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LATEINAMERIKA/2232: Präsident Oscar Arias soll in Honduras vermitteln (SB)


Staatschef Costa Ricas trifft mit den Konfliktparteien zusammen


Der Präsident von Costa Rica und Friedensnobelpreisträger Oscar Arias soll zwischen den honduranischen Konfliktparteien vermitteln. Arias war 1987 für seine erfolgreichen Bemühungen um ein Ende der Bürgerkriege in Mittelamerika mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Nachdem sich nun beide Seiten mit dem Vorgehen einverstanden erklärt haben, ist für morgen ein erstes Treffen zwischen dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya und Vertretern der Putschisten um den sogenannten Interimspräsidenten Roberto Micheletti anberaumt worden.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) sicherte diesen Vermittlungsbemühungen ihre uneingeschränkte Unterstützung zu. Wie Generalsekretär José Miguel Insulza erklärte, sei Oscar Arias der einzige, dem eine Vermittlung gelingen könne. Auch US-Außenministerin Hillary Clinton begrüßte die Vermittlung durch den Staatschef Costa Ricas. Sie rief im Anschluß an ihr erstes Gespräch mit Zelaya in Washington zu einer friedlichen Lösung und der Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Honduras auf. In einer Rede bekräftigte Präsident Barack Obama seine Unterstützung für Zelaya, doch deutete er die offensichtliche Doppelzüngigkeit in der Haltung seiner Regierung an. Die USA unterstützten Zelaya nicht deswegen, weil sie mit ihm einer Meinung seien, sondern weil Washington respektiere, daß er vom Volk gewählt worden ist, so Obama. Wollte Washington den Putsch in Honduras tatsächlich rückgängig machen, wie der US-Präsident behauptet, wäre dies mit Hilfe spürbarer Sanktionen gewiß möglich, die zu verhängen er bislang vermieden hat.

Wie Oscar Arias im Versuch, die Gespräche offenzuhalten, in Interviews ankündigte, stünden alle Themen, die beide Parteien spalten, auf der Tagesordnung. Gegenüber dem Fernsehsender Telesur gab sich Arias betont zuversichtlich: "Mir scheint, daß beide Seiten gewillt sind, eine Lösung am Verhandlungstisch zu suchen."

In ersten Stellungnahmen der Konfliktparteien wurde hingegen deutlich, welch breite Gräben die beiden Seiten vorerst voneinander trennen. Der demokratisch gewählte und durch einen Staatsstreich entmachtete Präsident Zelaya bekräftigte, daß er nicht deshalb nach Costa Rica reisen werde, um mit der Interimsregierung zu verhandeln. Wie er nach seinem Treffen mit der US-Außenministerin betonte, gebe es Dinge, die nicht verhandelbar seien. Bei den anstehenden Gesprächen könne es einzig und allein darum gehen, die Putschisten in seinem Land abzusetzen. [1]

Sein Gegenspieler Roberto Micheletti beharrte hingegen auf dem Standpunkt, daß Zelaya Verbrechen begangen habe, für die er bezahlen müsse. Die Putschisten halten bislang die Auffassung vor, in Honduras habe überhaupt kein Staatsstreich stattgefunden. Man stehe fest auf dem Boden der Verfassung, die Zelaya ohne rechtliche Grundlage habe ändern wollen. Da die honduranischen Behörden einen Haftbefehl gegen Zelaya erlassen haben, droht dem Staatschef im Falle seiner Rückkehr eine Festnahme. Die Vorwürfe gegen den gestürzten Präsidenten wurden zu nicht weniger als 18 Delikten aufgebläht, die es nach den Worten der Generalstaatsanwaltschaft unumgänglich machen, Zelaya vor Gericht zu stellen.

Unterdessen hat der Oberste Gerichtshof in Honduras eine Rückkehr des entmachteten und gewaltsam außer Landes gebrachten Präsidenten Manuel Zelaya an eine Amnestie durch den Kongreß geknüpft. Wie ein Sprecher des Gerichts erklärte, könnte eine Amnestie Zelaya den Weg zurück ebnen. [2] Offen blieb in dieser Stellungnahme allerdings, ob sich die Möglichkeit der Rückkehr nur auf Straffreiheit bezieht oder die Fortsetzung der Präsidentschaft bis zu deren regulären Ende am 27. Januar 2010 einschließt. Grundsätzlich impliziert eine Amnestie natürlich, daß zuvor ein Rechtsbruch begangen wurde, der im Rahmen geltender Gesetze eine Strafverfolgung nach sich ziehen müßte.

