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AFRIKA/2052: Nahrungsnot und Repressionen im Maisexportland Malawi (SB)


Lebensverhältnisse verschlechtern sich in Malawi rapide

Regierung reagiert mit harschen Repressionen gegen Proteste


Noch vor wenigen Jahren galt der südostafrikanische Binnenstaat Malawi als wirtschaftlicher Hoffnungsträger. Das Land hatte sich von einer schweren Hungerkrise Anfang des vergangenen Jahrzehnts erholt und sich dank entschlossener Maßnahmen der Regierung zur Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion vom Getreideimporteur zum -exporteur gewandelt. Den Stand konnte Malawi über mehrere Jahre hinweg weitgehend halten. Zuletzt wurde in der Saison 2010/11 eine Rekordernte von 3,2 Mio. Tonnen Mais eingefahren. Bei einem nationalen Verbrauch von 2,4 Mio. Tonnen blieb noch reichlich für den Export in Länder wie Kenia, Südsudan und Simbabwe, die unter Nahrungsmangel litten, übrig.

Doch vermeintlich wie aus dem Nichts hat sich die Ernährungslage in Malawi verschlechtert. Ende Dezember kündigte die Regierung ein uneingeschränktes Verbot der Maisausfuhr an und hat alle Exportlizenzen vorläufig ausgesetzt. [1] So überraschend kam die Maßnahme allerdings nicht. Das Hungerfrühwarnsystem Famine Early Warning Systems Network (FEWSNET) stellte bereits im September für den Süden Malawis einen Anstieg der Maispreise um 22 Prozent und im Oktober um weitere 15 Prozent fest. Dazu paßten auch die Angaben der örtlichen Nichtregierungsorganisation Centre for Social Concern (CFSC), die jeden Monat Zahlen zu den Lebenserhaltungskosten veröffentlicht. Demnach stieg der Maispreis im Oktober in den vier urbanen Zentren Mzuzu, Lilongwe, Blantyre und Zomba um durchschnittlich 11,7 Prozent an. [2] Der Nahrungsmangel zeichnete sich also ab.

Vor kurzem warnte die Regierung, daß während der "lean season" von Dezember bis Februar in zehn von 28 Bezirken des Landes Maisknappheit herrsche. Zum einen leiden die südlichen Landesteile unter Dürre [3], zum anderen - so wird zumindest behauptet - haben die Produzenten ihre Ware zurückgehalten, um höhere Preise zu erzielen. Allerdings klingt letzteres Argument wenig plausibel, denn als das National Cereals and Produce Board (NCPB) Ende Oktober die Abnehmerpreise auf 3000 Schilling pro Sack anhob, was nach Weltbankangaben zu den höchsten weltweit zählt, vermochte das die angeblich so vollen Lager auch nicht zu leeren, und es wurden trotz der guten Preise nur wenige Sack Mais angeliefert. [1] Entweder pokern die örtlichen Händler hoch oder sie haben tatsächlich nichts zu liefern.

Mit dem jetzt verhängten Ausfuhrverbot will die Regierung Malawis die nationalen Notfallreserven stärken. Dazu paßt auch die frühere Ankündigung des Ministers für Katastrophenschutz und -vorsorge, Jeffrey Kanyinji, daß seine Regierung 4000 Tonnen Mais beiseitegelegt habe, um rund 200.000 Bedürftige im Süden des Landes zu versorgen. Zeugt das noch davon, daß die Regierung ihre Verantwortung gegenüber der Bevölkerung wahrnimmt, so besteht am Nutzen einer anderen Maßnahme Zweifel. Die Admarc (Agriculture Development and Marketing Corporation), jene Regierungsbehörde, die den Maishandel in Malawi kontrolliert, hat den Maispreis um 50 Prozent von 12 auf 18 US-Dollar pro Sack (50 kg) angehoben, um dadurch die Erzeuger vor der Ausbeutung durch Schwarzhändler zu schützen. [4] Für die Konsumenten hingegen verteuert sich der Mais.

