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AFRIKA/2148: Landreform - Deutschland fordert von Simbabwe Entschädigung (SB)


Kolonialherren vergessen nicht ...


Wenn es um die Sicherung deutscher Interessen geht, haben Berlins Diplomaten ein Elefantengedächtnis. So sagte der deutsche Botschafter in Simbabwe, Thorsten Hutter, daß die Entschädigung deutscher Farmbesitzer für die Enteignung im Rahmen einer Landreform in Simbabwe ein "dringendes und wichtiges" Thema sei. Das müsse beim Dialog zur Wiederannäherung zwischen Simbabwe und der Europäischen Union aufgegriffen werden, zitiert die in London erscheinende Zeitung "New Zimbabwe" im Mai dieses Jahres den Diplomaten. [1]

Die im Jahr 2000 von der simbabwischen Regierung gewaltsam durchgeführte Landreform hätte eigentlich lange zuvor stattfinden sollen. Genau dafür hatten in den 1970er Jahren viele Menschen im Befreiungskampf gegen die Apartheidregierung der weißen Minderheit in dem damals noch Rhodesien genannten Land ihr Leben gegeben. Doch 1980 hatten die Anführer des erfolgreichen Befreiungskampfs vertraglich im Lancaster-House-Abkommen in London zugestimmt, keine Landreform zu erzwingen, sondern diese zunächst zehn Jahre lang auf freiwilliger Basis (willing seller/willing buyer) durchzuführen. Während dieses Zeitraums wurden mit finanzieller Unterstützung Großbritanniens und der USA einige große Farmen aufgekauft, um das Land an Bauern zu verteilen.

Weitere zehn Jahre verstrichen, ohne daß sich an der Lage von rund einer Million landloser Bauern wesentliches geändert hätte. Der Unmut in der Bevölkerung wuchs, die Opposition wurde stärker, so daß Präsident Robert Mugabe, der einstige Anführer eines Zweigs der Befreiungskämpfer, und seine Regierungspartei ZANU-PF, die Flucht nach vorn antraten. Im Jahr 2000 wurde die längst überfällige Landreform vorangetrieben und erzwungen. Damals verfügten rund 4.000 "Weiße" über 70 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche (hauptsächlich für den Anbau von Zuckerrohr, Kaffee, Baumwolle und Tabak), vor allem jedoch saßen sie auf den fruchtbarsten Böden.

Der Pauschalbegriff "Weiße" umfaßt abgesehen von Farmern, die in Simbabwe gelebt haben, Lords im britischen Oberhaus, die kaum oder noch nie einen Fuß auf simbabwischen Boden gesetzt hatten, sowie transnationale Unternehmen und Investoren vor allem aus der anglo-amerikanischen Wirtschaftswelt, aber auch aus Deutschland und anderen ehemaligen Kolonialmächten Afrikas.

Wenn nun der deutsche Botschafter Hutter in Harare daran erinnert, daß eine Reihe von Deutschen in Simbabwe nach der Unabhängigkeit investiert hätten, "die jetzt nicht mehr hier sind", dann deutet er damit an, daß Deutschland im Rahmen des Dialogs zwischen Simbabwe und der EU die Landfrage auftischen wird. Welche konkreten Forderungen erhoben werden, geht aus den Aussagen des Botschafters nicht hervor.

Ob eine Entschädigung rechtlich zulässig ist, werden die Verhandlungen oder gegebenenfalls Gerichte entscheiden. Ob sie jedoch legitim ist, steht auf einem ganz anderen Blatt. Sieht man einmal von persönlichen Verlusten der Enteigneten ab, so erscheint der Standpunkt der simbabwischen Regierung nachvollziehbar, daß sich eine Entschädigung grundsätzlich nur auf den Wert der Verbesserungen beziehen kann, die von den Besitzern des Lands vor der Landreform gemacht worden waren, nicht aber auf den Wert des Landes selbst.

Das war geraubt worden und kann somit nicht Teil einer Entschädigungsverhandlung sein. Vereinfacht gesagt wäre das so, als müßte man einen Dieb dafür entschädigen, weil man ihm die Beute, die vorübergehend in seinem Besitz war, wieder abnimmt. Die Verhältnisse sind in Simbabwe sicherlich etwas komplexer, zumal es sich womöglich um die Nachfahren jener "Diebe" (Begünstigten der Apartheid-Regierung) handelt, die Verluste verzeichnet haben, aber das Bild verdeutlicht den Standpunkt der simbabwischen Regierung: die Enteignung war Fortsetzung des Befreiungskampfs.

Aus verschiedenen Gründen hat die erzwungene Landreform nicht den Erfolg gebracht, den sie hätte haben können, wenn sich nicht Mitglieder der simbabwischen Regierung einen Teil des enteigneten Lands unter den Nagel gerissen, die USA und EU nicht Sanktionen gegen die simbabwische Regierung verhängt und die globalen Kreditgeber Simbabwe nicht mittels Zinserhöhungen den Geldhahn faktisch zugedreht hätten.

Nur einmal angenommen, Ende der siebziger Jahre hätten es die Befreiungskämpfer um Robert Mugabe und Joseph Nkomo geschafft, die Kolonialherren aus dem Land zu werfen, und es anschließend gar nicht nötig gehabt, sich an den Verhandlungstisch zu setzen, dann wären Entschädigungszahlungen an Deutschland heute kein Thema. Wenn überhaupt, so könnten sich diese allein auf die 20 Jahre beziehen, in denen die Landreform auf freiwilliger Basis durchgeführt worden war. Doch selbst dann stellte sich die Frage, ob nicht das simbabwische Volk dafür entschädigt werden müßte, daß sein Land von den deutschen Farmern zur Maximierung ihrer Profite benutzt worden war.


Fußnote:

[1] http://allafrica.com/stories/201705170380.html

23. Juni 2017


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