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AFRIKA/2003: Ernteverluste in Kenia durch Weizenpilz Ug99 (SB)


Weizenfarmer im kenianischen Rift Valley bekommen Pilzbefall nicht in den Griff

Kleinbauern kommt chemische Behandlung ihrer Felder teuer zu stehen


Zu den Verlustfaktoren im Getreideanbau gehört der Befall mit Pflanzenkrankheiten. Eine der potentiell gefährlichsten, die das Grundnahrungsmittel Weizen bedrohen, ist wiederum die Weizenfäule, ausgelöst durch den Pilz Ug99. Er kann bis zu hundert Prozent einer Ernte vernichten.

Der Pilz wurde 1999 offiziell in Uganda nachgewiesen und hat sich in mehreren Nachbarländern ausgebreitet. Mit der Hauptwindrichtung ist er in den arabischen Raum vorgedrungen und wurde auch schon in Iran und Afghanistan beobachtet. Die Fachwelt ist ziemlich in Sorge, daß Ug99 zu beachtlichen Ernteverlusten führen könnte, denn 80 Prozent der weltweit angebauten Weizenarten gelten als extrem anfällig für diesen Pilz, 90 Prozent immerhin noch als empfänglich. Nach Mais und Reis ist Weizen das drittwichtigste Getreide der Welt.

Die überraschend hohe Empfindlichkeit geht darauf zurück, daß Pflanzenforscher nach schweren Ernteverlusten Anfang der 1950er Jahre in den USA Weizensorten gezüchtet haben, die widerstandsfähig gegenüber das damals verbreitete Pflanzenpathogen Puccinia graminis waren. Im Verlauf der anschließenden Jahrzehnte wurden die resistenten Sorten mit den wichtigsten Weizensorten zahlreicher Länder gekreuzt. Ug99 hat die Forscher kalt erwischt, denn der Pilz ist eine neue Art von Puccinia graminis.

Die apokalyptischen Warnungen über weltweite Ernteausfälle durch Ug99 haben sich bislang nicht bewahrheitet, aber regional kann der Pilz beträchtliche Verluste erzeugen. Beispielsweise im Rift Valley in Kenia. Hillary Kiprotich Ngeno, der im Bezirk Mau Narok zuständige Beamte für die Verbreitung der Landwirtschaft, sagte gegenüber IRIN, dem regionalen Nachrichteninformationsdienst der Vereinten Nationen, daß sie in dieser Saison viele Berichte von Farmern erhalten hätten, die sich insbesondere darüber beklagten, daß ihr Getreide von der Weizenfäule befallen sei, obwohl sie Pflanzenschutzmittel versprüht hätten [*].

Als direkter Nachbar Ugandas war Kenia von Anfang an besonders schwer vom Befall mit Ug99 betroffen. Schon 2001 wurde der Pilz auf einigen Weizenarten nachgewiesen, 2003 teilten die Forscher mit, daß sämtliche Weizensorten Kenias anfällig sind. Nach schweren Regenfällen im November 2009 herrschten im Rift Valley feuchte, dunstige Wetterverhältnisse vor, die den Pilz prächtig gedeihen ließen. Müssen die Bauern ihre Felder normalerweise zweimal pro Saison mit Fungiziden besprühen, wird die Chemikalie jetzt bis zu fünfmal ausgebracht. Das geht ins Geld. Gleichzeitig kann der Ug99-Befall nicht vollständig verhindert werden, so daß auch die Ernteverluste die Einnahmen verringern.

Ein Weizenfeld von ein Hektar Größe mit Fungiziden zu behandeln kostet rund 25 Euro; die Pacht eines Traktors, mit dessen Hilfe die Chemikalie versprüht wird, schlägt beim Landwirt mit etwa zehn Euro pro Hektar zu Buche. Laut IRIN erhöht beides zusammen die Produktionskosten um 40 Prozent. Die Kleinbauern, die etwa 80 Prozent der Weizenanbauern in Kenia ausmachen, verfügen über keinen finanziellen Rückhalt. Sie trifft der Ug99-Befall besonders hart.

Das KARI (Kenya Agricultural Research Institute) in Njoro arbeitet mit dem weltweit bekannten International Maize and Wheat Improvement Centre an der Entwicklung neuer Weizensorten, die widerstandsfähig gegenüber Ug99 sind, zusammen. Es wurden auch schon neue Varianten gezüchtet, aber das ganze Prozedere braucht Zeit. Zudem besteht das Problem, daß es nicht nur den Forschen gelingt, neue Varianten zu züchten, sondern daß die Natur ebenfalls nicht untätig bleibt. Ug99 entwickelt sich weiter, es wurden schon mehrere Varianten nachgewiesen, eine virulenter als die vorangegangene.

Die Pflanzenforschung befindet sich in einem Dilemma. Einerseits gelingt es ihr, Varianten zu züchten, die gegen bestimmte Krankheiten unempfindlich sind. Stellt sich ein Erfolg ein, wird diese Variante womöglich in Weizensorten auf der ganzen Welt eingezüchtet. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß irgendwo eine Pilzvariante entsteht, welche die Abwehrmaßnahme überwindet. Prompt wären wiederum Weizensorten weltweit gefährdet.


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Anmerkungen:

[*] "Kenya: Wheat Stem Rust Hits Rift Valley Farmers", IRIN, 28. Oktober 2010
http://allafrica.com/stories/201010310002.html

31. Oktober 2010