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ASIEN/854: James Mattis glättet die Wogen im Südchinesischen Meer (SB)


James Mattis glättet die Wogen im Südchinesischen Meer

Donald Trumps Verteidigungsminister betreibt Diplomatie in Ostasien


Der erste Auslandsbesuch eines Vertreters der neuen US-Regierung von Präsident Donald Trump führte Verteidigungsminister James Mattis vom 2. bis 5. Februar nach Südkorea und Japan. Dort hat der ehemalige Vier-Sterne-General, der im Irakkrieg durch aggressive Methoden der Aufstandsbekämpfung den Spitznamen "Mad Dog" erhalten hatte, erstmals sein diplomatisches Können demonstriert. Durch ein resolutes, aber umsichtiges Auftreten hat der ehemalige CENTCOM-Chef Lob nicht nur in Südkorea und Japan, sondern sogar aus der Volksrepublik China geerntet. Durch gemäßigte Äußerungen ist es Mattis, der im Vergleich zu Trump viel liest und unter den US-Militärs als Intellektueller gilt, gelungen, die in jüngster Zeit wieder hohen Wogen im Südchinesischen Meer etwas zu glätten.

Im Präsidentenwahlkampf gegen die Demokratin Hillary Clinton hatte der Republikaner Trump durch Kritik am angeblich mangelnden finanziellen Beitrag Südkoreas und Japans zu ihrer eigenen Verteidigung Zweifel an der Verläßlichkeit Washingtons als Verbündeter aufkommen lassen. Bei seinen Gesprächen mit Regierungsvertretern und öffentlichen Auftritten ist es Mattis gelungen, die von der konservativen Presse Japans und Südkoreas aufgebauschten Ängste zu zerstreuen, indem er die transpazifische Partnerschaft mit Seoul und Tokio zu einem festen Anker der Sicherheitspolitik Washingtons erklärte. In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert. Von Seoul aus drohte er Nordkorea mit schweren Vergeltungsmaßnahmen, sollte Pjöngjang eine nuklearsprengkopffähige Interkontinentalrakete testen, und gab sich zufrieden mit dem Verlauf der Arbeit zur Installation mehrerer Batterien des Raketenabwehrsystems auf südkoreanischem Boden, die bis Ende dieses Jahres abgeschlossen werden soll. Mattis' Bekenntnis zur Terminal High-Altitude Area Defense (THAAD) wurde in Peking kritisch kommentiert. Lu Kang, der Sprecher des Außenministeriums, erneuerte Chinas prinzipielle Ablehnung des Systems, weil es die Zweitschlagskapazität der Volksarmee beeinträchtige und dadurch das "strategische Gleichgewicht in der Region" gefährde.

Beim Treffen mit dem japanischen Amtskollegen Tomomi Inada wie auch auf der anschließenden Pressekonferenz hat Mattis die finanzielle Unterstützung Tokios für die US-Militärpräsenz in Japan, die 47.000 Soldaten beträgt, als "Modell der Kosten- und Lastenteilung" gepriesen. Darüber hinaus hat er die Verpflichtung der USA nach Artikel 5 des amerikanisch-japanischen Verteidigungsabkommens erneuert, Japan auch im Fall eines Kriegs um die Inselgruppe der Senkakus, die unter dem Namen Diaoyus von China beansprucht werden, militärisch beizustehen. Von chinesischer Seite wurde Mattis dafür vorgeworfen, sich ungebeten in den Inselstreit eingemischt und diesen nur noch komplizierter gemacht zu haben.

