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LATEINAMERIKA/2187: China vertieft Zusammenarbeit mit Lateinamerika (SB)


Großzügige Dollarkredite wie auch Schritte zu einer neuen Leitwährung


Für viele Länder Lateinamerikas hat die Schaffung einer multipolaren Welt längst begonnen. Während die Vereinigten Staaten den von ihnen reklamierten Hinterhof in den Jahren der Bush-Administration wechselweise ignorierten oder vor den Kopf stießen, hat China seine Zusammenarbeit mit dieser Weltregion unterdessen erheblich ausgebaut. Nun kommt die Obama-Regierung mit pompösen Ankündigungen, doch bislang enttäuschend kleinen Schritten daher, und muß wie der großsprecherische und siegessichere Hase in der Fabel feststellen, daß der Igel schon lange da ist.

Dabei gehen die Chinesen wie immer mit wenig Aufhebens, aber langem Atem zu Werke und werden von den Partnerländern nicht nur wegen ihrer substantiellen Investitionen, sondern auch der fehlenden politisch motivierten Konditionen und Auflagen geschätzt. Natürlich ist Peking auch darauf bedacht, die USA nicht zu provozieren, doch zeichnet sich hier wie schon in Afrika dieselbe unauffällige, aber wirkungsvolle Vorgehensweise ab. In einer Welt schwindender Sourcen sind die Chinesen vor allem darauf bedacht, ihren Nachschub an Rohstoffen strategisch zu sichern und im Gegenzug Absatzmärkte für ihre Exporte zu erschließen. Zweifellos wächst dadurch auf Dauer der Einfluß Chinas in den betreffenden Weltregionen, doch wird das nicht zur Schau gestellt, geschweige denn als Parole formuliert und verkündet.

So hebt denn auch die venezolanische Regierung hervor, daß der im Februar beim Besuch des chinesischen Vizepräsidenten Xi Jinping in Caracas von sechs auf zwölf Milliarden Dollar verdoppelte Entwicklungsfonds im Unterschied zu multilateralen Krediten der internationalen Finanzadministration in New York und Washington mit keinen Auflagen verbunden ist. Während Venezuela Zugang zu harten Devisen erhält, bekommt China im Gegenzug mehr Rohöl, dessen Liefermenge von rund 380.000 Faß auf eine Million Faß pro Tag erhöht werden soll.

Neben Ländern wie Venezuela, in denen die USA ohnehin wenig zu melden haben, machen die Chinesen auch Geschäfte mit Staaten wie Brasilien, die im Fokus US-amerikanischer Interessen stehen. Die Brasilianer haben sich bereiterklärt, künftig 100.000 Faß Öl nach China zu liefern, das der staatlichen Ölgesellschaft des südamerikanischen Landes einen Kredit von 10 Milliarden Dollar zur Verfügung stellt, die voraussichtlich in die Erkundung der Lagerstätten vor der Küste investiert werden sollen.

Interessant ist im Falle Brasiliens auch, daß dessen Zentralbank einen Kredit der US-Notenbank (Federal Reserve) über 30 Milliarden Dollar zur Abfederung der Wirtschaftskrise bislang nicht Anspruch genommen hat. Mexiko, das in Washington ebenfalls als potentieller Verbündeter eingestuft wird, hat hingegen die Zuteilung in gleicher Höhe angenommen. Kleinere Länder wie Argentinien, die Probleme mit der Rückzahlung ihrer Auslandsschulden haben, wurden bei dieser Kreditvergabe erst gar nicht berücksichtigt.

Während Ecuador eine Milliarde Dollar für den Ausbau der Wasserkraft von den Chinesen bekommt, leitet deren Abkommen mit Argentinien eine neue Phase bilateraler Handelsbeziehungen ein. Diese werden nämlich nicht mehr in US-Dollar, sondern den beiderseitigen Landeswährungen abgerechnet. Für China ist das ein weiterer Schritt zur Schaffung einer neuen internationalen Leitwährung, wie ihn die chinesische Zentralbank seit dem vergangenen Dezember bereits mit Südkorea, Indonesien, Hongkong, Malaysia und Belorußland vollzogen hat. Mit Argentinien macht das Beispiel erstmals in Lateinamerika Schule, wo Brasilien und Venezuela in Kürze folgen könnten.

Die Chinesen greifen in den Topf ihrer riesigen Dollarreserven und setzen diese weit großzügiger ein, als dies der Interamerikanischen Bank bislang möglich war. Diese hat 2008 nicht mehr als 11,2 Milliarden an Krediten vergeben und lag damit nur unwesentlich über der Summe, die allein die Brasilianer von China erhalten sollen. Die Interamerikanische Bank hat im vergangenen Jahr nahezu eine Milliarde Dollar eingebüßt, was die Neigung der Mitgliedsländern nicht gerade fördern dürfte, das Kapital wie geplant zu verdreifachen und im laufenden Jahr bis zu 18 Milliarden Dollar an Krediten zu vergeben. Zudem haben die USA bei diversen Entscheidungen de facto ein Vetorecht, was die anstehenden Verhandlungen sicher nicht leichter macht. Pikanterweise sitzen fortan auch die Chinesen mit am Tisch, die vor kurzem dem Geldinstitut beigetreten sind.

Chinas wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Lateinamerika ist im Laufe der letzten zehn Jahre so stark gewachsen, das es inzwischen zum wichtigsten Handelspartner der Region nach den USA aufgestiegen ist. Die nun in Aussicht gestellten chinesischen Kredite sind in Umfang und Konditionen zu bedeutsam, als daß die Obama-Administration ohne substantielle Schritte ihrem erklärten Ziel näherkommen könnte, das angeschlagene Verhältnis zu den Ländern des Südens entscheidend zu verbessern.

16. April 2009