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AFRIKA/1979: Hat der ruandische Geheimdienst Prof. Jwani Mwaikusa ermordet? (SB)


Tansanischer Rechtsprofessor vor seinem Haus in Daressalam erschossen


Während Ruanda weiterhin als afrikanischer Vorbildstaat in Hinsicht Versöhnung und wirtschaftlicher Entwicklung gehandelt wird und reichlich Entwicklungshilfe aus den USA, Deutschland und anderen westlichen Staaten erhält, tritt mehr denn je und unverhohlen hervor, daß hier ein repressives Regime als Erfolgsmodell für Afrika gefeiert wird. Der ehemalige Warlord und heutige Präsident Ruandas, Paul Kagame, und seine Mitstreiter in Politik, Wirtschaft und Medien bedienen die ganze Klaviatur propagandistischer Meinungsmache. Um Kagame selbst wird in den Medien, beispielsweise auf der Website mykagame.org, ein regelrechter Personenkult betrieben. Auch in den hiesigen Medien gilt Kagame als jemand, der das Land zwar mit straffer Hand führt, aber dem nach wie vor zugute gehalten werden sollte, daß er immerhin vieles erreicht habe, da die Ausgangslage in Ruanda nach dem Krieg zwischen 1990 und 1994 extrem schwierig gewesen sei.

Unter anderem wird lobend hervorgehoben, daß Ruanda mit 56 Prozent den höchsten Frauenanteil im Kabinett hat. Daß die ruandische Justiz, die als sehr regierungstreu gilt, die Oppositionspolitikerin Victoire Ingabire Umuhoza von der Partei FDU-Inkingi vorübergehend festnehmen ließ und ihr das demokratische Grundrecht verweigerte, Politik zu betreiben und Kagame bei den für August anberaumten Wahlen herauszufordern, wird von den westlichen Regierungen offenbar nicht als Widerspruch zur vermeintlichen Freundlichkeit gegenüber Frauen gesehen.

Man könnte sicherlich den Standpunkt vertreten, daß das zwei Beispiele sind, die nichts miteinander zu tun haben. Wer so argumentiert, sollte dann auch so konsequent sein und nicht den hohen Frauenanteil im ruandischen Kabinett als positiven Charakterzug Kagames präsentieren. Zumal sein Motiv, warum er so viele Frauen ins Kabinett geholt hat, gar nicht in seiner Zugewandtheit gegenüber Frauen gegründet sein muß. Vielleicht hat es ja damit zu tun, daß von Männern eine etwas schärfere Konkurrenz zu erwarten wäre. Jedenfalls gab es einige Politiker auf Kagames Karriereweg, die ihm seinen Posten hätten streitig machen können und die aus dem Land fliehen mußten, ins Gefängnis geworfen oder getötet wurden.

Inzwischen ist der Eindruck entstanden, daß die Kagame-Regierung die Lage vor den Wahlen im nächsten Monat regelrecht eskalieren läßt. Oppositionspolitiker und regierungskritische Medienvertreter werden massiv verfolgt. Eine Reihe von ihnen wurde sprichwörtlich mundtot gemacht. Ein Nachweis, daß der ruandische Geheimdienst hinter einer Serie von Attentaten gegen Kagame-Kritiker steckt, wurde bislang nicht erbracht. Dennoch liegt eben dieser Verdacht nahe, denn die Frage, wer einen Nutzen daraus zieht, daß die Opposition schweigt, ist eindeutig zu beantworten.

Zu den Opfern gehört der tansanische Professor für Recht Jwani Mwaikusa von der Universität von Daressalam. Er wurde am 14. Juli vor seinem Haus in den Außenbezirken dieser Wirtschaftsmetropole erschossen. Mit ihm starben sein Neffe Gwamaka Mwaisanjala (25) und ein Nachbar namens Johm Mtui, der mit mehreren anderen Personen dem Professor zu Hilfe eilen wollte. [1] Der Vorfall sieht nicht nach einem "normalen" Raubüberfall aus. Die beiden Täter haben lediglich aus Mwaikusas Auto einen Aktenkoffer und Dokumente gestohlen, die mit seiner Arbeit als Verteidiger am Ruanda-Tribunal (ICTR) zu tun haben. In einem aufsehenerregenden Verfahren des Tribunals hatte Mwaikusa verhindert, daß ein Prozeß vom ICTR im tansanischen Arusha an ein Gericht in der ruandischen Hauptstadt Kigali übertragen wird, da sein Mandant, der frühere Geschäftsmann Yussuf Munyakazi, dort kein faires Verfahren erhalten hätte.

