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AFRIKA/2174: Schwarzer Kontinent - Fossil abgestellt ... (SB)



Wenn es um Investitionen in den Energiesektor Afrikas geht, so finanzieren die Weltbank und wirtschaftlich starken Länder nach wie vor hohe Summen in die Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe. Das gilt auch für Staaten, die Pläne haben, selber aus der fossilen Energiewirtschaft auszusteigen. Wohingegen nur eine geringe Summe auf Energieprojekte entfällt, die zu einer relativen Energieautarkie beitragen. Damit wird Afrika weiterhin zum bloßen Ressourcenkontinent abgestempelt.

Wenn man das 2016 in Kraft getretene Klimaabkommen von Paris ernst nimmt, wonach die globale Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit begrenzt wird, und man zugleich an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs - Sustainable Development Goals) festhält, nach denen bis 2030 alle Menschen Zugang zu Energie haben sollen, dann darf man heute nicht mehr in die Förderung und Nutzung fossiler Energieträger investieren. Das wird jedoch getan, insbesondere in Afrika.

Wie die Nichtregierungsorganisation Oil Change International in ihrem Report vom Juli 2018 [1] berichtete, fielen in den Haushaltsjahren 2014 bis 2016 fast 60 Prozent der Investitionen, die von regionalen und internationalen Entwicklungsbanken sowie zehn reichen Staaten in Afrika getätigt wurden, auf fossile Energieträger. Pro Jahr belief sich die Summe auf durchschnittlich 11,7 Mrd. Dollar. Zum Vergleich: Projekte zu erneuerbaren Energien (ohne große Wasserkraftwerke) kamen lediglich auf 18 Prozent. Aber nicht einmal zwei Prozent der Investitionen waren für dezentrale Lösungen durch erneuerbare Energien vorgesehen.

Letztere sind jedoch unverzichtbar, um das SDG-Ziel der Energie für alle zu erfüllen. Eine Elektrifizierung über den Aufbau eines öffentlichen Stromnetzes wäre bis 2030 vollkommen ausgeschlossen. Viel zu groß sind die Entfernungen, viel zu dünn die gegenwärtigen Infrastrukturen. Die einzige Chance besteht im Aufbau lokaler Strukturen und damit einer relativen Autarkie.

Diese Idee kommt aber anscheinend bei den Investoren nicht so gut an. So entfällt auf China mit jährlich im Durchschnitt 5,1 Mrd. Dollar (von 19,8 Mrd. Dollar) der weitaus größte Anteil an den Investitionen in die Energieversorgung. Fast drei Viertel des chinesischen Anteils fließen in die Infrastruktur zur Öl- und Gasförderung, und dreizehn Prozent in die Kohleverstromung. Erneuerbare-Energieprojekte wurden laut Oil Change International von China in dem Untersuchungszeitraum überhaupt nicht finanziert. Gerade hierin sieht die Organisation eine krasse Diskrepanz, baut doch das bevölkerungsreichste Land der Erde bei sich die erneuerbaren Energiesysteme mit Hochdruck aus.

Der zweite Großinvestor war die Weltbankgruppe. Sie hat allerdings angekündigt, die Finanzierung der Förderung fossiler Energieträger im kommenden Jahr auslaufen zu lassen. An dritter Stelle kommt Japan, an vierter Deutschland. Zu den Hauptempfängerländern zählen Ägypten, Angola und Südafrika. Sie erhielten zusammen fast die Hälfte der 59,5 Mrd. Dollar, die in den drei Jahren von 2014 bis 2016 an öffentlicher Finanzierung in Energiesysteme geflossen sind.

Mit ihrem neuen Report zu Afrika greift Oil Change International das Thema eines früheren Berichts, der zum G20-Gipfel 2017 in Hamburg veröffentlicht wurde, auf. Darin war das Finanzverhalten der G20-Staaten ebenfalls hinsichtlich fossiler Energien untersucht worden und hatte zum Ergebnis, daß diese die "Klimakatastrophe" vorantreiben. [2]

Der aktuelle Bericht zur fossilen Energiewirtschaft spiegelt wider, was in den letzten Jahren verstärkt zu beobachten ist: Afrika wird von der übrigen Welt in erster Linie als ein Kontinent wahrgenommen, der noch über viele ungenutzte Ressourcen verfügt. Das gilt ausdrücklich auch für BRICS-Staaten wie China. Das Reich der Mitte investiert zwar vergleichsweise hohe Summen in fast allen afrikanischen Staaten, aber will auch etwas dafür haben, nämlich den dauerhaften Zugang zu den dortigen Rohstoffen.

Das gilt selbstverständlich auch für andere Staaten, die gleiche Interessen verfolgen, auch wenn sie zu diesem Zweck womöglich andere Mittel als die des Handels einsetzen. Erinnert sei hier nur an den gewaltsamen Sturz des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren durch eine Reihe von NATO-Staaten, angeführt von Frankreich und dem Vereinigten Königreich. Libyen hatte seine Erdöleinnahmen dafür eingesetzt, den allgemeinen Lebensstandard im Land zu erhöhen - deswegen war es innerhalb Afrikas auch ein beliebtes Einwanderungsland -, sowie andere afrikanische Staaten dabei zu unterstützen, sich vom Griff des globalen Nordens zu lösen. Die Afrikanische Union hatte die NATO-Staaten eindringlich aufgefordert, keinen Angriff zu starten, und sich um Vermittlung im innerlibyschen Konflikt bemüht. Vergebens. Die Bomben auf Libyen waren zugleich Bomben auf das höchste politische Gremium des Kontinents und eine klare Zurechtweisung. Der Versuch der afrikanischen Länder, sich der postkolonialen Unterwerfung zu entziehen, wurde militärisch vereitelt.

Mit den nach wie vor hohen Investitionen in die fossile Energiewirtschaft (von denen in vielen Fällen nur wenige Machthaber und ihre Günstlinge profitieren - bekannt als der "Erdölfluch") hat dieser Exkurs in die jüngere Geschichte des Kontinents insofern zu tun, als daß in beiden Fällen eine souveräne, auch im Sinne des Klimaschutzes fortschrittliche Entwicklung der afrikanischen Staaten offenbar nicht im Interesse der Investoren liegt. Ginge es nach ihnen, würde Afrika fossil abgestellt und erhielte dadurch ein Schmuddel-Image.

Darüber hinaus verdeutlicht der Report grundsätzlich, wie wenig die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur globalen Erwärmung in politische Handlungen gemündet sind. Es wird zwar etwas getan, wie der versprochene Ausstieg der Weltbankgruppe aus der Finanzierung der Erdöl-, Erdgas- und Kohleförderung zeigt, doch viel zu langsam. Dabei ist jetzt die Zeit, in der darüber entschieden wird, ob sich das Erdklima für viele Millionen Menschen insbesondere in den ärmeren Ländern "nur" katastrophal entwickeln wird - das wäre bei Einhaltung des sehr ehrgeizigen 1,5-Grad-Ziels - oder ob die Menschheit weiter wie bisher den Kurs des evolutionären Niedergangs einschlägt.


Fußnoten:

[1] http://priceofoil.org/content/uploads/2018/07/africa_finance_report_final_web.pdf

[2] http://priceofoil.org/content/uploads/2017/07/talk_is_cheap_G20_report_July2017.pdf

31. Juli 2018


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