und Hunger sind die wahrscheinliche Folge.


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Anmerkungen:

[1] Tanzania: Food Crisis Looms As Grain 'Disappears', Arusha Times, 31. Januar 2009.
http://allafrica.com/stories/200902021267.html

[2] Siehe: AFRIKA/1722: Wachsende Kritik an Jatropha-Anbau in Tansania (SB)

3. Februar 2009