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ASIEN/883: Afghanistan - Chinas stille Wege (SB)


Afghanistan - Chinas stille Wege


Während die USA unter Präsident Donald Trump in Afghanistan den Krieg forcieren, Pakistan wie einen Feindesstaat behandeln und ihm zugesicherte Finanzhilfe entziehen sowie den Iran dämonisieren, baut China konsequent und mit stiller Diplomatie seinen Einfluß in Kabul, Islamabad und Teheran aus. Peking verstärkt die Zusammenarbeit mit den afghanischen Sicherheitskräften auf dem Feld der Terrorbekämpfung und versucht dabei, Kabul zur Teilnahme am Mammutprojekt des China-Pakistan Economic Corridor (CPEC) zu bewegen, der den Tiefseehafen Gwadar in der unterentwickelten pakistanischen Provinz Belutschistan am Arabischen Meer mit der Stadt Kaschgar in der Autonomieregion Xinjiang im Westen Chinas verbinden wird. Der 3.000 Kilometer lange, rund 60 Milliarden Dollar teuere Korridor, der bis 2030 fertiggestellt sein soll, sieht Öl- und Gaspipelines sowie Straßen, Bahnverbindungen und unzählige Industrieproduktionsstätten vor. Zu guter Letzt will die Volksrepublik über Afghanistan und Pakistan den Handel mit dem Iran hochfahren und somit die Spannungen zwischen den drei Nachbarstaaten abbauen.

In seiner ersten Twittermeldung des Jahres 2018 hatte Trump die Beziehungen zu Pakistan mit der Behauptung schwer belastet, die USA hätten seit 2001 Pakistan 33 Milliarden Dollar Finanz- und Rüstungshilfe zukommen lassen, dafür im Gegenzug aber "nichts als Lug und Betrug" bekommen, während das Militär in Karatschi der Verwandlung der pakistanischen Grenzregion in ein "sicheres Rückzugsgebiet" tatenlos zugesehen habe. Drei Tage später setzte das State Department die Fortsetzung der Zahlungen aus Washington an Islamabad vorerst aus.

Bei den Politikern und den einfachen Menschen in Pakistan löste die Arroganz der Trump-Regierung große Empörung aus. Außenminister Khawaja Muhammad Asif warf den Amerikanern vor, Pakistan zum "Prügelknaben" für das eigene militärische Scheitern in Afghanistan zu machen, und er erinnerte daran, daß die aktive Teilnahme Islamabads am Antiterrorfeldzug der USA 70.000 Pakistaner das Leben gekostet, Hunderttausende zu Binnenflüchtlingen gemacht und die Grenzregion zu Afghanistan in ein Schlachtfeld verwandelt habe. Darüber hinaus hob Asif die Tatsache hervor, daß Pakistan seit vier Jahrzehnten rund 3,5 Millionen Kriegsflüchtlingen aus Afghanistan Schutz bietet. Unter Verweis auf die anti-pakistanischen Verlautbarungen aus Washington meinte Pakistans Chefdiplomat: "So gehen Alliierte nicht miteinander um."

Schützenhilfe erhielten die Pakistaner aus China. Am 8. Januar hob der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Lu Kang "den wichtigen Beitrag und den Preis, den Pakistan beim globalen Kampf gegen den Terrorismus entrichtet" habe, hervor und verurteilte die Bezichtigungen aus den USA als einseitig und kontraproduktiv. Im Vergleich zu den USA favorisiert die Volksrepublik in der Region zwischen Hindukusch und Persischem Golf eine Diplomatie der leisen Töne. Unbemerkt von der großen Weltöffentlichkeit hat sich Peking zur Finanzierung des Baus und des Betriebes eines großen Antiterrorzentrums in der nordostafghanischen Provinz Badakshan, die an China grenzt, bereiterklärt. Dies gab am 10. Januar General Dawlat Waziri vom afghanischen Verteidigungsministerium bekannt. Beschlossen wurde das Projekt im Dezember bei Gesprächen des afghanischen Verteidigungsministers Tarik Shah Bahrami mit seinem chinesischen Amtskollegen Chang Wanquan in Peking. Mit dem neuen Zentrum wollen beide Seiten die Bekämpfung uighurischer Moslemseparatisten, die von Badakschan aus Operationen in der chinesischen Autonomieregion Xinjiang durchführen, koordinieren und verstärken.

Am 26. Dezember war es in Peking zum ersten Trilateral-Dialog zwischen China, Pakistan und Afghanistan gekommen. An dem Treffen nahmen führende Regierungsvertreter aller drei Staaten teil. Bei der feierlichen Eröffnung der Konferenz lud der chinesische Außenminister Wang Yi Afghanistan zur Beteiligung am gigantischen Infrastrukturvorhaben CPEC ein, stellte chinesische Investitionshilfen in erheblichem Umfang in Aussicht und versprach größere Anstrengungen seitens Pekings "zwischen Pakistan und Afghanistan Frieden zu schaffen". Auch in Sachen Versöhnung zwischen Pakistan und dem Iran sind die Chinesen unterwegs. Im vergangenen Herbst ist es zu einer Reihe trilateraler Begegnungen zwischen Politikern und Militärs aus China, Pakistan und dem Iran gekommen.

Im Mittelpunkt der Gespräche steht der Ausbau des pakistanischen Tiefseehafens Gwadar durch die Chinesen sowie des Hafens Tschahbadar, der 560 Kilometer weiter westlich im iranischen Teil Belutschistans, unmittelbar vor der Einfahrt zum Persischen Golf liegt. Seit Jahren operieren gewaltbereite belutschistanische Separatisten aus Pakistan im Iran, weswegen es hin und wieder zur Spannungen zwischen den Streitkräften auf beiden Seiten der Grenze gekommen ist. Die Instabilität im pakistanischen Belutschistan ist auch ein Grund, warum die geplante Iran-Pakistan-Pipeline bis heute nicht vollendet wurde. Darüber hinaus will Indien über Tschabadar eine neue See-Land-Verkehrsverbindung nach Afghanistan einrichten. Vor diesem Hintergrund dürfte die Tatsache, daß bei der feierlichen Inbetriebnahme der Hafenanlage Tschahbadar am 3. Dezember der pakistanische Marine- und Schiffahrtsminister Hasil Bizenjo auf der Ehrentribüne gleich neben dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani saß, auch als Zwischenerfolg der Diplomatie Pekings gedeutet werden.

13. Januar 2018


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