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LATEINAMERIKA/2375: Krokodilstränen zum Putsch in Honduras getrocknet (SB)


Nach den USA steht auch die EU vor der Anerkennung der Regierung Lobos


Da die obligatorischen Krokodilstränen zum Putsch in Honduras längst getrocknet sind, hindert die offensichtlichen und klammheimlichen Unterstützer eines Staatsstreichs gegen das Vordringen unerwünschter Entwürfe gesellschaftlicher Umgestaltung nach Mittelamerika nichts mehr daran, den Übergang zur Tagesordnung gelungener Herrschaftssicherung zu vollziehen. Wie brüchig die vermeintliche Front der Verurteilung des Umsturzes war, bemißt sich am Umgang mit seinen Folgen. Die Putschisten hatten von Anfang an auf Zeit gespielt und in einem fortgesetzten Wechsel von vorgetäuschter Kompromißbereitschaft und unnachgiebiger Härte die Rückkehr Präsident Zelayas zunächst verhindert und nach dessen heimlicher Reise in die Hauptstadt die Trennung von seinen Anhängern aufrechterhalten. Leisten konnten sie sich das nur, weil die US-Regierung von ernsthaften Sanktionen absah und sie gewähren ließ. Den Machthabern in Washington und Tegucigalpa ging es darum, die vollendeten Tatsachen im verdeckten Schulterschluß auszusitzen, bis Zelayas Amtszeit beendet und ein Nachfolger installiert war. Nun predigt man die endgültige Rückkehr zur Normalität und Versöhnung der honduranischen Gesellschaft, also der unbeeinträchtigten Vorherrschaft einer kleinen Elite reicher Familien und deren Sicherung durch die Militärs, die eng mit den US-Streitkräften zusammenarbeiten.

Wer es ernst mit der Verurteilung des Militärputsches Ende Juni 2009 meint, kann unmöglich den konservativen Unternehmer Porfirio Lobo als legitimen Nachfolger anerkennen, da seine Wahl im Kontext des Umsturzes erfolgte. Obgleich Lobo nun schon seit Wochen mit seiner neuen Regierung den alten Kurs vor dem Intermezzo Zelaya einschlägt, gäbe es durchaus Mittel und Wege, ihm das Handwerk zu legen. Die Administration in Tegucigalpa ist angesichts eines steigenden Haushaltsdefizits in Milliardenhöhe dringend auf Kredite verschiedener internationaler Entwicklungsbanken angewiesen, auf die sie ohne ihre offizielle Anerkennung keinen Zugriff hat. Bestünde tatsächlich weithin das Interesse, den Staatsstreich keinesfalls nachträglich zu legitimieren, wäre es noch nicht zu spät, Einfluß geltend zu machen. [1]

Anfang März gab US-Außenministerin Hillary Clinton bekannt, daß die Obama-Administration die Hilfsgelder für Honduras wieder freigebe, die nach dem Putsch eingefroren worden waren. Zugleich forderte Clinton die lateinamerikanischen Staaten auf, die neue Regierung in Tegucigalpa anzuerkennen, die demokratisch gewählt worden sei und ihre Tätigkeit im Januar rechtmäßig aufgenommen habe. Die neue Führung trage zur Aussöhnung der Bevölkerung bei und verdiene die Wiederaufnahme normaler Beziehungen zu Ländern, die diese nach der Entmachtung des früheren Präsidenten abgebrochen hatten. [2]

Die Europäische Union hat die honduranische Führung unter Lobo bislang nicht anerkannt, doch drängt vor allem die deutsche Bundesregierung in Brüssel darauf, diesen Schritt zu vollziehen. Neben Berlin setzt sich auch Madrid energisch für die Anerkennung ein, da spanische Unternehmen in Mittelamerika stark vertreten sind und ungehindert ihren Geschäften nachgehen wollen. Vieles deutet auf einen fortgesetzten Schleichweg der europäischen Mächte hin, die eine vehemente Ablehnung des Putsches im Munde geführt haben und nun ihre eigenen Worte unter der Hand zur Makulatur machen. So wurden Vertreter der honduranischen Führung zu den bevorstehenden Gesprächen über ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mittelamerika eingeladen, was auf eine faktische Akzeptanz der Lobo-Administration hinausläuft.

