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AFRIKA/1839: Nahrungsmittelhilfe nimmt deutlich ab (SB)


Dem Welternährungsprogramm fehlt fast eine halbe Milliarde Dollar

Spendenaufkommen des WFP auf tiefstem Stand seit zwanzig Jahren


In der gegenwärtigen Weltordnung leidet eine historisch unerreichte Zahl von Menschen Hunger. Hochrechnungen von Weltbank und UN-Organisationen lassen darauf schließen, daß die Marke von eine Milliarde Hungernde bereits überschritten wurde. Das bedeutet, daß fast jeder sechste Mensch regelmäßig hungert. Eine ebenfalls wachsende und noch höhere Zahl an Menschen droht so weit zu verarmen, daß sie ebenfalls chronisch nicht genügend zu essen hat.

Ende vergangener Woche warnte die Leiterin des Welternährungsprogramms WFP, Josette Sheeran, daß die weltweite Nahrungshilfe auf ein 20jähriges Minus gerutscht ist und das, obgleich die Armen und Hungernden rund um den Globus mit einer unvergleichlichen humanitären Krise konfrontiert sind.

Das ausschließlich auf Spenden angewiesene WFP ist diejenige Organisation, über die weltweit am meisten Nahrungshilfe verteilt wird. Das verdeutlicht, wie prekär sich ein Rückgang der Spendensumme auswirken dürfte. Zwar haben die Umweltminister der G8-Staaten bei ihrem Treffen am 12. Juni in Italien, an die Sheeran appelliert hatte, eine Aufstockung der Hilfe für Afrika zugesagt. Das muß jedoch als unglaubwürdig angesehen werden, denn von Jahr zu Jahr stellen die Industriestaaten regelmäßig Hilfe in Aussicht. Das dient vor allem der Befriedung der Massen

Ungeachtet der ordnungspolitischen Funktion, die das WFP erfüllt, sieht es sich manchmal zu unliebsamen Maßnahmen gezwungen. Die werden in Zeiten knapper Kassen und leerer Lagerräume zunehmen. Die Mitarbeiter der UN-Unterorganisation müssen immer mal wieder die Versorgung von Flüchtlingen reduzieren, was diese körperlich schwächt und krankheitsanfälliger macht. Statt 2100 Kalorien täglich wird dann beispielsweise nur noch Nahrung mit 1800 oder gar 1600 Kalorien verteilt.

Sheeran berichtete, daß jedes sechste Kind hungert, alle sechs Sekunden sterbe ein Kind, und 80 Prozent der Subsaharastaaten seien heute mit höheren Lebensmittelpreisen konfrontiert als noch vor einem Jahr. Die WFP-Direktorin übertrieb nicht, als sie warnte, daß die Auswirkung des Hungers die Gefahr birgt, daß die Welt eine ganze Generation verliert, falls die Betroffenen während der Krise keinen ausreichenden Zugang zu Nahrung erhalten. Darüber hinaus machte sie darauf aufmerksam, daß Frieden und Sicherheit weltweit bedroht sind und zu gefährlichen Destabilisierungen führen. "Menschen ohne Nahrung revoltieren, wandern ab oder sterben." Keine der Optionen sei akzeptabel. In ihrem Appell an die G8-Umweltminister erklärte Sheeran, daß es falsch ist, in einer Phase des dramatisch wachsenden Bedarfs die Unterstützung zu beschneiden.

Dem WFP fehlen fast 450 Millionen Dollar für die nächsten sechs Monate. Das ist die offizielle Zahl, die jedoch nicht besagt, daß dann alle Hungernden in der Welt ausreichend versorgt wären, wenn nur das Welternährungsprogramm diese Summe erhielte. Das WFP hilft rund 90 Millionen Menschen jährlich - es hungern aber eine Milliarde. Diese Diskrepanz wird auch von anderen Hilfsorganisationen nicht überbrückt. Pro Jahr sterben rund 35 Millionen Menschen als Folge von Hunger.

Bei einer Wirtschaftskrise geschieht offensichtlich genau das, vor dem das WFP warnt. Die Unterstützung der Notleidenden nimmt ab. In der letzten Zeit wurden in verschiedenen Weltregionen Studien zur Klimaentwicklung veröffentlicht, die gravierende Folgen unter auf die landwirtschaftlichen Produktionszahlen prognostizieren - düstere Aussichten für die Bewohner von notorisch auf Nahrungsmittelhilfe angewiesenen Regionen.

18. Juni 2009