Dafür sind in Peking Mattis' gemäßigte Äußerungen zum laufenden Streit Chinas mit den anderen Anrainerstaaten des Südchinesischen Meers - also Vietnam, Malaysia, Indonesien und den Philippinen - um Hoheitsgewässer und Exklusive Wirtschaftsräume auf Wohlwollen gestoßen. Zwar hob der frühere Oberkommandeur der US-Marines im Irak wie einst Hillary Clinton das für Washington wichtige Prinzip der ungehinderten Durchfahrt für die Handelsschiffe aller Nationen hervor, doch mahnte er zugleich, daß eine für alle Parteien zufriedenstellende und daher tragbare Lösung des Souveränitätstreits ausschließlich durch "diplomatische Anstrengungen" zu erzielen sei. Mit dieser Auffassung ging Mattis auf Distanz zum neuen US-Außenminister Rex Tillerson, der sich vor kurzem beim Auftritt vor dem Senat dafür stark machte, den Chinesen den Zugang zu den von ihnen in den letzten Jahren aufgeschütteten und militärisch ausgebauten Riffen und Inseln im Südchinesischen Meer zu verwehren. Aus Peking bezeichnete Außenamtssprecher Lu Kang die Worte des Ex-Generals als "bestätigenswert", weil sie sich "mit den Interessen Chinas und aller Länder der Region" deckten.

Offenbar ist die Trump-Administration derzeit um eine Annäherung an die chinesische Führung bemüht. Hatte Trump nach seinem Wahlsieg mehrmals die Ein-China-Politik in Frage gestellt, so hat Mattis während seiner Stippvisite in Ostasien nicht einmal öffentlich das Wort Taiwan erwähnt. Während sich Mattis am 3. Februar zu Beratungen in Tokio aufhielt, telefonierte Trumps Nationaler Sicherheitsberater, General a. D. Michael Flynn, mit dem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi. Das Telefonat soll auf Wunsch des Weißen Hauses zustande gekommen und produktiv und freundlich verlaufen sein. Vermutlich geht es darum, den ersten Kontakt zwischen Trump und Xi Jinping herzustellen. Bis auf Xi hat Trump inzwischen mit den Regierungschefs der mächtigsten Staaten der Welt entweder telefoniert - Angela Merkel, Wladimir Putin - oder sie persönlich empfangen - Shinzo Abe, Theresa May.

Trump und seine wichtigsten Wirtschaftsberater wie Peter Navarro wollen die Verhältnisse zwischen den USA und China neu austarieren und haben zu diesem Zweck die Handels- und Währungspolitik Pekings in der Öffentlichkeit angeprangert, sie diene einseitig der Volksrepublik. Trump hat sogar mit der Verhängung hoher Zölle auf chinesische Importe in die USA gedroht. Doch im Hintergrund formieren sich auf beiden Seiten des Pazifiks Kräfte, die einen Handelskrieg zwischen Washington und Peking unbedingt vermeiden wollen. Zu diesem Kräften gehören zahlreiche große US-Unternehmen wie Apple, das seine iPhones und iPads in der Volksrepublik günstig herstellen läßt.

Rund eine Woche vor der Amtseinführung als US-Präsident am 20. Januar hatte sich Trump, von der Presse weitgehend unbemerkt, in seinem Wolkenkratzer in New York mit Jack Ma, dem Gründer des Internet-Handelsimperiums Alibaba und reichsten Mann Chinas, getroffen. Ma, der als Vertrauter Xis gilt, soll Trump angeboten haben, die Alibaba-Plattform für amerikanische Produkte zugänglicher zu machen und damit für die Entstehung von einer Million neuer Arbeitsplätze in den USA zu sorgen. Wenige Tage später, als Ma und Xi auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos flammende Reden für die Globalisierung hielten, hat auf dem Asian Financial Forum in Hongkong Ding Xuedong, der Chef der China Investment Corporation (CIC), großes Interesse seines Instituts bekundet, sich an einer Finanzierung der ambitionierten, eine Billion Dollar teueren Pläne Trumps zur Generalüberholung der maroden Infrastruktur in den USA zu beteiligen. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, wer sich am Hof Trumps durchsetzt, die Anhänger einer unipolaren Weltordnung mit den USA als alleiniger Supermacht oder die Befürworter einer verstärkten Zusammenarbeit Amerikas mit China.

7. Februar 2017


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