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LATEINAMERIKA/2147: Kuba ist auf Gnade der USA nicht angewiesen (SB)


Gedämpfte Erwartungen an Obama - Ausbau der regionalen Beziehungen


Kuba hat auf den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Barack Obama mit der gebotenen Zurückhaltung reagiert und die Einlösung seiner Wahlversprechen angemahnt. "Von heute an ist der Moment gekommen, die Hoffnungen auf einen Wandel zu verwirklichen, die im Zentrum der Botschaft und in den Wahlversprechen des siegreichen Kandidaten gestanden haben", schrieb die Granma in einem Kommentar. Anfang des Jahres hatte Präsident Raúl Castro direkte Gespräche mit Obama in Aussicht gestellt, der eine Annäherung zumindest nicht ausgeschlossen hat.

Zugleich warnte die kubanische Führung vor allzu hohen Erwartungen, da wohl eher mit gewissen Erleichterungen als mit einer vollständigen Aufhebung der Blockade zu rechnen sei. So sagte der Präsident der kubanischen Nationalversammlung, Ricardo Alarcón, die Rede Obamas sei "sehr interessant" gewesen. Der neue US-Präsident sei ein großer Redner, doch müsse sich erst noch zeigen, ob er die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen könne.

Unterdessen ist die Regierung in Havanna bemüht, die Zusammenarbeit mit den lateinamerikanischen Staaten zu vertiefen. Seit Jahresbeginn waren bereits drei Staatsoberhäupter dieser Weltregion in Kuba zu Gast. Nach dem Präsidenten Panamas, Martin Torrijos, und dessen Amtskollegen aus Ecuador, Rafael Correa, empfing man diese Woche die argentinische Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner, der im Februar Michelle Bachelet aus Chile folgen wird.

Der erste Besuch eines argentinischen Staatsoberhaupts in Havanna seit 23 Jahren setzt ein deutliches Signal, daß Argentinien und Kuba nach jahrzehntelangem Stillstand ihrer Beziehungen auf Annäherungskurs gehen. Kirchner war vom kubanischen Präsidenten Raúl Castro empfangen worden, der gemeinsam mit ihr elf Abkommen über eine Intensivierung der Zusammenarbeit unterzeichnete. Kubanischen Medienberichten zufolge sehen die Vereinbarungen eine Zusammenarbeit im Energiesektor, in der Landwirtschaft, in der Forschung und im Umweltbereich vor.

Der Handelsaustausch zwischen den beiden Ländern belief sich im vergangenen Jahr auf rund hundert Millionen Dollar. Die argentinische Präsidentin stellte einen Ausbau der Handelsbeziehungen in Aussicht und übte auf einem Empfang mit Wirtschaftsvertretern und Diplomaten Kritik an der Blockadepolitik der USA. Ungeachtet dieses Embargos, das in der Geschichte beispiellos sei, habe die Gesellschaft Kubas enorme Anstrengungen unternommen. Sie könne noch größere unternehmen, sofern die Handelsbarrieren fallen, rief Kirchner die neue US-Regierung zu einer grundsätzlichen Kurskorrektur auf.

Auch der argentinische Außenminister Jorge Taiana verlieh der Hoffnung Ausdruck, daß der Amtsantritt Barack Obamas einen Wandel herbeiführen, die Abkehr Washingtons von der unilateralen Ordnung einleiten und einen offenen Dialog mit den lateinamerikanischen Ländern möglich machen werde. Inzwischen ist Cristina Fernández de Kirchner nach Venezuela weitergereist, dem sie ebenfalls einen dreitägigen Besuch abstattet.

In den zurückliegenden Monaten waren auch die Präsidenten Chinas, Rußlands und Brasiliens in Havanna zu Gast, wo sie eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit zusagten. Im Oktober 2008 nahm die Europäische Union zunächst formell ihre Handelsbeziehungen zu Kuba wieder auf, das im Dezember auf Initiative Mexikos in die Rio Gruppe aufgenommen wurde, einen diplomatischen Zusammenschluß lateinamerikanischer und karibischer Staaten.

Im Jahr 1868 hatten kubanische Patrioten den ersten Krieg zur Erlangung der Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Spanien begonnen. Knapp hundert Jahre später zog Fidel Castro an der Spitze der siegreichen Guerillaarmee in Santiago de Cuba ein, wo er am Neujahrstag 1959 die Revolution ausrief. Im Januar 1961 brach Präsident Eisenhower die Beziehungen zu Havanna ab und 1962 verhängte Kennedy die Wirtschaftsblockade gegen Kuba. Seither werden die Exporte kubanischer Güter und Dienstleistungen eingeschränkt, der Zugang des Landes zum internationalen Finanzmarkt behindert und die Importmöglichkeiten beschnitten. Damit verfolgt die US-Regierung das Ziel, die Kosten des kubanischen Außenhandels zu erhöhen und damit die Entwicklung ihres Intimfeinds vor der Haustür zu behindern. George W. Bush hatte im Mai 2004 seinen "Plan Bush" zur Verschärfung der Blockade vorgelegt, der im Juli 2006 noch erweitert wurde.

Trotz dieser jahrzehntelangen Drangsalierung hat Kuba selbst in den krisenhaften 1990er Jahren die drei zentralen Prinzipien seiner Politik nie preisgegeben: Aufrechterhaltung des sozialistischen Systems, Beibehaltung der sozialen Errungenschaften und Erhalt der nationalen Unabhängigkeit erlangten Bedeutung in ganz Lateinamerika. Venezuela wurde unter Hugo Chávez zum engsten Verbündeten, 2005 kam Evo Morales als Präsident Boliviens hinzu und bald darauf schloß sich Daniel Ortega als Staatschef Nicaraguas dem bolivarischen Bündnis an. In Argentinien und Brasilien wurden die Linkssozialdemokraten Kirchner und Lula da Silva gewählt, 2006 zog in Chile die Sozialdemokratin Bachelet in den Präsidentenpalast ein, 2007 wurde Rafael Correa neuer Staatschef Ecuadors und im Jahr 2008 folgte mit Fernando Lugo in Paraguay ein weiterer Staatschef, der das Streben Lateinamerikas nach Eindämmung des US-amerikanischen Einflusses und einer Stärkung des regionalen Zusammenschlusses zugunsten größerer Eigenständigkeit unterstützen könnte.

Diese Entwicklung ist ohne das Vorbild Kubas schwer vorstellbar, dessen Blockade durch die USA heute auf breiter Front verurteilt wird. Die Kubaner haben mit ihrem Kampf dieser Weltregion einen Dienst erwiesen, in der sich nun immer mehr Menschen darauf zu besinnen scheinen, wer in all den Jahren jene Errungenschaften verteidigt hat, die man gerade wiederzuentdecken beginnt.

22. Januar 2009