Malawis Stern ist wieder gesunken. Seit einiger Zeit häufen sich die negativen Meldungen aus dem südostafrikanischen Binnenstaat, der anscheinend unaufhaltsam in den Abgrund gerissen wird. Daran sind die internationalen Geldgeber IWF und Weltbank nicht unbeteiligt, propagieren sie doch unverdrossen eine auf die Exportwirtschaft orientierte Politik, obgleich dies nachgewiesenermaßen die allgemeine Verarmung fördert - zumal Tabak als Hauptexportgut Malawis nicht mehr so gefragt ist wie früher und die allgemeine weltwirtschaftliche Lage wenig Anlaß zur Hoffnung gibt, daß ein Land mit der Ausfuhr unverarbeiteter landwirtschaftlicher Produkte jemals aus den roten Zahlen herauskommt.

Der sich in Malawi abzeichnende Nahrungsmangel tritt in einer Zeit auf, in der die Regierung starkem Druck von außen ausgesetzt ist, ebenso wie sie sich durch bis dahin nicht für vorstellbar gehaltene Repressionen hervortut. 30 bis 40 Prozent des Haushalts wird von ausländischen Gebern, unter anderem USA, Deutschland und Großbritannien, bestritten. Diese Gelder wurden jedoch wegen schlechter Regierungsführung auf Eis gelegt. Die staatlichen Repressionen gipfelten vorläufig darin, daß am 20. Juli 2011 bei friedlichen Demonstrationen 20 Personen erschossen und etliche verletzt wurden.

Einige Monate zuvor hatte sich Malawis Regierung, die offenbar recht dünnhäutig ist, mit Großbritannien überworfen, nachdem geheime Diplomatendepeschen, die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, ein Dokument enthielten, in dem der britische Botschafter in Malawi, Fergus Cochrane-Dyet, den malawischen Präsidenten Bingu Wa Mutharika als "autokratisch und intolerant gegenüber Kritik" bezeichnete. Nach der Veröffentlichung dieser Einschätzung im April 2011wurde der Botschafter des Landes verwiesen. London warf seinerseits den malawischen Repräsentanten aus dem Land und stoppte Entwicklungshilfezusagen in Höhe von 550 Mio. Dollar. [5] Auch die zweite Tranche des IWF in Höhe von 79,5 Mio. Dollar eines günstigen Kredits (extended credit facility) blieb aus - derzeit laufen Verhandlungen über die Freigabe - , und Deutschland hatte laut dem Auswärtigen Amt seine Budgethilfe bereits im Dezember 2010 ausgesetzt. [6]

Eingedenk der Repressionen seitens beispielsweise der Regierungen Äthiopiens und Ruandas, die sich weiterhin finanzieller Zuwendungen oben genannter Regierungen erfreuen, kann man nur vermuten, daß Malawi deshalb die Gunst entzogen wird, weil es sich vor einigen Jahren dem IWF-Diktat der Streichung staatlicher Förderprogramme für die Landwirtschaft widersetzt und damit einen riesigen Erfolg verzeichnet hat. Ist der Währungsfonds nachtragend und legt deshalb Malawi Daumenschrauben an?

Präsident Mutharika war im Jahr 2004 gewählt worden, weil er versprach, die Korruption der Vorgängerregierung zu bekämpfen. Seitdem hat der Präsident seine Befugnisse erweitert, die Demonstrations- und Pressefreiheit eingeschränkt und Konkurrenten in der eigenen Partei ausmanövriert. Die langen Schlangen an den Tankstellen, die kein Benzin liefern können, sind ein sichtbares Zeichen für die problematische Versorgungslage. Selbst die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs ist für viele Einwohner unerschwinglich geworden. Die Privatisierung der Benzinversorgung des Landes hat den Mangel nicht behoben, sondern verschlimmert.

In Abstimmung mit dem bzw. auf Geheiß des Internationalen Währungsfonds hat die Regierung die Landeswährung Kwacha gegenüber der Leitwährung Dollar abgewertet (im August um zehn Prozent; wobei der Kwacha sowieso nur noch ein Drittel seines Dollarwerts von 1994 besaß) und leidet jetzt unter einem wachsenden Devisenmangel. Das Konzept einer schwachen nationalen Währung ist nicht aufgegangen, denn Malawi hat wenig anderes als unverarbeitete landwirtschaftliche Erzeugnisse, vornehmlich Tabak, auszuführen. Der hat bislang 60 Prozent der Exporteinnahmen ausgemacht. Im vergangenen Jahr sanken die Umsätze aber von zuvor 365 Mio. Dollar auf 158 Mio. Dollar. [7]

