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LATEINAMERIKA/2320: Putschregime setzt auf internationale Kollaboration (SB)


Zelaya ruft noch einmal zum Boykott der Wahlfarce in Honduras auf


Am Sonntag findet in Honduras die Wahl eines neuen Präsidenten statt, die im Lande selbst wie auch international höchst umstritten ist. Der Ende Juni durch einen Staatsstreich entmachtete und seither von den Putschisten an der Rückkehr ins Amt gehinderte legitime Staatschef Manuel Zelaya hat seine Forderung nach einem Boykott des Urnengangs bekräftigt, der unter dem nach wie vor herrschenden Regime jeder Rechtmäßigkeit entbehre. In welchem Ausmaß der Wahlgang zu einer Farce verkommen ist, dokumentiert auch der Umstand, daß von den ursprünglich 30 Kandidaten für das höchste Amt im Staat lediglich fünf übriggeblieben sind. Als aussichtsreichster Bewerber gilt der 61 Jahre alte Porfirio "Pepe" Lobo von der rechtsgerichteten Nationalpartei (PN), den Elvin Santos vom rechten Flügel der liberal-konservativen Liberalen Partei (PL) Meinungsumfragen zufolge kaum einholen kann. In jedem Fall handelt es sich bei dem Sieger der Abstimmung, der am 27. Januar seine vierjährige Amtsperiode antreten soll, um ein politisches Werkzeug der Eliten, welche die Wiederherstellung ihrer uneingeschränkten Verfügungsgewalt mit diesem Coup zu vollenden hoffen.

Die Oligarchie von zehn außerordentlich reichen und mächtigen Familien, die fast die gesamte Wirtschaft des Landes kontrollieren, stützt sich auf das Militär, den katholischen Klerus und die von ihr dominierten Massenmedien. Mit den vereinten Kräften der herrschenden Klasse will man den Reformprozeß pulverisieren und die Mitgliedschaft in der Wirtschaftsgemeinschaft Bolivarische Allianz für Amerika (ALBA) ein für allemal rückgängig machen. Daß Zelaya sein Land im August 2008 in diese von Venezuela und Kuba als Alternative zu den Freihandelsabkommen mit den USA gegründeten Gemeinschaft geführt hat, lasten ihm die Putschisten ebenso als Todsünde an wie die Erhöhung der Mindestlöhne, die Verbesserung des Gesundheitswesens sowie die Alphabetisierungskampagne und weitere Sozialprogramme. [1]

Zalayas Reformprozeß fand in den armen Bevölkerungsschichten enormen Widerhall, woraus sich nach dem Umsturz mit der Widerstandsfront gegen den Putsch die bedeutendste soziale Bewegung seit Jahrzehnten in Honduras formierte. Sie tritt inzwischen für Veränderungen ein, die weit über die von Zelaya angestoßenen Umgestaltungen hinausgehen. Im lateinamerikanischen Umfeld unterstützen die ALBA-Länder diese Entwicklung, wobei der Staatsstreich aus unterschiedlich gelagerten Gründen in der gesamten Region auf einhellige Ablehnung stieß.

In der Kontroverse um den bevorstehenden Urnengang scheiden sich nun die Geister, wobei die Vereinigten Staaten zwar den ersten Putsch in Lateinamerika seit 16 Jahren verurteilt, doch ihre eigentlichen Absichten längst offenbart haben. Sie wollen die Präsidentschaftswahl auch ohne Wiedereinsetzung Zelayas unterstützen, worin sie von Peru und Panama unterstützt werden. Hingegen haben Argentinien, Brasilien, Venezuela, Bolivien, Paraguay und Guatemala bereits gegen die Anerkennung der Abstimmung Stellung bezogen, wobei mit Sicherheit weitere Länder der Region folgen werden.

