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LATEINAMERIKA/2292: Verhandlungslösung droht Ziel des Staatsstreichs zu besiegeln (SB)


Kompromiß zu Lasten Zelayas und des Reformprozesses in Honduras


So notwendig es ist, der Repression des Putschistenregimes in Honduras gegen die Widerstandsbewegung ein Ende zu setzen, so wenig kann man die vielbeschworene Verhandlungslösung gutheißen, sofern diese den herrschaftssichernden Kräften zur Durchsetzung verhilft. Präsident Manuel Zelaya die Hände zu binden und den von ihm eingeleiteten Reformprozeß zu torpedieren, war das erklärte Ziel des Staatsstreichs, das allen anderslautenden Lippenbekenntnissen zum Trotz insbesondere von der US-Administration unterstützt wird, die durch den zurückhaltenden Einsatz ihrer Sanktionen deutlich signalisiert, wie ihre strategischen Interessen gelagert sind. Der Vermittlungsvorschlag des costaricanischen Staatschefs Oscar Arias formulierte die Rezeptur, wie die gesellschaftliche Umgestaltung des mittelamerikanischen Landes unter Befriedung des Widerstands auszubremsen ist und damit ein weiteres Vordringen des Entwicklungsentwurfs, wie er vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez und dessen Verbündeten repräsentiert wird, zu verhindern sei.

In der Hauptstadt Tegucigalpa haben sich Vertreter der sogenannten Interimsregierung und des gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya auf die Einsetzung einer Wahrheitskommission verständigt, die den Staatsstreich von Ende Juni untersuchen soll. Außerdem kamen beide Seiten unter Vermittlung des costaricanischen Präsidenten Oscar Arias überein, nach den Neuwahlen am 29. November eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Zugleich verzichtete Zelaya auf die angestrebte Verfassungsänderung. Ungelöst blieb vorerst seine Wiedereinsetzung ins Präsidentenamt, obgleich diese die wichtigste Forderung aller Regierungen und überstaatlichen Institutionen war, die den Putsch verurteilt und Zelaya als einzig legitimen Präsidenten des Landes anerkannt hatten. [1]

Daß beide Seiten angesichts der bislang kompromißlosen Haltung der Putschisten von großen Fortschritten in den Verhandlungen sprechen, ist durchaus verständlich. So teilte die ehemalige Richterin Vilma Morales mit, die für Micheletti am Verhandlungstisch sitzt, die Streitparteien hätten "in 90 Prozent der Themen" eine Einigung erzielt. [2] Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß der sich abzeichnende Durchbruch noch hinter den ursprünglichen Vorschlag von Oscar Arias zurückfällt, der eindeutig zu Lasten Zelayas und des Reformprozesses ging. Das sogenannte Abkommen von San José, das die illegitime Führung um Roberto Micheletti zurückgewiesen hatte, sah die sofortige Wiedereinsetzung Zelayas vor, über die in den aktuellen Gesprächen keine Einigung erzielt werden konnte. Der Präsident selbst hatte nicht mit einer Einigung in dieser Frage gerechnet, da die Putschisten dies unter allen Umständen verhindern wollten. Micheletti hatte bei jeder sich bietenden Gelegenheit betont, daß für ihn eine Rückkehr Zelayas nicht in Frage komme. Er wirft Zelaya Verfassungsbruch, Vaterlandsverrat und Amtsmißbrauch vor, wofür er ihn vor Gericht stellen will.

Neuwahlen ohne die vorherige Wiedereinsetzung des verfassungsmäßig gewählten Präsidenten wären eine Erlaubnis für weitere Putschversuche, teilte Zelaya, der sich seit seiner überraschenden Rückkehr nach Tegucigalpa am 21. September in der brasilianischen Botschaft aufhält, der Nachrichtenagentur AFP telefonisch mit. Nur eine Wiedereinsetzung vor den Wahlen sei für ihn akzeptabel. Zelaya hatte der Putschregierung dafür ursprünglich eine Frist bis Donnerstag gesetzt.

Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zeigte sich angesichts der kurzen Vorbereitungszeit möglicher Wahlen besorgt. Wie OAS-Generalsekretär José Miguel Insulza in Washington sagte, würde der Wahltermin im In- und Ausland mit Sorge gesehen, da nur wenig Zeit bliebe. [3] Diese Bedenken Insulzas, der sich bislang energisch für die Wiedereinsetzung Zelayas eingesetzt hat, sind noch vorsichtig formuliert. Mit der Novemberwahl einen Schlußstrich unter das Kapitel Zelaya zu ziehen, war stets das erklärte Ziel der Putschisten, die mit ihrer Verzögerungstaktik hartnäckig darauf hingearbeitet haben. Nun steht zu befürchten, daß ihnen die Frucht des Umsturzes durch eine Verhandlungslösung in den Schoß fällt.

Anmerkungen:

[1] Kommission soll Putsch in Honduras untersuchen (14.10.09)
http://www.dw-world.de/dw/function/0,,12356_cid_4788733,00.html

[2] Konfliktparteien in Honduras melden grosse Fortschritte. Wiedereinsetzung Zelayas nach bisherigen Gesprächen weiter unklar (14.10.09)
http://www.nzz.ch/nachrichten/schweiz/honduras_gespraeche_1.3863622.html

[3] Krisengespräche in Honduras gehen in heiße Phase (14.10.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jzBitDHbuiBTasrXSBmJhM1eIQyA

14. Oktober 2009