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ASIEN/794: Bekommt Nordkorea eine Sicherheitsgarantie von China? (SB)


Bekommt Nordkorea eine Sicherheitsgarantie von China?

Nur wenn die USA auf einen Regimewechsel in Pjöngjang verzichten



In den vergangenen Tagen stand der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm im Schatten der Reise des US-Außenministers John Kerry in die Krisenregion Ostasien. In Seoul erklärte am 12. April der Ex-Senator aus Massachusetts, die USA würden "niemals" einen Atomstaat Nordkorea akzeptieren. In Peking diskutierte Kerry am 13. April über Wege, wie die Volksrepublik China Nordkorea an den Verhandlungstisch zurüchholen könnte. Am 14. April sprach sich der Nachfolger Hillary Clintons in Tokio erstmals für bilaterale Gespräche zwischen den USA und Nordkorea aus, machte dafür jedoch zur Bedingung, daß Pjöngjang den ersten Schritt zur Beendigung der jüngsten Spannungen tut. Am 15. April sind die Nordkoreaner der Aufforderung indirekt nachgekommen. Am 101. Geburtstag von Kim Il-sung hat Nordkorea nicht, wie befürchtet, einen erneuten Raketentest durchgeführt. In der Hauptstadt wurde dem nordkoreanischen Staatsgründer auch nicht mit einer großen Militärparade, sondern mit einem "Fest der Blumen" gedacht. Es sieht so aus, als hätte die Koreakrise ihren Zenit überschritten.

Die martialischen Drohungen der Nordkoreaner in den letzten Wochen sind in erster Linie defensiver Natur gewesen. Alle, auch die Staatsführung in Pjöngjang um den neuen, jungen Machthaber Kim Jong-un, wissen, daß Nordkorea zwar einen Krieg mit den USA jederzeit auslösen und deren Verbündeten Japan und Südkorea erhebliche Schäden zufügen, aber letztlich niemals gewinnen kann. Die Bedeutung des Besitzes der Atombombe liegt für Pjöngjang in der Abschreckungsfähigkeit, damit die Amerikaner nicht versuchen, wie 2003 im Irak, 2011 in Libyen und seit zwei Jahren in Syrien, in Nordkorea das "Regime" zu stürzen. Der Selbsterhaltungstrieb stand auch hinter dem nordkoreanischen Satellitenstart am 12. Dezember, welcher die jüngsten diplomatischen Spannungen auslöste und in der westlichen Wahrnehmung als Provokation gewertet wurde.

Jene Aktion hat vor allem eine wichtige innenpolitische Funktion in Nordkorea sowie im Verhältnis des kommunistischen Nordens zum kapitalistischen Süden erfüllt. Mit der Aussetzung ihres ersten Satelliten im All haben die Nordkoreaner die Blamage vom 13. April 2012, als die Trägerrakete kurz nach dem Start auseinanderbrach, ausgebügelt, sowie gleichzeitig die Südkoreaner, die immer noch nicht in den erdnahen Weltraum vorgestoßen sind, auf Platz zwei verwiesen. Mit dem Atomtest vom 12. Februar hat Nordkorea sich gegen die Verurteilung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen wegen des Satellitenstarts mit aller Entschiedenheit verwahrt. Im entsprechenden Protestschreiben an UN-Generalsekretär Ban Ki-mun erklärte die Regierung in Pjöngjang, sie könnte es nicht nachvollziehen, warum andere Staaten alle paar Wochen einen Satelliten ins All schicken, ohne daß irgend jemand besondere Notiz davon nimmt, aber hellste Aufregung herrscht, wenn Nordkorea das gleiche macht.

Gegen diese Sonderbehandlung haben sich die Nordkoreaner heftig zur Wehr gesetzt. Trotz diverser Vorstöße seitens Pjöngjangs lehnen es die USA bis heute ab, einen Friedensvertrag mit Nordkorea zu schließen, der den Koreakrieg von 1950 bis 1953 formell beenden würde. Um ein solches Abkommen auszuhandeln und zu besiegeln, wäre es notwendig, daß die USA Nordkorea anerkennen. In der Verweigerungshaltung der USA, deren Vertreter mit den Nordkoreanern nur in multilateralen Zusammenkünften wie den Sechsergesprächen Verhandlungen führen, manifestiert sich aus Sicht Pjöngjangs der Wunsch nach einem "Regimewechsel". Erst wenn die USA Nordkorea anerkennen, wäre die Kriegsgefahr erst einmal vom Tisch.

Auch wenn beide Seiten in den zurückliegenden Wochen mit dem Feuer gespielt haben, können auch die USA kein ernsthaftes Interesse an einer militärischen Eskalation auf der koreanischen Halbinsel haben. Deswegen hat Kerry während seines Besuchs in Peking versucht, die Führung dort in die Pflicht zu nehmen, damit sie ihren Einfluß in Pjöngjang geltend macht und eine Lösung herbeiführt, bei der keine Seite das Gesicht verliert. Im Gegenzug hat Kerry angeboten, einige Komponenten des Raketenabwehrsystems, welches das Pentagon in letzter Zeit in die Region verlegt hat - Lenkwaffenzerstörer in den nordwestlichen Pazifik, Batterien des Terminal High Altitude Area Defense (THAAD) auf die südpazifische Insel Guam - und die auch eine Bedrohung für die chinesische Zweitschlagskapazität darstellen, nach der Beilegung der Krise wieder abzuziehen.

Die Chinesen können sich keine weitere Eskalation leisten. Der erbitterte Streit zwischen Washington und Pjöngjang hat ohnehin den Eindruck entstehen lassen, als könnte Chinas Verbündeter Nordkorea ihm auf der Nase tanzen. Es dürfte kein Zufall sein, daß Japan im Schatten der Koreakrise eine wichtige Vereinbarung mit Taiwan geschlossen hat, welche taiwanesischen Fischern Zugang zu den Gewässern um die Senkaku- Inseln gewährt, die Gegenstand eines komplexen Territorialdisputs zwischen der Volksrepublik und Nippon sind. Darüber hinaus bedeutet die Vereinbarung zwischen Tokio und Taipei eine enorme diplomatische Aufwertung Taiwans durch Japan, was in Peking alle Alarmglocken zum Schrillen bringt. Folglich könnte die Idee, die Qingshan Tan, Professor der Politikwissenschaft an der Universität von Cleveland, am 15. April in einem Gastbeitrag für die Asia Times Online aufgeworfen hat - China gibt für Nordkorea eine Sicherheitsgarantie ab, die USA erkennen Nordkorea an, Nordkorea willigt in die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel ein - der gangbarste Ausweg für alle Beteiligten aus dem Konflikt sein. Ob sie ihn ergreifen werden, muß sich noch zeigen.

15. April 2013