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AFRIKA/2196: Uganda - Klimaschutz kolonial ... (SB)



In Uganda wurden die Bewohner mehrerer Dörfer aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben, weil das waldreiche Gebiet dem CO₂-Emissionshandel unterworfen worden war. An dieser Praxis ist schon vor Jahren Kritik geübt worden, dennoch halten drei skandinavische Staatsfonds weiterhin an dem umstrittenen Klimaschutzprojekt fest. Sie sind der Überzeugung, daß sie erstens etwas Gutes für den Klimaschutz tun, zweitens die lokale Entwicklung fördern und drittens zur Renaturierung beitragen.

Das in den USA ansässige Oakland Institute verfolgt seit Jahren die Auswirkungen sogenannten Land Grabbings in den Ländern des Globalen Südens. So auch das Aufforsten des Kachung-Waldschutzgebiets durch das Unternehmen Green Resources. Nach zwei früheren Berichten aus den Jahren 2014 und 2017 hat das Oakland Institute nun den Report "Evicted for Carbon Credits: Norway, Sweden and Finland displace Ugandan farmers for carbon traders" (z. Dt.: Vertrieben für Kohlenstoffkredite: Norwegen, Schweden und Finnland verdrängen ugandische Bauern für Kohlenstoffhändler) veröffentlicht, in dem frühere Vorwürfe noch einmal dargelegt und durch jüngere Entwicklungen bestätigt werden. [1]

Es geht um zwei Waldgebiete, den Bukaleba- und den Kachung-Wald, die Green Resources vom ugandischen Staat für 50 Jahre gepachtet hat, um dort auf 11.864 Hektar hauptsächlich Fichten anzubauen, deren Holz zum Bauen verwendet werden soll. Wenngleich der Kachung-Wald selbst kaum direkt besiedelt war, liegen doch mehrere Dörfer an seinem Rand. Deren Bewohnerinnen und Bewohner haben den Wald auf vielfältige Weise genutzt, unter anderem haben sie dort ihr Vieh grasen lassen und Felder angelegt. Das wurde ihnen verboten, berichtete das Oakland Institute und veröffentlichte ein entsprechendes Schreiben des Pächters an die Bevölkerung aus dem Jahr 2009. Die Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung hat aufgrund der Verdrängung schwer gelitten.

Green Resources stand jahrelang vor dem Konkurs, doch im Juli 2018 stiegen der norwegische Staatsfonds Norfund und der finnische Staatsfonds Finnfund mit in das Projekt ein und bewahrten es dadurch vor dem Aus. Abgesehen vom UN Clean Development Mechanism (CDM), im Rahmen dessen die Anträge auf Klimaschutzzertifikate geprüft werden, kritisiert das Oakland Institute auch den Forest Stewardship Council (FSC), der im Mai 2019 für die Kachung-Plantage das Nachhaltigkeitssiegel verlängert hat, und die Climate Community, and Biodiversity Alliance (CCBA), eine Initiative der Nichtregierungsorganisationen Conservation International, CARE, The Nature Conservancy, Rainforest Alliance und der Wildlife Conservation Society. Die CCBA will die Entwicklung von Landmanagementaktivitäten fördern und hat dem Projekt ebenfalls Unbedenklichkeit bescheinigt.

Wie die mit der Prüfung der Nachhaltigkeit beauftragte Firma SGS Qualifor zu dem Eindruck gelangen konnte, daß es zwischen 2011 und 2018 zu keinen Klagen gegen die Plantage gekommen ist, wirft Fragen auf. Nicht nur, daß in jenem Zeitraum das Oakland Institute seine beiden Vorläuferberichte veröffentlicht hat, in denen Klagen über Vertreibungen, Verdrängungen und andere Menschenrechtsverletzungen beschrieben sind, auch eine Überprüfung des Projekts durch die Schwedische Energieagentur aus dem Jahr 2017 brachte Probleme an den Tag. Diese staatliche schwedische Einrichtung ist die einzige Abnehmerin der Kohlenstoffkredite, und ausgerechnet sie hat Green Resources aufgefordert, so schnell wie möglich eine Lösung für mehrere Klagen vor Gericht über umstrittene Landnutzungsrechte zu klären, berichtete das Oakland Institute.

Mit der Behauptung, man würde mit dem Kohlenstoffhandel etwas Gutes für das Klima tun, weil die an dem System beteiligten Unternehmen genötigt werden, ihren Energieverbrauch zu senken, da sie ansonsten Kohlenstoffkredite erwerben müßten, wird so getan, als sei die einzige Alternative zum Kohlenstoffhandel die Klima-Katastrophe aufgrund ungezügelter Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger.

Eine andere Alternative, die ohne CDM auskommt, könnte jedoch darin bestehen, die Treibhausgasemissionen dort zu reduzieren, wo sie produziert werden. Das wurde bereits im Vorfeld des 1997 beschlossenen Kyoto-Protokolls diskutiert und hätte verhindert, daß afrikanische Länder den atmosphärischen Müll in Form von CO₂, der in den Industriestaaten produziert wurde, in Form von Holz auffangen und bei sich lagern.

Es spricht im Prinzip nichts gegen eine Aufforstung, doch dazu braucht man keine CDM-Zertifikate, und ohne den Kohlenstoffhandel hätten viel weitreichendere Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen ergriffen werden müssen, um die globale Erwärmung zu bremsen. Darüber hinaus stellt sich doch sehr die Frage, ob Industriewald mit dicht beieinander stehenden, kerzengeraden Fichten, in deren Schatten kaum andere Vegetation gedeiht, als Maßnahme zur Wiederherstellung und zum Schutz von Habitaten angesehen werden kann, in denen außerdem Fichten bis dahin nicht vorkamen.

Sicherlich hat die ugandische Regierung des Langzeitpräsidenten Yoweri Museveni kräftig daran mitgewirkt, daß unter dem Vorwand von Klimaschutz und Entwicklung Wald der traditionellen Nutzung entzogen wurde, ohne die Betroffenen vor Ort zu konsultieren. Gerade deshalb hätte Green Resources gut daran getan, eigene, gründliche Recherchen vor Ort durchzuführen. Dann wäre das Unternehmen vielleicht zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt, wie Hanne Sangnæs Dihle, die 2014 im Journal "The East African Review" ihre Ermittlungsergebnisse im Rahmen einer Masterarbeit präsentiert hat. Sie hat in wesentlichen Punkten die Kritik des Oakland Institutes bestätigt und unter anderem berichtet, daß die Verfügungsgewalt über die von Green Resources gepachteten Gebiete von der lokalen Bevölkerung auf den Staat übergegangen ist. [2]

Ohne die Unterstützung der Regierungen Schwedens, Norwegens und Finnlands wäre Green Resources pleite, und die lokale Bevölkerung besäße vielleicht die Chance zur Rückgewinnung des ihr unter dem Vorwand des Klimaschutzes entwundenen Lebensraums. An diesem Beispiel wird deutlich, daß in den Wohlstandsregionen wie Europa die Sorge über den Klimawandel in allererster Linie eine ist, die sich auf drohende Abstriche von der eigenen Lebensqualität bezieht, nicht aber auf Beeinträchtigungen der Lebensverhältnisse der Menschen in Afrika. Der Kolonialismus wurde zu keinem Zeitpunkt überwunden und setzt sich bruchlos in der Klimaschutzpolitik dieses Jahrhunderts fort.


Fußnoten:

[1] https://www.oaklandinstitute.org/sites/oaklandinstitute.org/files/evicted-carbon_0.pdf

[2] https://journals.openedition.org/eastafrica/351

2. September 2019


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