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AFRIKA/2145: Steinmeiers Spendenaufruf zynisch (SB)


Regierungen mauern

Bundespräsident bittet Bevölkerung um Spenden für Afrika


Wäre es für die Bundesregierung nicht ein leichtes, 20 Millionen vom Hungertod bedrohte Menschen in Afrika zu retten? Vier Milliarden Euro werden dafür gebraucht, berichtete UN-Generalsekretär António Guterres. Nachdem jedoch im Februar dieses Jahres die Staaten einen entsprechenden Spendenaufruf der Vereinten Nationen nahezu unbeantwortet gelassen haben, appelliert nun Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier anläßlich der Afrika-Aktionstage an alle Bundesbürgerinnen und -bürger, "gemeinsam" zu spenden: "Ohne unsere Hilfe werden noch mehr Frauen, Männer und Kinder verhungern. (...) Ich bin froh, dass zahlreiche deutsche Organisationen Hilfe leisten - teilweise unter schwierigsten Bedingungen. Auch der Staat hat seine Unterstützung bereits erhöht. Doch dies wird nicht ausreichen. Ich bitte Sie daher: Helfen Sie mit Ihrer Spende." [1]

Diese Forderung ist infam und muß entschieden zurückgewiesen werden. Warum sollte der Staat, der "seine Unterstützung bereits erhöht" hat, nicht in der Lage sein, selber das Geld aufzubringen? Um einem möglichen Mißverständnis vorzubeugen: Den Spendenaufruf Steinmeiers abzulehnen ist nicht gleichbedeutend damit, die Menschen in Afrika verhungern zu lassen. Aber wenn auf einmal die Not von Menschen als eine Art Schicksalsschlag dargestellt wird und nicht als Ergebnis konkreter politischer Entscheidungen, wie sie unter anderem auch von der deutschen Regierung getroffen werden, dann sollte man dies nicht noch dadurch unterstützen, daß man so tut, als gebe es ein gemeinsames Interesse, Menschenleben zu retten.

Gewissermaßen haben die Bundesbürgerinnen und -bürger bereits reichlich gespendet und sind in Vorleistung gegangen. Sie haben so viele Steuern gezahlt, daß allein mit deren Verteilung ein riesiger administrativer Apparat befaßt ist, der davon mitfinanziert wird. Auf 5,89 Mrd. Euro wurden die Ausgaben des Bundesfinanzministeriums im Haushaltsgesetz 2016 beziffert. [2]

Das heißt, allein für die Verwaltung der Steuereinnahmen wird mehr Geld aufgewendet, als für die Bewahrung von Menschenleben in Afrika benötigt werden. Von der gewaltigen Summe ganz zu schweigen, die vom deutschen Fiskus verwaltet wird: 329,1 Mrd. Euro umfaßt der Bundeshaushalt 2017 - und von diesen "Spenden" an die Regierung soll es nicht möglich sein, die von Guterres erbetenen vier Mrd. Euro abzuzweigen?

Im übrigen hat der Bund für das Jahr 2016 mit einem Haushaltsüberschuß von 6,2 Milliarden Euro abgeschlossen. Selbst diese Summer genügte, um 20 Mio. Menschen mindestens ein Jahr lang zu ernähren. Wenn nun der Bundespräsident vor dem Hintergrund solcher Zahlen behauptet, daß die Bemühungen von Hilfsorganisationen und Staaten nicht ausreichten, und er die Bürgerinnen und Bürger zum Spenden auffordert, da nur gemeinsame Anstrengungen die Not beseitigen könnten, will er offenbar erreichen, daß den Leuten noch mehr Geld abgenommen wird. Das betrifft vor allem die kleinen und mittleren Einkommen, wohingegen sich das Finanzkapital gerade erst Afrika als Steueroase ausgeguckt hat, um dort sein Geld zu verstecken. Gleichzeitig bieten sich die afrikanischen Staaten als Investitionsräume an und locken mit einem weitreichenden Steuerdumping. [3]

Rechnerisch könnte allein Deutschland bereits die 20 Millionen von akutem Nahrungsmangel bedrohten Menschen in Afrika vor dem Hungertod bewahren, wenn es der Regierung wirklich ein so drängendes Anliegen wäre, wie Steinmeier es darstellt. Aber natürlich könnten noch weitere Länder einspringen. Jedoch waren von den geforderten vier Milliarden Euro bis zum 20. März nur zehn Prozent zusammengekommen. Und das bedeutet noch immer nicht, daß die Zusagen auch eingehalten wurden. Zudem geht ein Teil der Summe gleich wieder in den Verwaltungskosten der Hungerhilfe unter, so daß die Gesamtsumme nochmals weiter reduziert werden muß.

Bei allem persönlichen Engagement, das Hilfsorganisationen zu mobilisieren verstehen, um die desaströse Lage von Millionen Menschen in den aktuellen Hungerländern Nigeria, Niger, Mali, Südsudan, Kenia, Äthiopien, Somalia und Jemen zu beenden, sie betreiben das Spiel der Herrschenden, wenn sie Jahr für Jahr, Jahrzehnt für Jahrzehnt um Spenden bitten, partielle Hilfe leisten und ansonsten im Kern dazu schweigen, daß die Regierungen auch ganz anders könnten, wenn sie denn wollten. Die Zahlen sprechen für sich: Bei Steinmeiers Aufruf handelt es sich um ein veritables Ablenkungsmanöver von der Ignoranz der Regierung gegenüber den in Not geratenen Menschen. Wer sich jemals die Frage gestellt hat, was er damit zu tun hat, wenn in anderen Erdteilen gehungert wird, so lautet die Antwort: Es sind unsere Volksvertreterinnen und -vertreter, die den Mangel in den Ländern des Südens aufrechterhalten.


Fußnoten:

[1] http://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/06/170608-Afrika-Spendenaufruf.html

[2] https://www.bundeshaushalt-info.de/fileadmin/de.bundeshaushalt/content_de/dokumente/2016/soll/Haushaltsplan-2016.pdf

[3] http://www.taz.de/Europaeische-Entwicklungspolitik/!5415941/

12. Juni 2017


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