Auch die mittelamerikanischen Nachbarländer müssen sich der Frage stellen, wie sie es tatsächlich mit Porfirio Lobo und dessen Regierung halten. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hatte den Putsch verurteilt, den sogenannten Übergangspräsidenten Roberto Micheletti nicht anerkannt und Honduras ausgeschlossen. Nach der Präsidentschaftwahl im November und der Amtseinführung Lobos im Januar schlugen sich jene lateinamerikanischen Regierungen auf die Seite der USA, von denen man das erwarten mußte, doch beharrt andererseits nach wie vor eine ganze Reihe einflußreicher Länder auf der Ablehnung des Staatsstreichs in Honduras und der Novemberwahl ohne die Rückkehr Zelayas ins Amt.

Nun ist die Kontroverse bei der Besetzung des Mittelamerikanischen Parlaments (Parlacen) erneut aufgebrochen, das darüber befinden muß, wer der rechtmäßige Expräsident von Honduras ist. Die Charta dieses Parlaments, in dem El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua, Panama und die Dominikanische Republik vertreten sind, sieht vor, daß ehemalige Staatschefs und ihre Stellvertreter automatisch einen Sitz in diesem Gremium erhalten. Für die einen steht außer Frage, daß José Manuel Zelaya Rosales, der in freien und demokratischen Wahlen ins Amt kam und als verfassungsgemäßer Präsident der Republik Honduras vereidigt wurde, unverzüglich seinen Platz im Regionalparlament einnehmen kann. [3]

Gegner Zelayas werten dies jedoch als unzumutbares Eingeständnis, daß er stets der legitime Staatschef geblieben ist, und behaupten nach wie vor, er selbst habe sich als Präsident diskreditiert, da er das nichtbindende Referendum über eine mögliche Volksabstimmung zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung durchsetzen wollte. In diesem Zusammenhang kursiert noch immer der absurde Vorwurf, Zelaya habe per Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit angestrebt. Ganz abgesehen davon, daß er derartige Absichten jederzeit zurückgewiesen hat, wäre das auf dem Weg des Referendums schon aus zeitlichen Gründen vor dem regulären Ende seiner Amtszeit gar nicht möglich gewesen. Dies ist so leicht nachzurechnen und nachzuvollziehen, daß jedes Kind es sofort verstehen würde. Um so bornierter mutet daher die penetrante Wiederholung dieser abwegigen Bezichtigung in prominenten Leitmedien wie der New York Times, aber auch namhaften europäischen Blättern an, die unbesehen der Option den Zuschlag geben, man müsse Zelaya aushebeln, da sich in ihm der Einfluß des Oberteufels Hugo Chávez manifestiere.

Porfirio Lobo Sosa ist natürlich bemüht, das Ansehen seiner Regierung im Ausland zu verbessern und den Eindruck zu erwecken, er habe nicht das Geringste mit dem Umsturz zu tun. In diesem Zusammenhang setzt er jedoch alles daran, die fortgesetzten Übergriffe, Mißhandlungen und Morde zu vertuschen, womit sich seine Staatsführung als eine Weiterführung des Putschregimes erweist. Noch immer werden Menschen gezielt angegriffen, die in der Bewegung des Widerstands in Erscheinung treten oder auf andere Weise als Kritiker der herrschenden Verhältnisse bekannt sind.

Wie schon in den Monaten nach dem Staatsstreich wissen nur sehr wenige Beobachter im Ausland, was in Honduras wirklich geschieht. Dabei fehlt es keineswegs an Stimmen, die davon berichten, wohl aber an Ohren, die sich das anzuhören bereit sind. Statt dessen verweist man auf die Wahrheitskommission, als könne und wolle diese allen Ernstes verübte Straftaten im Gefolge des Putsches aufklären. Diese Kommission soll jedoch mit denselben Leuten besetzt werden, die schon hinter dem Putsch standen, weshalb sie nicht einmal die Standards erfüllt, welche die UNO in der Vergangenheit an derartige Gremien gestellt hat.

Auch die zugesagte juristische Aufarbeitung erweist sich als die befürchtete Farce mit dem ausschließlichen Zweck, Rechtsstaatlichkeit zu simulieren und die staatstragenden Kräfte reinzuwaschen. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen einige am Putsch beteiligte Militärs erhoben, doch wurden sie nach einem kurzen Prozeß von allen Punkten freigesprochen.

Anmerkungen:

[1] "Die Lobo-Regierung ist eine Fortführung des Putschregimes" (23.03.10)
Neues Deutschland

[2] U.S. to Resume Aid to Honduras (02.03.10)

New York Times

[3] Central American Parliament wonders who's the legitimate president of Honduras? (28.03.10)
New York Times

30. März 2010