Dem wird Zelaya natürlich energisch widersprechen, der von den Putschisten fälschlich bezichtigt wird, er habe eine zweite Amtszeit angestrebt. Wie er bereits in New York nach seiner Rede vor der UN-Vollversammlung bekräftigt hat, wolle er die bis zum 27. Januar laufende Amtszeit beenden, sich dann aber nicht mehr zur Wiederwahl stellen. Er bestätigte ausdrücklich, daß er nie mehr Präsident sein, sondern die Politik aufgeben und ins Privatleben zurückkehren werde. Auch vor dem Putsch ging es Zelaya keineswegs um eine zweite Amtszeit. Vielmehr wollte er eine nicht bindende Volksbefragung durchführen, in der die Bürger Stellung nehmen sollten, ob parallel zur Präsidentschaftswahl am 29. November ein Referendum über die Bildung einer verfassunggebenden Versammlung abgehalten werden kann. Zelaya selbst darf zur Novemberwahl gemäß der Verfassung nicht mehr antreten, weshalb die Verknüpfung der von ihm angestrebten Verfassungsreform mit einer angeblich gewünschten zweiten Amtszeit ein absurder Vorwurf ist, der jedoch ungeprüft von den internationalen Mainstreammedien kolportiert wird.

Daß Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien trotz dieser tiefgreifenden Widersprüche nicht von vornherein fruchtlos sein müssen, scheint auf den ersten Blick eine vermeintliche Bereitschaft zum Einlenken nahezulegen, welche die Putschisten vor dem jüngsten Besuch des OAS-Generalsekretärs Insulza in Tegucigalpa erkennen ließen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Roberto Micheletti angeboten, man könne über vorgezogene Präsidentschaftswahlen sprechen und wolle ein Referendum über eine Rückkehr Zelayas für die restlichen Monate seiner Amtszeit nicht ausschließen, wobei die sofortige Abhaltung einer solchen Volksabstimmung allerdings schwierig sei. Zugleich warnte er den gestürzten Präsidenten eindringlich vor einer baldigen Rückkehr, da es in diesem Fall zu einem Blutvergießen kommen könne.

Sofern man in diesem Zusammenhang überhaupt von Kompromißbereitschaft sprechen will, war sie offensichtlich dem Zweck geschuldet, die Haltung der OAS zu beeinflussen. Diese blieb jedoch insoweit überraschend geschlossen, als sie ihrem Ultimatum entsprechend die Mitgliedschaft von Honduras tatsächlich suspendierte, das damit erst das zweite Land nach Kuba ist, das jemals aus der Organisation ausgeschlossen wurde. Die innere Spaltung der OAS kam jedoch zum Tragen, als eine von Kanada und den USA angeführte Fraktion verhinderte, daß alle Mitgliedsländer zu Sanktionen gegen Honduras verpflichtet wurden.

Präsident Manuel Zelaya steht vor dem grundsätzlichen Problem, daß Verhandlungen angesichts des damit verbundenen zeitlichen Aufwands seinen Gegnern in die Hände spielen. Die Putschisten wollen wie ihre in diesem Fall verdeckt operierende Schutzmacht USA den Ansatz gesellschaftlicher Reformen aushebeln, den Zelaya anzustoßen versucht. Je länger sie ihn also fernhalten und an der Wiederaufnahme seiner Amtsführung hindern können, um so näher kommen sie ihrem Ziel, seinen politischen Einfluß zu neutralisieren und die Reformbestrebungen mit dem Ende seiner Amtszeit im Januar 2010 zu Grabe zu tragen. Das zeichnete sich bereits bei den Vorschlägen Michelettis ab, die Wahlen vorzuziehen oder zu einem vorerst ungewissen Zeitpunkt ein Referendum über eine reguläre Erfüllung der Amtszeit Zelayas abzuhalten. Beide Optionen zielten auf nichts anderes als die politische Ausschaltung Zelayas ab, weshalb sie natürlich kein Kompromiß waren, sondern eine taktische Finte darstellten.

Will sich Zelaya nicht vorwerfen lassen, er lehne jeden Vermittlungsversuch ab, muß er zumindest befristet in die Gespräche eintreten und seine Position deutlich machen. Auf die von vielen Seiten an ihn herangetragene Warnung, er könne doch jetzt nicht nach Honduras zurückkehren, da dies zu bürgerkriegsähnlichen Unruhen mit unabsehbaren Folgen zu führen drohe, erwiderte Zelaya dieser Tage: Wenn er nicht bald in seine Heimat zurückkehre und seine Arbeit fortsetze, könne er auch gleich bis zum 27. Januar warten und damit alles preisgeben.

Anmerkungen:

[1] http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_4464423,00.html

[2] http://www.sueddeutsche.de/u5J38L/2958472/Rueckkehr-bei-Amnestie.html

8. Juli 2009