Sinkt der Wert des Kwacha, müßte Malawi zwar seinen Umsatz steigern können, gleichzeitig tritt jedoch der Effekt ein, daß die Bevölkerung verarmt, da die geleistete Arbeit ihren Wert verliert. Die Löhne sind nicht im gleichen Verhältnis gestiegen, wie der Kwacha abgewertet wurde, was reale Kaufkraftverluste für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet. Im übrigen steht Malawi in Konkurrenz mit anderen Ländern, die ähnliche wirtschaftliche Probleme haben und denen die gleichen Pseudolösungen oktroyiert werden. Dadurch wird der Vorteil einer abgewerteten Währung partiell aufgehoben.

Die Lebenserhaltungskosten sind in Malawi aus einem weiteren Grund gestiegen. Die Regierung hat im Juli vergangenen Jahr aufgrund der auf Eis gelegten Entwicklungshilfe Mehrwertsteuern in Höhe von 16,5 Prozent auf zahlreiche Produkte wie Brot, Fleisch und Milch, die bislang von der Steuer ausgenommen waren, eingeführt. Daraufhin zogen die Preise erwartungsgemäß schlagartig an, Proteste blieben nicht aus.

Es läßt sich zur Zeit überhaupt nicht absehen, wie Malawi aus der Misere herauskommen will, auch und insbesondere nicht mit seiner rigiden Austeritätspolitik und dem Versuch, keine Schulden mehr zu machen (ZDB - Zero Deficit Budget). Der Treibstoffmangel lähmt die Wirtschaft, Investoren ziehen ab, die Arbeitslosigkeit wächst, die hohen Verbraucherpreise verschärfen Armut und Nahrungsmangel. Weitere Demonstrationen sind vorprogrammiert - ebenso wie harsche Reaktionen seitens der Sicherheitskräfte.

Die Vereinten Nationen hatten Regierung und Opposition an einen Tisch gebracht, damit sich die sozialen Spannungen im Land nicht noch weiter erhöhen, aber nachdem Brandanschläge auf das Büro einer oppositionellen Menschenrechtsorganisation und das Haus eines anglikanischen Priesters und Aktivisten verübt wurden, zog sich die Opposition von den Gesprächen zurück. [8] Der mutmaßliche Selbstmord des 25jährigen oppositionellen Studenten Robert Chasowa, der von der Polizei gesucht worden war, wirft Fragen auf. Angeblich ist Chasowa im September vergangenen Jahres aus dem fünften Stock eines Gebäudes gesprungen. Warum aber, so fragen Aktivisten, hatte er nur schwerste Kopfverletzungen, darüber hinaus aber keinerlei Knochenbrüche davongetragen?

Anmerkungen:

[1] "Malawi: Maize Shortage Looms As Nation Halts Exports to Boost Grain Reserves", Business Daily (Nairobi), 2. Januar 2012
http://allafrica.com/stories/201201030347.html

[2] "Malawi: Urban Poor Hit By Slew of Price Increases", UN Integrated Regional Information Networks (IRIN), 19. Dezember 2011
http://allafrica.com/stories/201112191802.html

[3] "Malawi: Xmas on empty stomachs in Malawi", NGO News Africa, 28. Dezember 2011
http://www.ngonewsafrica.org/?p=11024

[4] "Malawi: Country Suspends Maize Exportation", The Nation, 29. Dezember 2011
http://allafrica.com/stories/201112300098.html

[5] "Malawi Duplicates Zimbabwe Crisis", Zimbabwe Independent, 22. Dezember 2011
http://allafrica.com/stories/201112260319.html

[6] Malawis Beziehungen zu Deutschland, Stand: September 2011
http://www.auswaertiges-amt.de/sid_DDD2B3A816F01F6A45486E807E8550CE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Malawi/Bilateral_node.html

[7] "Malawi: More Pain for Malawi's Poor", Open Society Initiative for Southern Africa (Johannesburg), 28. November 2011
http://allafrica.com/stories/201111291124.html

[8] "Malawi: Bingu's Malawi Spins Wildly Out of Control", Southern Africa Report, 29. September 2011
http://allafrica.com/stories/201110030144.html

3. Januar 2012