Und im April wurde Mwaikusa von einem Berufungsgericht zum amicus curiae (Freund des Gerichts) berufen, um es bei der Urteilsfindung zu unterstützen, ob das Oberste Gericht des Landes die Befugnis hat, Bestandteile der Verfassung als verfassungswidrig zu erklären. So wie 2006, als das Oberste Gericht eine Bestimmung aufhob, durch die unabhängige Kandidaten davon abgehalten wurden, sich aufstellen zu lassen. Mwaikusa hatte sich vehement für die unabhängigen Kandidaten ausgesprochen.

Darüber hinaus vertrat er den Standpunkt, daß das ICTR seinen eigenen Statuten zuwiderhandelt, indem es keine RPF-Offiziere zur Anklage bringt. Für deren Tatbeteiligung gebe es überwältigende Beweise, so Mwaikusa. Es besteht also eine direkte Verbindung zwischen dem Ermordeten und Ruanda bzw. dessen Regierung, die seit Beginn der Arbeit des ICTR diesen zu beeinflussen versucht:

- Das im November 1994 vom UN-Sicherheitsrat per Resolution ins Leben gerufene Ruanda-Tribunal hat zwar den Auftrag, sämtliche 1994 in Ruanda und angrenzenden Gebieten begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Genozid zu verfolgen und die Rädelsführer zur Rechenschaft zu ziehen, aber bis heute wurden Ermittlungen nur gegen Mitglieder der Hutu-Ethnie aufgenommen und Personen aus diesem Volk verurteilt, nicht jedoch Tutsi, denen auch Kagame und ein großer Teil der heutigen ruandischen Regierung und des Militärapparats angehören. Als die frühere UN-Chefermittlerin Carla del Ponte begann, auch gegen Soldaten von Kagames RPF (Ruandische Patriotische Front) Vorermittlungen einzuleiten, wurden ihr seitens der vermeintlich demokratischen Regierung Ruandas reichlich Steine in den Weg gelegt. Bald darauf wurde ihr Mandat für Ruanda nicht verlängert. Del Pontes Nachfolger hat die Ermittlungen wieder eingestellt und ist im Amt geblieben.

- Belastungszeugen, deren Aussagen zur Verurteilung von Angeklagten des ICTR führten und durch die langjährige Haftstrafen ausgesprochen wurden, wurden von Ruanda massiv unter Druck gesetzt und erpreßt, damit sie vor dem Tribunal lügen. Das ist dem Gericht bekannt, aber es hat seine Urteile nicht aufgehoben, sondern läßt weiterhin Belastungszeugen vor Gericht aussagen. Man muß davon ausgehen, daß es weiterhin Angeklagte auf der Basis von Falschaussagen verurteilt.

- Demgegenüber ist umgekehrt ein Entlastungszeuge der Verteidigung aus einem angeblich sicheren Haus, das von einer mehrere Meter hohen Mauer umgeben war, kurz bevor er eine die Kagame-Regierung belastende Aussage machen wollte, spurlos verschwunden.

Nur drei besonders krasse Beispiele, die den Verdacht zur Gewißheit werden lassen, daß das ICTR Siegerjustiz betreibt - zum Nutzen der heutigen ruandischen Regierung und des von ihr propagierten Schwarz-Weiß-Bilds, demzufolge die Hutu alleinverantwortlich für sämtliche Massaker sind, die während des sogenannten Völkermords zwischen dem 6. April und Juli 1994 in Ruanda begangen wurden.

