Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


ASIEN/820: USA heizen die Spannungen im Südchinesischen Meer an (SB)


USA heizen die Spannungen im Südchinesischen Meer an

Washington will Hanoi als Verbündeten gewinnen


Spätestens seit Hillary Clinton als US-Außenministerin in November 2011 mit einem aufsehenerregenden Artikel in der Zeitschrift Foreign Policy das 21. Jahrhundert zu "America's Pacific Century" erklärte und die ungehinderte Seefahrt durch das Südchinesische Meer zu einem "Nationalinteresse" Amerikas erhob, befinden sich die Vereinigten Staaten und die Volksrepublik China auf Kollisionskurs. Während China seine Marinestreitkräfte kräftig ausbaut, tun die USA wirklich alles, um die anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers, allen voran Vietnam und die Philippinen, in Konfrontation gegenüber der Volksrepublik zu bringen. Darüber hinaus drängen die USA Japan und Indien dazu, die in China den übergroßen Rivalen um regionale Hegemonie betrachten, sich aktiv in die Seerechtsstreitereien am Südchinesischen Meer einzumischen.

Auf der Grundlage der sogenannten Neun-Striche-Linie aus dem Jahr 1947 beansprucht China den größten Teil des Südchinesischen Meers, unter dem größere Öl- und Gasreserven vermutet werden, für sich. Nach dieser Auslegung wären die anderen Anrainerstaaten, Vietnam, Malaysia, Indonesien, Brunei und die Philippinen, was die jeweilige Exklusive Wirtschaftszone betrifft, praktisch auf ihre unmittelbaren Küstengewässer beschränkt, weswegen letztere sich dagegen sperren. Den Disput möchte China jeweils bilateral mit dem einzelnen Nachbarstaat regeln, um dabei seine wirtschaftliche Macht ausspielen zu können. Die anderen Streitparteien erhoffen für sich durch eine Internationalisierung des Problems sowie multilaterale Verhandlungen ein besseres Ergebnis zu erzielen. Hier werden sie von den USA in ihrer selbstauferlegten Rolle als globale Ordnungsmacht ermutigt.

Als Manila deswegen im März 2014 - sehr zum Mißfallen Pekings - den Internationalen Seerechtsgerichtshof anrief, stammte das in Hamburg vorgelegte, mehr als 4.000seitige Memorandum der philippinischen Regierung nicht aus eigener Hand, sondern war von einer Anwaltskanzlei in den USA extra verfaßt worden. Wenige Wochen später im April schlossen die Philippinen und die USA anläßlich eines Besuchs Barack Obamas in Manila ein umfassendes Abkommen, das Enhanced Defense Cooperation Agreement (EDCA), das die Stationierung amerikanischer Kriegsschiffe, Militärflugzeuge und Landstreitkräfte in der Inselrepublik vorsieht. Im Mai führte die umstrittene Stationierung einer chinesischen Bohrinsel nahe der Paracel-Inseln zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Hanoi und Peking. In Vietnam wurden chinesische Fabriken bestreikt bzw. durch aufgebrachte Bürger zum Teil schwer beschädigt.

Im Rahmen der Remilitarisierung Japans, die Tokio mit der angeblich größer gewordenen Verantwortung Nippons für Frieden und Sicherheit in der Welt begründet, erhalten demnächst Vietnam sechs und die Philippinen zwei japanische Patrouillenboote. Vor kurzem hat die Regierung Shinzo Abes sogar die Möglichkeit von Patrouillenflügen der japanischen Luftwaffe über das Südchinesische Meer ins Spiel gebracht. Als Admiral Robert Thomas, Oberbefehlshaber der 7. US-Flotte, Ende Januar den japanischen Vorstoß begrüßte, löste dies Proteste seitens der Regierung in Peking aus.

Derzeit werfen die USA und die Philippinen China wegen des Ausbaus einer Start- und Landebahn für Flugzeuge auf dem Riff Fiery Cross, das zur Inselgruppe Spratley gehört, auf das sowohl Peking als auch Manila Anspruch erheben, aggressives Vorgehen vor. Als Reaktion auf die chinesischen Baumaßnahmen hat Manila Ende Februar 16 chinesische Experten, die für das staatliche philippinische Stromnetz arbeiteten, zu Personen non grata erklärt und des Landes verwiesen. Etwa zur gleichen Zeit hielt sich Hanois Stellvertretender Premierminister und Außenminister Pham Binh Minh zu Gesprächen in Manila auf, bei denen es um die Gründung einer strategischen Partnerschaft - heißt Militärallianz - zwischen den Philippinen und Vietnam ging.

Zum Abschluß einer elftägigen Arbeitsreise, bei der es unverhohlen um die Eindämmung Chinas ging und die auch Besuche in Australien, Neuseeland und den Philippinen einschloß, traf am Rose Gottemoeller, die im US-Außenministerium für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheit zuständige Staatssekretärin, am 3. März zu Gesprächen mit der vietnamesischen Regierung in Hanoi ein. Bei dem Treffen trat Gottemoeller für eine verstärkte Zusammenarbeit Vietnams sowohl mit den USA als auch mit den Philippinen ein. Welche Folgen eine größere Annäherung des noch-kommunistischen Vietnam an die USA haben könnten, zeigt eine Eklusivmeldung der Nachrichtenagentur Reuters vom 11. März. Demnach haben die USA Vietnam darum gebeten, die Nutzung des Militärflughafens Cam Ranh Bay durch russische Langstreckenbomber für "provokative" Flüge über den amerikanischen Stützpunkt auf der westpazifischen Insel Guam zu beenden.

Seit Jahrzehnten steht Rußland Vietnam als Verbündeter und Waffenlieferant zur Seite. Ohne die Hilfe Moskaus hätte Nordvietnam in der Mitte des 20. Jahrhunderts den Krieg gegen Südvietnam und die USA womöglich nicht gewonnen. Doch wenn es nach dem Willen Washingtons geht, sollen sich die Vietnamesen von Rußland, das die USA seit der Ukrainekrise noch vor China als Hauptbedrohung ansehen, abwenden. Der mögliche Kurswechsel in der Außenpolitik Hanois dürfte das Hauptgesprächsthema sein, wenn später in diesem Jahr Nguyen Phu Trong als erster Chef der regierenden Kommunistischen Partei Vietnams Washington besucht und von Obama im Weißen Haus mit allen Ehren empfangen wird.

13. März 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang