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AFRIKA/1953: Ruanda - EU-Finanzhilfe für repressive Regierung (SB)


Europäische Union sieht über Verfolgung Oppositioneller in Ruanda hinweg


Am heutigen Montag hat die Europäische Union Ruanda einen Kredit in Höhe von 73,8 Mio. Euro freigegeben. Das Geld ist für die ländliche Entwicklung, den Straßenbau und Regierungsprogramme vorgesehen, berichtete Reuters. [1] Die Hälfte der Summe werde über die sektorbezogene Haushaltshilfe geleitet.

Die finanzielle Unterstützung durch die EU kommt in einer Zeit, in der die Regierungspartei RPF von Präsident Paul Kagame ihre Macht weiter ausbaut und - drei Monate vor den Parlamentswahlen - den bereits vorhandenen Maulkorb der Presse scharf anzieht sowie oppositionelle Parteien und Kandidaten bzw. Kandidatinnen massiv unterdrückt.

Im einzelnen teilt sich die von der EU freigegebene Summe auf in 32 Mio. Euro zur Verbesserung der Hauptverkehrsverbindung von Ruanda nach Uganda, 12 Mio. Euro für Justiz, Recht und Gesetz sowie Versöhnung und 5,3 Mio. Euro für die Unterstützung der Nationalen Wahlkommission. 20 Mio. Euro, die über den Zeitraum 2010 bis 2013 verteilt werden, dienen der Verbesserung der Ernährungssicherheit und 4,5 Mio. Euro dem Bodenschutz.

Bemerkenswerterweise schrieb die EU am 18. Dezember 2009, daß jene 5,3 Mio., die nun offenbar vollständig für die Wahlkommission vorgesehen sind, dazu beitragen sollen, daß die Wahlen "in Übereinstimmung mit internationalen und regionalen Standards" durchgeführt werden. [2]

Abgesehen von der kryptischen Unterscheidung in regionale und internationale Standards, bei der man sich fragen muß, ob damit behauptet werden soll, daß "ein bißchen" Repression typisch für die Region der Großen Seen sein soll, ist tatsächlich damit zu rechnen, daß die Wahlen in Ruanda wie in der Vergangenheit relativ friedlich ablaufen ... denn die Unterdrückung fand im Vorwege statt!

Im April hat der ruandische Medienrat die beiden Zeitungen "Umuseso" und "Umuvugizi" für sechs Monate geschlossen. Die Absicht hinter dieser Entscheidung liegt auf der Hand: Nichts, was der Regierungspartei zum Nachteil gereichen könnte - und da gäbe allerhand zu berichten, denkt man nur an die Millionen Toten im seit Jahren umkämpften Ostkongo, von dessen Plünderung Ruanda nach wie vor profitiert -, soll die Wähler davon abhalten, ihre Stimme Paul Kagame und seiner RPF zu geben. Die beiden Zeitungen werden in der noch immer weit verbreiteten Landessprache geschrieben und sind bekannt für ihre regierungskritische Berichterstattung.

Da es noch weitere, informelle Verbreitungswege für Informationen außerhalb der staatstreuen Publikationen gibt, hatten die Sicherheitskräfte vorsorglich die Oppositionskandidatin der Partei FDU-Inkingi, Victoire Ingabire, bei verschiedenen Anlässen mal körperlich drangsaliert, mal vorübergehend verhaftet und schließlich unter Hausarrest gestellt. Auch wird ihrer Partei seit Monaten die Eintragung ins Wahlregister verweigert. Ingabires Stellvertreter, Joseph Ntawangundi, wurde kürzlich verhaftet und von einem Gacaca-Gericht zu einer Haftstrafe von 17 Jahren verurteilt. Was ihn bewogen hat, vor Gericht plötzlich ein Geständnis abzulegen und damit schwer an Ingabires Glaubwürdigkeit zu kratzen, ist nicht bekannt.

Das Ganze wurde und wird zusätzlich von einem Feuerwerk an diffamierenden Presseartikeln und Schmähberichten in Funk und Fernsehen begleitet. Opfer der Repressionen wurden auch die Social Party Imberakuri (PS-Imberakuri) und die Democratic Green Party (DGP). Selbst wenn die Verfolgung der Opposition schlagartig endete, wären die Ausgangsbedingungen für die jeweiligen Kandidaten längst nicht mehr die gleichen.

Die Europäische Union unterstützt ein Regime, das unter dem zynischen Vorwand, sämtliche genozidale Denkkategorien und Absichten nicht mehr zulassen zu wollen, die Meinungsfreiheit mit Füßen tritt. Wobei es wichtig ist zu verstehen, daß diejenigen, deren Stimme auf die eine oder andere Weise zum Verstummen gebracht wird, keineswegs Genozid befürworten, weder direkt noch indirekt. Die Regierung arbeitet jedoch mit einem Umkehrschluß: Allein dadurch, daß sie die Opposition bezichtigt und juristisch belangt, wird der Eindruck erweckt, die Vorwürfe seien zumindest in Aspekten gerechtfertigt.

Die EU schluckt diese Kröte aus höchst eigenen Gründen. Ruanda erlebt einen wirtschaftlichen Aufschwung von jährlich acht Prozent - wobei ein noch nicht ausgeloteter Anteil auf die Plünderung des rohstoffreichen Ostkongo zurückgeht - und spielt sich als Ordnungsmacht in der Region auf. Beispielsweise nehmen ruandische Soldaten an der Beobachtermission in der westsudanesischen Provinz Darfur teil. EU-Mitglied Frankreich trägt eine regelrechte Charme-Offensive vor, um wieder einen Fuß auf ruandischen Boden zu bekommen, Großbritannien hat Kagames unaufhaltsamen Aufstieg bereits 1994 durch die Blockade von UN-Sicherheitsratsentscheidungen gefördert; Deutschland strebt schon seit langem gute Beziehungen zu seiner ehemaligen Kolonie an. Auch darüber hinaus gibt es innerhalb der Europäischen Union offenbar kein Interesse, Kagame in die Schranken zu weisen oder gar der brandheißen Spur nachzugehen, derzufolge er es war, der am 6. April 1994 den damaligen ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana und dessen burundischen Amtskollegen Cyprien Ntaryamira abschießen ließ. Das löste ein Massaker aus, dem binnen drei Monaten rund 800.000 Ruander zum Opfer fielen.

Wenn der heutigen Regierung Ruandas wirklich daran gelegen wäre, daß die Wunden heilen und Versöhnung zwischen den Volksgruppen erreicht wird, steht ihre gegenwärtige Politik diesem Ziel diametral entgegen. Es müßte schon ein Wunder geschehen, damit Kagame und seine RPF nicht siegreich aus den Wahlen im August hervorgehen. Dieses Ziel wird seit Monaten verfolgt, mit allen Mitteln.


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Anmerkungen:

[1] "EU gives Rwanda 73.8 mln euro for roads, governance", Reuters, 10. Mai 2010
http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/LDE64905N.htm

[2] "EU grants 76 million development aid package for Rwanda", 18. Dezember 2009
http://ec.europa.eu/europeaid/documents/aap/2009/pr_aap_2009_rwa.pdf

10. Mai 2010