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AFRIKA/2049: US-Kongreßabgeordnete drohen Liberias Opposition mit Sanktionen (SB)


Wie sich die USA einen Kontinent unterwerfen - Beispiel Liberia

US-Abgeordnete üben Druck auf Oppositionspolitiker aus


Man muß kein Sympathisant des liberianischen Oppositionsführers Winston Tubman und seiner Partei Congress for Democratic Change (CDC) sein, um festzustellen, daß die Art, wie es im Oktober und November zur Wiederwahl von Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf (Unity Party) gekommen ist, politisch alles andere als makellos war. Dieser Eindruck wird durch die Drohungen gegen Tubman aus Kreisen der US-Regierung bestätigt. Zwei Abgeordnete deuteten an, es könnten Sanktionen gegen ihn verhängt werden. Das trägt nun wirklich nicht dazu bei, die Kritik an der früheren Weltbankmanagerin Sirleaf, sie richte sich zu sehr nach ausländischen Interessen, zum Verstummen zu bringen.

Zunächst einmal wurde die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liberias Präsidentin nur wenige Tage vor den Wahlen am 11. Oktober von der Opposition mit einiger Berechtigung als Einmischung von außen interpretiert. Da hätte das Nobelpreiskomitee feinfühliger sein können - auch gegenüber Sirleaf. Die hat sich natürlich über die Ehrung gefreut, aber trotz des großen Zuspruchs der Bevölkerung, die sie bereits vor der Bekanntgabe durch das Nobelpreiskomitee erfuhr, kommt es nicht gut an, wenn ein Staatsoberhaupt in der heißen Phase des Wahlkampfs auf solche Weise vom Ausland protegiert wird. Dieser Aspekt an der Ehrung dürfte auch Sirleaf nicht gefallen haben.

Am vergangenen Wochenende haben nun die US-Kongreßabgeordneten Jesse Jackson Jr. und Christopher Smith, die beide dem Subkomitee für Afrika angehören, jeweils Stellungnahmen zur Lage in Liberia abgegeben und die Möglichkeit von Sanktionen gegen Oppositionspolitiker angedeutet. [1]

Die CDC hatte an den Wahlen im Oktober teilgenommen, die Stichwahl am 8. November jedoch wegen angeblicher Wahlmauscheleien boykottiert. Sirleaf gewann mit über 90 Prozent der Stimmen. Da rund 4800 in- und ausländische Wahlbeobachter keine Unregelmäßigkeiten verzeichnet und den Ablauf der Wahlen als frei, fair und transparent bezeichnet hatten, konnte die CDC mit ihren Protesten nicht die internationale Gemeinschaft für sich gewinnen. Eine Demonstration der Oppositionspartei am Vorabend der Stichwahl endete mit dem Tod mehrerer CDC-Mitglieder vor dem Hauptquartier der Partei. Winston Tubman kündigte an, die offizielle Amtseinführung Präsidentin Sirleafs am 16. Januar "stören" zu wollen. Auch in der Zeit bis dahin wollen Tubman und sein Stellvertreter George Weah Proteste durchführen. Am vergangenen Montag beispielsweise hat die CDC im Rahmen einer unangemeldeten Demonstration fünf leere Särge zu Grabe getragen. Sie stehen für angeblich fünf von den liberianischen Sicherheitskräften getötete Demonstranten.

In der Vergangenheit hat Präsidentin Sirleaf einige der bei Wahlen unterlegenen Oppositionspolitiker an ihrer Regierung beteiligt und diese Möglichkeit auch Winston Tubman angeboten. Der hat sich darauf bis jetzt nicht eingelassen. Wenn aber der US-Abgeordnete Christopher Smith davon abrät, den CDC in die Regierung einzubinden, weil dies "schädlich" sei, [2] dann handelt es sich um eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates. Zumal die Präsidentin zuvor unmißverständlich klargestellt hatte: "Ich werde versuchen, mit allen von ihnen [SB: den Oppositionspolitikern] zu verhandeln. Einige von ihnen hatten recht wilde, unfaire Stellungnahmen gegen mich abgegeben und mich aller möglichen Dinge bezichtigt, doch wenn jemand willens ist, glaube ich an die Wiedergutmachung." [3]