Auch Europa zeigt sich hinsichtlich der Anerkennung der Wahlen gespalten. Aus Protest gegen den Staatsstreich haben die EU-Länder ihre Botschafter abgezogen, und das EU-Parlament lehnt es ab, Wahlbeobachter zu entsenden. Allerdings schicken Straßburger Abgeordnete der konservativen Volkspartei Spaniens eine eigene Beobachtergruppe, da sie die Wahlen zur einzigen Hoffnung erklären, die Demokratie in Honduras zu retten. Auch die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt das Putschregime Roberto Michelettis, dessen Machtergreifung sie für einen legitimen Akt hält. [2]

Wie zu befürchten war, erwägen einem Zeitungsbericht zufolge inzwischen auch Deutschland und die EU, die Präsidentenwahl in Honduras als legitim zu akzeptieren. Die "Berliner Zeitung" zitiert einen Sprecher des Auswärtigen Amtes mit den Worten, die Bundesregierung werde den Ausgang der Wahlen in enger Abstimmung mit den EU-Partnern bewerten. Zudem wollte auch die schwedische Ratspräsidentschaft der EU nicht ausschließen, daß die Europäische Union den kommenden Präsidenten als rechtmäßigen Vertreter des Landes anerkennen könnte. [3]

Um die Anhänger Zelayas am Wahlsonntag an Aktionen zu hindern, bieten die Putschisten rund 30.000 Soldaten und Polizisten auf. Mehr als 350 internationale Beobachter, darunter Mitglieder des US-Kongresses, sollen den Urnengang überwachen. Zugleich will Amnesty International eine Delegation entsenden, welche die Menschenrechtslage in Honduras überprüfen soll. Ob die Rechnung des Regimes aufgeht, die etwa 4,5 Millionen stimmberechtigten Bürger um ein Ende der Krise willen massenhaft an die Urnen zu locken, wird sich zeigen. Neben der Wahl des Präsidenten und seiner drei Stellvertreter werden auch die 128 Sitze im nationalen und 20 im zentralamerikanischen Parlament neu vergeben sowie die Bürgermeister in 298 Gemeinden gewählt.

Die Anhänger Zelayas haben ihren Aufruf zum Wahlboykott erneuert. Wie die "Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich" erklärte, entbehre der Wahlprozeß jeglicher Legitimität und Legalität. Der parteiunabhängige Gewerkschaftsführer Carlos Reyes hat seine Kandidatur aus Protest gegen den Staatsstreich zurückgezogen, was auch für mindestens 60 weitere Kandidaten für Parlaments- oder Kommunalposten gilt. Nach Angaben des Komitees der Familienangehörigen verschwundener Festgenommener sind seit dem Staatsstreich 26 Menschen getötet worden, wobei als bislang letztes Opfer der 58jährige Lehrer Gradis Espinal genannt wird, den man Tage nach seiner Verhaftung durch die Polizei in der Hauptstadt Tegucigalpa tot auffand.

Wie um das Maß des vermeintlichen Triumphs der Putschisten vollzumachen, hat das Oberste Gericht des Landes den gestürzten Staatschef Manuel Zelaya wenige Tage vor der Präsidentschaftswahl des Hochverrats für schuldig befunden. Wie der Oberste Richter Jorge Rivera mitteilte, habe man dem Parlament ein Gutachten übermittelt, das die Vorwürfe des Machtmißbrauchs und der Mißachtung der Justiz gegen Zelaya bestätigt. Dieser Bericht soll in die Beratungen des Parlaments über eine mögliche Wiedereinsetzung Zelayas einfließen, die jedoch erst drei Tage nach der Präsidentschaftswahl stattfinden.

Anmerkungen:

[1] Präsidentschaftswahl in Honduras. Zelaya ruft zum Boykott auf http://www.n-tv.de/politik/dossier/Zelaya-ruft-zum-Boykott-auf- article609084.html

[2] Wahlen in Honduras spalten Amerika. Lateinamerika droht Sieger nicht anzuerkennen (27.11.09)
http://www.domradio.de/aktuell/artikel_58942.html

[3] Honduras: Zelaya vor Wahl des Hochverrats beschuldigt (27.11.09)
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hm15HbCTAfth98i_3KG6sIilcfNQ

27. November 2009