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LATEINAMERIKA/2303: Honduranische Marionetten an den Strippen der USA (SB)


Abkommen läßt Putschisten auf erfolgreiche Verzögerungstaktik hoffen


Die unter Regie der USA inszenierte Einigung der Putschisten in Honduras mit dem gestürzten Präsidenten Manuel Zelaya droht wenige Tage nach der weithin gelobten Farce zu Lasten des legitimen Staatschefs und des von ihm eingeleiteten Reformprozesses im Sumpf einer neuerlichen Verzögerungstaktik zu versinken. Um ihrer Forderung nach der sofortigen Wiedereinsetzung Zelayas in sein Amt Nachdruck zu verleihen, hat die Widerstandsbewegung gegen den Putsch eine Dauermahnwache vor dem Parlamentsgebäude in Tegucigalpa begonnen. Wie der Sprecher der Nationalen Widerstandsfront, Juan Barahona, gegenüber Medienvertretern unterstrich, werde man ausharren, bis dieses Ziel erreicht sei. Es sei nicht hinzunehmen, daß die Putschisten nun im Parlament eine Lösung der durch den Staatsstreich ausgelösten Krise verzögern. [1]

In dem Abkommen war die Bildung einer gemeinsamen "Regierung der Nationalen Versöhnung" bis zum Donnerstag dieser Woche festgeschrieben worden. Das Regime unter Führung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Roberto Micheletti hatte jedoch am Wochenende wieder Abstand von den eingegangenen Verpflichtungen genommen und erklärt, eine Rückkehr Zelayas sei frühestens in einem Monat möglich. Michelettis Unterhändler Armando Aguilar verwies darauf, daß der Kongreß gemäß den getroffenen Vereinbarungen über diesen Punkt entscheiden müsse. Die Abgeordneten kämen jedoch vor den geplanten Präsidentschaftswahlen am 29. November nicht mehr zusammen. Offenbar planen die Putschisten nun, die Verhandlungen über eine Rückkehr Zelayas bis zum Wahltermin zu verschleppen, um dann ein ihnen nahestehendes Nachfolgerregime einzusetzen. [2]

Ob der Nationalkongreß einer Wiedereinsetzung des Präsidenten zustimmen würde, ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse ungewiß. Die gewählte Regierung wäre auf die Unterstützung von 65 der 128 Abgeordneten angewiesen. Die Liberale Partei, der Zelaya und Micheletti angehören, verfügt über 62 Sitze, während die Nationale Partei 55 innehat. Dazu kommen vier Christdemokraten, fünf Abgeordnete der Demokratischen Einheitspartei UD und zwei Sozialdemokraten. Die argentinische Tageszeitung "Página/12" macht die Rechnung auf, daß sich Zelaya derzeit nur 29 Stimmen sicher sein könne, und zitiert ihn mit den Worten, er sei nun auf die Hilfe des rechtsgerichteten Präsidentschaftskandidaten Porfirio Lobo von der Nationalen Partei angewiesen. Deren Fraktion würde vermutlich geschlossen abstimmen.

Nach Angaben der spanischen Tageszeitung "El País" wurde in einem Geheimabkommen zwischen Porfirio Lobo und US-Vizeaußenminister Thomas Shannon vereinbart, daß die Nationale Partei der Wiedereinsetzung Zelayas zustimmt. Da Lobo als Favorit bei der Novemberwahl gilt, dürfte ihm viel an deren internationaler Anerkennung gelegen sein. Die linke UD wird sich geschlossen für die Rückkehr Zelayas aussprechen. Hingegen ist die Liberale Partei tief in zwei verfeindete Lager gespalten.

Das in der vergangenen Woche ausgehandelte Abkommen sieht die Bildung einer vierköpfigen Kommission vor, welche die Umsetzung der Vereinbarung überwachen soll. Wie der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, mitteilte, gehören der ehemalige chilenische Präsident Ricardo Lagos und US-Arbeitsministerin Hilda Solis sowie je ein Vertreter der Nationalen und der Liberalen Partei der Kommission an. Die verfassungsmäßige Regierung und die Widerstandsbewegung sind nicht an dem Gremium beteiligt.

Im Abkommen ist nicht mehr davon die Rede, daß die Wiedereinsetzung Zelayas eine Voraussetzung für die Anerkennung der Wahlen ist. Vielmehr soll der Kongreß das letzte Wort haben, dessen Entscheidung von beiden Seiten anerkannt werden müsse. Dies könnte die Putschisten zu der Taktik veranlassen, die Rückkehr des Präsidenten bis zu den Neuwahlen zu verhindern und dennoch auf deren internationale Billigung zu setzen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte einen hochrangigen Berater Michelettis, Marcia Facusse de Villeda, mit den Worten: "Zelaya kommt nicht wieder ins Amt. Aber schon wegen der Unterzeichnung des Abkommens wird die internationale Gemeinschaft die Wahlen anerkennen." Parlamentspräsident José Alfredo Saavreda sagte dem örtlichen Radiosender HRN, niemand könne dem Organ einen Termin setzen, wann die Beratungen abgeschlossen sein und eine Entscheidung getroffen werden müsse. Bis dahin bleibe Micheletti Präsident. Der Vertreter des US-Außenministeriums, Shannon, stieß mit den Worten ins selbe Horn, die Umsetzung des Abkommens sei "kompliziert", und der Kongreß werde entscheiden, "wann, wie und ob" Zelaya wieder als Präsident eingesetzt wird. [3]

Für die Regierung in Washington geht es derzeit vorrangig darum, die Präsidentschaftswahl am 29. November zu legitimieren. Danach soll Honduras zu stabilen Herrschaftsverhältnissen zurückkehren, wie sie im Interesse nationaler Eliten wie auch der US-Administration sind. Zu diesem Zweck will man Zelaya seines Einflusses endgültig berauben und die radikalisierte Widerstandsbewegung neutralisieren. Wie die Details des Abkommens zeigen, mißachtet dieses die Forderungen des Widerstands gegen den Putsch und die staatliche Repression, während es zugleich wesentliche Ziele des Umsturzes konsolidiert.