Die in den USA ansässige Website FrontpageAfrica berichtete von der Drohung, Tubmans Konten einzufrieren und seine Aufenthaltsgenehmigung zurückzuziehen. Jesse Jackson habe sein "tiefes Bedauern" darüber zum Ausdruck gebracht, daß der CDC auf der Grundlage unbewiesener Behauptungen über Wahlbetrug zum Boykott der Stimmabgabe aufgerufen hat. Das habe ein Klima der Einschüchterung und Furcht in der Bevölkerung Liberias ausgelöst. Jackson erklärte: "Die Vereinigten Staaten werden alle und jeden politischen Führer und deren Unterstützer, die Liberias Friedensprozeß und die Demokratie zu untergraben versuchen, mit allen verfügbaren Mitteln zur Rechenschaft ziehen; einschließlich der möglichen Verhängung multilateraler oder bilateraler Sanktionen." [4]

Mit Blick auf den vor kurzem beendeten NATO-Angriff auf Libyen und die wiederholten Liquidationen mutmaßlicher Islamisten in Somalia durch Drohnenattacken kann man sagen, daß zur Zeit spektakulärere Einmischungen der USA in die inneren Angelegenheiten afrikanischer Staaten stattfinden als durch die Androhung von Sanktionen gegen Liberias Oppositionspolitiker. Dennoch wird hieran beispielhaft der hegemoniale Anspruch der US-Regierung erkennbar. Von einem Land, das unter dem durchschaubaren Vorwand der humanitären Interventionen einen gewaltsamen Regierungswechsel herbeiführt, ist natürlich nicht zu erwarten, daß es sich an einer weniger bedeutenden geopolitischen Stelle Handlungseinschränkungen auferlegt.

Wobei etwas mehr Zurückhaltung insbesondere Jesse Jackson jr. gut zu Gesicht gestanden hätte, hat doch sein Vater Jesse Louis Jackson Sr. ausgerechnet mit dem liberianischen Warlord Charles Taylor, der in Den Haag im Gefängnis sitzt und sich vor dem UN-Tribunal für Sierra Leone wegen seiner mutmaßlichen Verstrickungen in den sierraleonischen Bürgerkrieg verantworten muß, zusammengearbeitet. Die Rolle des alten Jackson in zwei Bürgerkriegen, dem Liberias und dem Sierra Leones während der 1990er Jahre, ist mindestens zweifelhaft. Kritikern zufolge [5] hat er durch seine Unterstützung Taylors und der propagierten Einbindung von dessen Verbündeten, des berüchtigten Warlords Foday Sankoh, in die Regierung Sierra Leones, Blut an den Fingern.

Nun mischt sich der Sohn Jacksons in die inneren Angelegenheiten Liberias ein. Anscheinend wird in der heutigen Zeit, in der Afrika abermals die Begehrlichkeiten miteinander konkurrierender ausländischer Mächte - USA, EU, China und eine Reihe weiterer Schwellenländer - weckt und Ressourcenraub im großen Stil gepflegt wird, nicht mehr so viel Wert auf diplomatische Höflichkeit gelegt. Die hatte zwar nie eine andere Funktion erfüllt, als die eigenen Raubabsichten zu verschleiern, aber sie besaß zumindest noch eine gewisse Pufferfunktion. Die Zeit der Samthandschuhe scheint vorbei zu sein. Einmischungen in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten gehen den Politikern offenbar hemmungslos über die Lippen und im Bedarfsfall aus der Hand.



Anmerkungen:

[1] "Liberia: 'Beware, Troublemakers' - US Congressmen", The Analyst, 21. November 2011
http://allafrica.com/stories/201111210546.html

[2] "Liberia: CDC Inclusion 'Detrimental'", New Democrat (Monrovia), 22 November 2011
http://allafrica.com/stories/201111221499.html

[3] "Who Stays; Who Goes; Who´s Coming In? Job Scramble Underway in Liberia", FrontpageAfrica, 23. November 2011
http://www.frontpageafricaonline.com/index.php?option=com_content&view=article&id=1881:who-stays-who-goes-whos-coming-in-job-scramble-underway-in-liberia&catid=42:politics&Itemid=109

[4] "US Congressman Jackson Hints at Sanctions for Underminers of Liberia's Post-War Peace", Statement des US-Kongreßabgeordneten Jesse L. Jackson jr., 18. November 2011
http://www.frontpageafricaonline.com/index.php?option=com_content&view=article&id=1837:jesse-jackson-jr-hints-sanctions-possible-for-violent-prone-liberia-politicians&catid=41:liberia-2011&Itemid=117

[5] "Dirty diamonds", US News, 12. November 2011
http://www.usnews.com/usnews/opinion/baroneweb/mb_011112.htm

24. November 2011