Dieser Widerspruch in der Darstellung der historischen "Wahrheit" bildet den Hintergrund für eine Reihe von Attentaten in jüngster Zeit gegen ruandische Oppositionelle, die eine Gemeinsamkeit aufweisen: Sie stellen durch ihre Arbeit das offizielle Geschichtsbild in Frage. Genau das ist höchst gefährlich für Kagame, der permanent an seiner Rolle als Lichtgestalt arbeiten und verhindern muß, daß seine Rolle als Warlord und Anführer einer Invasionsarmee, die ab 1990 immer wieder von Uganda aus Vorstöße nach Ruanda unternommen hat, als derjenige, der den Befehl zum Abschuß eines Flugzeugs mit zwei Hutu-Präsidenten am 6. April 1994 erteilt hat, und als jemand, dessen Soldaten ab 1996/97 bzw. verstärkt ab 1998 blutige Raubzüge in das Nachbarland Demokratische Republik Kongo unternommen haben, ausgebreitet und aufs Tablett einer internationalen Strafverfolgung gehoben wird. Denn dann könnte er gezwungen sein, den Weg zu gehen, den andere ehemalige Günstlinge der USA gegangen sind, zum Beispiel Saddam Hussein oder Manuel Noriega.

Ob die Ermordung des 58jährigen Professors Mwaikusa ein gezieltes Attentat war, wie der über Tansania hinaus bekannte und respektierte Rechtsanwalt Prof. Issa Shivji behauptet [1], oder ob der ICTR-Anwalt zufällig Opfer eines Raubüberfalls wurde, darüber können wohl erst die polizeilichen Ermittlungen Aufschluß geben. Unübersehbar ist jedoch, daß der Vorfall zu einer Serie an Attentaten in jüngster Zeit paßt:

- Am 19. Juni 2010 wird der ehemalige ruandische Botschafter in Indien General Faustin Kayumba Nyamwasa vor seinem Haus in Johannesburg, Südafrika, in den Bauch geschossen. Er hat überlebt. Nyamwasa hatte Kritik an der Kagame-Regierung geübt, war in Ungnade gefallen und mußte mit seiner Familie aus Ruanda fliehen.

- Am 24. Juni wird der Herausgeber der unabhängigen und für die Zeit des Wahlkampfs verbotenen Zeitung "Umuvugizi" Jean Leonard Rugambage erschossen. Er hatte behauptet, daß der Mordversuch an General Kayumba Nyamwasa von Kagame befohlen wurde. Andere regierungskritische Medienvertreter sind aus Ruanda geflohen. (Näheres dazu in diesem Pool unter dem Index AFRIKA/1970)

- Am 28. Juni entgeht der frühere ruandische Journalist Dominique Makeli, der in der ugandischen Hauptstadt Kampala im Exil lebt, einem Entführungsversuch.

- Am 13. Juli wird der Vizepräsident der Green Party, André Kagwa Rwisereka, nahe der südruandischen Stadt Butare tot aufgefunden. Er war geköpft worden. Die Partei der Grünen wird davon abgehalten, sich für die Wahl registrieren zu lassen.

- Am 14. Juli wird Prof. Jwani Mwaikusa in Daressalam erschossen.

Wer ist der nächste? Ruanda ist das Land, das pro Kopf der Bevölkerung die meiste Entwicklungshilfe aus den USA erhält. [2] Auch die Bundesrepublik Deutschland hat Ruanda als Schwerpunktland seiner Entwicklungszusammenarbeit ausgewählt. Wie lange noch wird ein Regime unterstützt, daß die Demokratie mit Füßen tritt?


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Anmerkungen:

[1] "Crisis in Rwanda: the funeral of Prof Jwani Mwaikusa", Bernard James und Frank Kimboy, The Citizen, 18. Juli 2007. Abgerufen am 21. Juli 2010 von der Website Global Research
http://globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=20211

[2] "Law Professor Jwani Mwaikusa: Martyr for truth at the International Criminal Tribunal for Rwanda (ICTR)?", 17. Juli 2010
http://sfbayview.com/2010/law-professor-jwani-mwaikusa-martyr-for-truth-at-the-international-criminal-tribunal-for-rwanda-ictr/

26. Juli 2010