Als die honduranische Militärdiktatur 1982 das Feld räumte, hinterließ sie in Absprache mit der US-Botschaft eine Verfassung, welche die Oligarchie schützte und deren Verfügungsgewalt festigte. Zelaya strebte eine neue Verfassung an und wollte im Juni eine Abstimmung darüber herbeiführen, ob bei der Novemberwahl eine zusätzliche Urne für ein Referendum über eine verfassunggebende Versammlung aufgestellt wird. Dies nahmen seine Gegner zum Anlaß, ihn unter dem absurden Vorwurf zu stürzen, er wolle die Verfassung ändern, um erneut für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Diese haltlose Bezichtigung wird seither von der bürgerlichen Presse wiedergekäut, obwohl sie schon aus zeitlichen Gründen aus der Luft gegriffen ist. Am 29. November soll ein Nachfolger gewählt werden, wobei Zelaya nicht kandidieren darf. Selbst wenn an diesem Tag eine Volksabstimmung durchgeführt und diese mehrheitlich eine verfassunggebende Versammlung befürworten würde, wäre der nächste Präsident längst im Amt, bevor dieses Gremium seine Arbeit aufgenommen hätte.

Die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung war neben der Forderung nach Zelayas umgehender Rückkehr ins Amt stets das wichtigste Anliegen der Widerstandsbewegung. Bezeichnenderweise tauchte es in dem jüngst geschlossenen Abkommen überhaupt nicht mehr auf. Auch die Bildung einer Regierung der "Einheit und nationalen Versöhnung" spielt den Putschisten in die Hände, da Zelaya in ihr entmachtet bleibt, während seine Widersacher darin die führende Rolle spielen. Völlig ungeklärt bleibt der Umstand, daß beim Putsch nicht nur der Präsident gewaltsam vertrieben, sondern auch seine gesamte Regierung gestürzt und beträchtliche Teile der Administration ausgetauscht wurden.

Wenngleich die Zentrale Wahlkommission bis zur Präsidentschaftswahl den Oberbefehl über die Streitkräfte übernehmen soll, bleiben diese als Institution unverändert und behalten ihre einflußreiche Position. Da nur ein Moratorium für die Strafverfolgung Zelayas und der Putschführer, jedoch keine endgültige Amnestie für politische Vergehen vereinbart wurde, ist die Tür für spätere juristische Racheakte seitens der Militärs und des Establishments keineswegs geschlossen. Wohlklingend, aber fragwürdig bleibt die Einberufung einer Untersuchungskommission und einer Wahrheitskommission durch die Organisation Amerikanischer Staaten. Wahrheitskommissionen dienten bislang stets als Instrument, die Machthaber eines Regimes und die Hauptakteure staatlicher Unterdrückung ungeschoren wie auch die gesellschaftlichen Verhältnisse im Kern weiterbestehen zu lassen.

Dies liegt auch im unmittelbaren Interesse der Vereinigten Staaten, die Honduras seit mehr als einem Jahrhundert zu ihrem Vasallen und Brückenkopf in Mittelamerika degradiert haben. In den achtziger Jahren steuerte die CIA von dort aus den Krieg der Contras gegen Nicaragua und die Aufstandsbekämpfung in El Salvador. Heute unterhält das Pentagon nördlich der Hauptstadt Tegucigalpa seinen größten Stützpunkt in Lateinamerika. Aus den Vereinigten Staaten stammen zwei Drittel der Auslandsinvestitionen in Honduras, das seinen Außenhandel zur Hälfte mit den USA abwickelt. Kein Stein fällt in diesem Land um, ohne daß der US-Geheimdienst davon wüßte, was dessen angebliche Unkenntnis der Putschpläne in den Rang einer Farce erhebt.

Vier Monate lang enthielt sich die Obama-Regierung wirksamer Sanktionen gegen die Putschisten, die durch diese Signale bestätigt die gemeinsam favorisierte Verzögerungstaktik durchtragen konnten. Honduras soll ein Billiglohnland für US-Konzerne bleiben, die in den USA ausgebildeten hochrangigen Militärs die zuverlässigsten Garanten der Stabilität von Ausbeutung und Herrschaftssicherung. Zelayas Wirken ist mittlerweile so eingeschränkt, daß die Machthaber in Tegucigalpa und Washington bereits davon auszugehen scheinen, daß dem weiteren Vordringen des "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", wie ihn der venezolanische Staatschef Hugo Chávez und dessen Verbündete ins Feld führen, Einhalt geboten ist.

Anmerkungen:

[1] Mahnwache für Zelaya. Honduras: Putschisten zögern im Parlament Ende der Krise hinaus (03.11.09)
http://www.jungewelt.de/2009/11-03/007.php

[2] Kaum mehr Hoffnung in Honduras. Nach Abkommen rücken Putschisten von Verpflichtungen ab. Machthaber wollen Zeit schinden (02.11.09)
http://www.amerika21.de/nachrichten/inhalt/2009/nov/honduras-676339- kaum-hoffnung/

[3] Washington setzt Abkommen mit Putschregime in Honduras durch (03.11.09)
World Socialist Web Site

3. November 2009