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AFRIKA/1999: Klimaschutz in Liberia - CO2-Handel unter Korruptionsverdacht (SB)


Liberias Präsidentin entläßt mehrere Regierungsbeamte

Kohlenstoffhandel ist genauso korruptionsanfällig wie andere Branchen und kann darüber hinaus zu einer neuen Form von Landnahme führen


In der vergangenen Woche hat die liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf das Außen- und das Justizministerium aufgefordert, die Auslieferung des britischen Geschäftsmanns Michael Foster sowie seines lokalen Mitarbeiters George Antwi anzustrengen. [1] Ihnen wird Bestechung in Verbindung mit Kohlenstoffzertifikaten im Wert von bis zu 2,2 Mrd. Dollar vorgeworfen. Im gleichen Rahmen hat die Präsidentin eine Reihe von Regierungsbeamten, die für die Forstverwaltung verantwortlich waren und der Bestechlichkeit beschuldigt werden, entlassen.

Zum Hintergrund: Bei internationalen Klimaschutzverhandlungen, wie sie beispielsweise im Dezember 2009 in Kopenhagen stattfanden, debattieren Experten auch über Konzepte, das Aufforsten von Wäldern oder auch ihr Bewahren als Maßnahme des Klimaschutzes zu entgelten. Nach dem Motto, daß in unserer unipolaren Weltgesellschaft, die nicht einmal mehr eine Systemkonkurrenz kennt, Geld bzw. ein Währungsäquivalent und die Möglichkeit der Kapitalakkumulation das wichtigste politische Lenkungsinstrument sind, soll Wäldern ein Wert als Kohlenstoffspeicher beigemessen werden.

Bäume und andere Pflanzen binden in ihrer Struktur Kohlenstoff und entziehen so dieses Treibhausgas der Atmosphäre. Die Vereinten Nationen haben im September 2008 das REDD-Programm (REDD - Reducing Emissions from Deforestation and forest Degradation; z. dt.: Reduzierung der Emissionen durch Entwaldung und Walddegradation) initiiert und später auf REDD+ erweitert, womit zusätzlich noch bestimmte forstwirtschaftliche Maßnahmen zur Reduzierung atmosphärischen Kohlendioxids und nachhaltigen Pflege des Waldes finanziell gefördert werden sollen.

Bislang ist der REDD-Mechanismus noch kein Bestandteil eines internationalen Klimaschutzvertrags, aber die Initiative hat bereits reichlich Aktivitäten auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite ausgelöst. Hier kommen nun Michael Foster und sein Unternehmen Carbon Harvesting Corporation ins Spiel. Angeblich hat er der liberianischen Forestry Development Authority (Waldentwicklungsbehörde) den Vorschlag unterbreitet, daß er 400.000 Hektar bzw. ein Fünftel der Regenwaldfläche des Landes pachtet. Für den Wald würde das Unternehmen dann Kohlenstoffzertifikate ausgeben. Das besagte Waldgebiet bindet schätzungsweise 162 Millionen Tonnen CO2, was bei einem angenommenen Preis von mindestens 13,5 Dollar pro Tonne CO2 ein Wert von bis zu 2,2 Milliarden Dollar besäße. [2]

Foster war im Juni von der Polizei in London verhaftet und anschließend ohne Anklage wieder freigelassen worden. Nach Polizeiangaben laufen die Ermittlungen noch. Auch der abschließende Bericht des am 18. Juni 2010 von der liberianischen Präsidentin als Reaktion auf einen Report der Organisation Global Witness einberufenen Untersuchungskomitees zu dem mutmaßlichen Kohlenstoffabkommen wurde noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ellen Johnson Sirleaf hat den Report gelesen und daraufhin ein Bündel von Maßnahmen eingeleitet, zu denen neben der Auslieferungsaufforderung auch die Entlassung von Regierungsbeamten sowie der Auftrag zu weiteren Untersuchungen des mutmaßlichen Korruptionsfalls gehören.

Carbon Harvesting Corporation weist die Anschuldigungen von sich und gibt sich als Opfer verschiedener Parteien - Behörden in den Entwicklungsländern, akademische Institutionen und Nichtregierungsorganisationen - aus, die alle ihre eigenen Interessen verfolgten. Auf seiner Website schreibt das Unternehmen, daß die Einnahmen aus Liberia direkt an eine örtliche Wohlfahrtseinrichtung fließen sollen. [3]

Daß allgemein in Liberia und anderen afrikanischen Staaten Bestechung zum Geschäft gehört, ist hinlänglich bekannt. Zur Bestechung gehören allerdings immer zwei Seiten, und es geschieht nicht selten, daß die zweite Seite ihren Sitz in Europa hat. Und was die die rein europäischen Bestechungsvorfälle bzw. die Situation in Deutschland angeht, hier nur ein Beispiel von vielen: Wenn ein Bundeskanzler während seiner Amtszeit die umstrittene Verlegung einer Gaspipeline genehmigt und nach seinem Ausscheiden in die Privatwirtschaft geht und den Bau eben dieser Pipeline leitet, dann wirft das Fragen nach den Grenzen auf, wo Korruption anfängt und wo sie aufhört.

Ob sich Carbon Harvesting Corporation eines Vergehens schuldig gemacht hat oder nicht, der Fall kann als Beispiel dafür genommen werden, daß nicht nur die Abholzung von Wald, sondern auch seine Bewahrung potentiell Korruptionsneigungen anregt. Das verbindende Glied ist die Inwertsetzung von Wald. In beiden Fällen dient er der Generierung von Profiten und dürfte zukünftig mehr als bisher das stets nach Anlagemöglichkeiten spähende Finanzkapital anlocken. Ob der Wald in den Händen von "Heuschrecken" gut aufgehoben ist, ist fraglich. Angesichts dessen, daß bereits häufiger indigene Gemeinschaften aus Wäldern, die plötzlich unter Naturschutz standen, vertrieben wurden und fast ihren gesamten Besitz verloren, wäre von dem REDD-Mechanismus ähnliches zu erwarten. Leidtragende wären einmal mehr diejenigen, die am wenigsten haben, während sich Investoren ein neuer Geschäftsbereich erschließt.


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Anmerkungen:

[1] "Special Statement by President Ellen Johnson Sirleaf on the Report of the Special Presidential Investigative Committee on Alleged Carbon Credit Deal", The Executive Mansion Republic of Liberia, 12. Oktober 2010
http://www.emansion.gov.lr/press.php?news_id=1679

[2] "Exclusive: Liberian president calls for extradition of British businessman over alleged carbon offset deal", BusinessGreen, 18. Oktober 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2271674/liberian-president-calls

[3] "Current Projects - The Republic of Liberia", abgerufen am 19. Oktober 2010
http://carbonharvestingcorporation.com/projects.aspx

19. Oktober 2010