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AFRIKA/2163: Schlachtfeld Afrika - globale Interessen ... (SB)



Die postkolonialen Konflikte und Stellvertreterkriege in Afrika haben nie aufgehört. Allerdings flammen sie zur Zeit wieder verstärkt auf und tragen mal einen handels- und wirtschaftshegemonialen, mal einen militärischen Charakter. Beispielsweise in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Rußland rüstet das fünf Millionen Einwohner zählende Land mit Waffen auf, entsendet Militärberater und drängt damit in den Hegemonialbereich der Franquafrique, der ehemaligen "Grande Nation", vor. Die von den Medien verbreitete Annahme, daß in der ZAR ein religiöser Konflikt zwischen Muslimen und Christen ausgetragen wird, wie er in den letzten Jahren zu einem regelrechten Bürgerkrieg ausgewachsen war, geht nicht über vordergründige Beobachtungen hinaus.

2013 hat der UN-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen die ZAR verhängt, aber dieses sieht Ausnahmen unter bestimmten Bedingungen vor. Mit Genehmigung des Rats hat Rußland im Januar und Februar dieses Jahres unter anderem 900 Pistolen, 5200 Sturmgewehre, 270 Raketenwerfer und Munition auf unentgeltlicher Basis geliefert sowie fünf Militär- und 170 zivile Ausbilder in die ZAR entsandt. Die Waffen sollten an die rund 1300 regulären Soldaten zweier Bataillone gehen, die zuvor von der Europäischen Union ausgebildet worden waren. Die Lieferung von Raketenwerfern ist prekär, denn damit können Flugzeuge abgeschossen werden, was im Falle des Falles beispielsweise die Luftüberlegenheit der Franzosen schmälert.

Die russischen Soldaten haben sich auf dem 40 Hektar großen Anwesen des Berenga-Palastes des früheren Präsidenten und "Kaisers" Jean-Bedel Bokassa (1966 bis 1979), rund 60 Kilometer außerhalb der Hauptstadt Bangui, eingerichtet. Die russische Unterstützung entspreche den allgemeinen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Stärkung der nationalen Sicherheitsstrukturen der ZAR, um die Lage in dem Land zu normalisieren und den langwierigen internen bewaffneten Konflikt zu lösen, wird Artyom Kozhin, Sprecher des russischen Außenministeriums, von der Website pravda.ru zitiert. [1]

Aus den letzten Wahlen im März 2016 war Faustin Archange Touadéra als Sieger hervorgegangen. Der neue ZAR-Präsident hat Versöhnung, Entwaffnung und Demobilisierung zu seinen Prioritäten erklärt. Diese werden offensichtlich nicht von allen gesellschaftlichen Kräften geteilt, um es vorsichtig zu formulieren. Die Vereinten Nationen unterhalten in der ZAR weiterhin eine 900 Personen starke, multidimensionale, integrierte Stabilisierungsmission (MINUSCA), deren Mandat im November vergangenen Jahres um ein Jahr verlängert worden war. In dem Land bekämpfen sich seit Jahren die muslimische Ex-Seleka und christliche Anti-Balaka, aber eben auch zahlreiche kleinere Milizenbanden, die sich nicht an religiösen Grenzverläufen festmachen lassen. Die ständigen Kämpfe, die oftmals auch an keinen erkennbaren territorialen Fronten ausgetragen werden, machen das Leben in der ZAR extrem unsicher. Die Wirtschaft, inbesondere die Landwirtschaft, reicht hinten und vorne nicht, um den Menschen ein Mindestauskommen zu sichern. Die ZAR zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Welt.

Diese Not stellt nun für Rußland eine Chance dar, seinen Einfluß auszudehnen. Bei einem Treffen von Touadéra mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow im Oktober 2017 in Sotschi wurde eine engere Zusammenarbeit in Politik, Wirtschaft und Handel vereinbart. Es geht um die Ausbeutung mineralischer Rohstoffe, Energiezusammenarbeit und die Lieferung russischer Industrieprodukte. Exportgüter der ZAR sind Gold, Uran, Diamanten und Edelhölzer.

In den 1970er Jahren hatte die Sowjetunion in Ölfelder im Norden der ZAR investiert. Nach dem Zerfall des riesigen Reichs und dem massiven weltweiten Einflußverlust Rußlands in der Zeit danach ist der wichtigste Nachfolgestaat der Sowjetunion längst wieder auf der Weltbühne angekommen, mischt in den größeren Kriegen wie in Syrien mit und knüpft auch an frühere Verbindungen in einer Reihe von Ländern auf dem afrikanischen Kontinent an. Dafür ist die ZAR ein treffendes Beispiel. Obschon es zur Franquafrique zählt, unterhielt es bereits 1958 diplomatische Beziehungen zur Sowjetunion.

Waffen sollten eigentlich das letzte sein, was die ZAR - in Anbetracht der eklatanten Nahrungsnot in weiten Teilen des Landes - gebrauchen kann. Die Regierung und ihre internationalen Unterstützer vertreten den Standpunkt, daß sich Touadéra nur wird halten können, wenn seine Regierung genügend stark ist, um Umsturzversuche abzuwehren. Also braucht sie Waffen. Bei der Logik der Aufrüstung wird allerdings eine Voraussetzung vernachlässigt: Die Belieferung mit Waffen hat längst stattgefunden, lange bevor Unruhen in der ZAR ausbrachen.

Der größte Rüstungsexporteur der Welt sind die Vereinigten Staaten von Amerika, gefolgt von Rußland. Afrika ist ein lukrativer Absatzmarkt für Waffen, und da diese ihrer Funktion entsprechend auch eingesetzt werden, besteht eine permanente Nachfrage. Zugleich tritt der für Rußland nicht unerwünschte Effekt ein, daß auf Staaten, in denen bewaffnete Konflikte ausgetragen werden, leichter Einfluß auszuüben ist. Zwar sind Rußland, Frankreich, die USA, Deutschland und andere Staaten des globalen Nordens Konkurrenten, aber einig sind sie sich in der vorherrschenden Absicht, in ihren Zielen und selbst in der Wahl der Mittel. Bezeichnenderweise haben die USA am 7. Januar dieses Jahres dreizehn Millionen Dollar für das Militär der ZAR freigesetzt - ein Schuft, wer Böses dabei denkt und dies nicht als Konter gegen russische Ambitionen ansieht. [2]

Die bewaffneten Konflikte würden nicht aufhören, wenn die sich bekämpfenden Gruppen keine Schußwaffen besäßen. Strenge Exportrestriktionen vermochten in der Vergangenheit nicht zu verhindern, daß die Waffen in die Hände unliebsamer staatlicher und nichtstaatlicher Akteure geraten und von ihnen eingesetzt werden. Selbst das Aufschreiben der Nummern der aktuell gelieferten Waffen, wie von Rußland zugesagt, könnte gegebenenfalls nur nachvollziehbar machen, wie sie in die Hände von Rebellen geraten sind.

Also wäre die permanente Aufrüstung mit und Massenvernichtung durch Kleinwaffen nur dann zu beenden, wenn diese gar nicht erst produziert würden. Das setzte weltweite massive Eingriffe in die Produktionsverhältnisse voraus, die von den herrschenden gesellschaftlichen Kräften niemals akzeptiert werden, drohte damit doch auch die schlußendliche Voraussetzung ihrer eigenen Privilegien - Waffengewalt und Menschen, die in der gesellschaftlichen Funktion des Soldaten oder Polizisten das Gewaltmonopol durchsetzen - zu erodieren. Afrika bleibt Schlachtfeld fremdnütziger Interessen.


Fußnoten:

[1] http://www.pravdareport.com/news/russia/politics/22-03-2018/140460-central_african_republic-0/

[2] https://www.geopolitica.ru/en/article/what-russia-doing-central-african-republic

1. April 2018


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