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LATEINAMERIKA/2428: Rachezug gegen kolumbianische Senatorin Piedad Córdoba (SB)


Engagement für eine Verhandlungslösung im Bürgerkrieg abgestraft


Die kolumbianische Politikerin und Friedensaktivistin Piedad Córdoba hat sich mit ihrem Engagement für eine Verhandlungslösung des sozialen und bewaffneten Konflikts das politische Establishment ihres Landes zum Feind gemacht. Nachdem man ihr jahrelang Knüppel zwischen die Beine geworfen und mit keiner Bezichtigung gespart hat, hält man nun die Zeit für gekommen, sie politisch kaltzustellen und mit einem Berufsverbot zu sanktionieren. An ihrer Person wird das Exempel statuiert, daß man sich mit einem entschiedenen Einsatz für Friedensgespräche nur die Finger verbrennen kann. Die Doktrin der maßgeblichen administrativen Kräfte setzt auf die militärische Niederwerfung und Auslöschung der Guerilla, um mit ihr die Gründe und Ziele der Insurgenz zu eliminieren. Initiativen, die Rebellen als Verhandlungspartner anzuerkennen und damit die sozialen und politischen Widersprüche der kolumbianischen Gesellschaft zu thematisieren, sind nicht nur unerwünscht, sondern werden gezielt torpediert und drangsaliert.

Piedad Córdoba, die seit 1994 für die Liberale Partei dem Senat angehört und zu den namhaftesten politischen Akteuren Kolumbiens zählt, wurde nun auf Veranlassung von Generalstaatsanwalt Alejandro Ordóñez aus dem Oberhaus des Kongresses ausgeschlossen. Zudem erkannte man der 55jährigen Politikerin für die Dauer von 18 Jahren das passive Wahlrecht ab, um ihre Kandidatur für ein anderes Amt auszuschließen. Nach gut einjährigen Ermittlungen hält sich Ordóñez für gerüstet, seiner Intimfeindin aus deren angeblich illegitimen Kontakten zu den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) den Strick einer staatsfeindlichen Unterstützung der Rebellen zu drehen.

Man wirft Córdoba vor, sie habe der FARC unter dem Decknamen "Teodora" politische Informationen wie beispielsweise Spenden ausländischer Regierungen an den kolumbianischen Staat zukommen lassen. Als angebliches Beweismittel muß auch in diesem Fall der ominöse Laptop des FARC-Kommandanten Raúl Reyes herhalten, der bei dem Angriff auf das Lager der Guerilla in Ecuador Anfang März 2008 erbeutet worden sein soll. Wie die damals eingeschalteten Experten von Interpol in ihrem Gutachten hervorhoben, erfüllten die von ihnen überprüften Speichermedien die Voraussetzungen elektronischer Beweismittel nicht. Da sich die fraglichen Festplatten zwischenzeitlich in Händen des militärischen Geheimdienstes befunden hatten, könne eine Manipulation prinzipiell nicht ausgeschlossen werden. Dieser zentrale Einwand und andere eklatante Lücken bei der Bergung dieser Informationsquelle machen sämtliche Vorwürfe, die seither unter Verweis auf die konfiszierten Daten erhoben wurden, zur Makulatur. Das hindert die Regierungen in Bogotá und Washington freilich nicht daran, bei Bedarf diese angeblichen Beweismittel immer wieder aus dem Hut zu zaubern, wie auch die allermeisten internationalen Medien die daraus abgeleiteten Bezichtigungen bereitwillig kolportieren.

Córdoba und die Liberale Partei wiesen in ersten Reaktionen darauf hin, daß die Kontakte zur FARC von der Vorgängerregierung Präsident Alvaro Uribes jeweils gestattet worden waren. Die Politikerin, dank deren Vermittlung zahlreiche Gefangene von den Rebellen freigelassen wurden, will sich mit juristischen Mitteln gegen die Entscheidung des Generalstaatsanwalts zur Wehr setzen. Córdoba wies die Vorwürfe, die weder durch Beweise gedeckt, noch juristisch haltbar seien, zurück und stufte die Bezichtigung als politische Verfolgung ein. Sie habe gegen die Berufung von Ordóñez Stellung bezogen und ihn zudem scharf kritisiert, als er die ehemaligen Minister Sabas Pretelt und Diego Palacio von dem Vorwurf der Korruption freisprach. Beide sollen im Jahr 2006 Abgeordnete bestochen haben, um genügend Stimmen für eine Verfassungsreform einzukaufen, die Uribe die Möglichkeit einer weiteren Amtszeit eröffnete. [1] "Derjenige, der mich so ängstlich anklagt und bestraft, steht selbst unter Druck wegen seiner Handlungen gegen die Rechte der Frau, die homosexuelle Bevölkerung und seiner Beteiligung an illegalen Operationen des Geheimdienstes DAS", hieß es in einer Erklärung Córdobas. [2]

Die Verfassung Kolumbiens räumt dem Generalstaatsanwalt das Recht ein, im Falle begründeter Vorwürfe Kongreßmitglieder ihres Amtes zu entheben, wie überhaupt alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu sanktionieren, wovon nur der Präsident und hochrangige Richter ausgenommen sind. Angesichts dieser Machtfülle des Gegenspielers räumte Córdobas Anwalt, Ciro Quiroz, ein, daß man zur Zurückweisung der erhobenen Vorwürfe keine höhere Instanz anrufen könne. Eine Möglichkeit bestehe jedoch darin, vor dem Verfassungsgericht Klage gegen Ordóñez zu erheben.

In der Erklärung des Generalstaatsanwalts ist davon die Rede, daß die liberale Politikerin "zwischen dem 15. August und 20. November 2007" sowie zu bestimmten Zeitpunkten in den Jahren 2007, 2008 und 2010 "mit den FARC zusammengearbeitet und für diese geworben" habe. Die genannten Daten legen nahe, daß die gesamte Vermittlungstätigkeit Córdobas in den vergangenen Jahren in Mißkredit gebracht und für illegal erklärt werden soll. Ordóñez wirft Córdoba vor, sie habe den Rahmen ihrer von der Regierung autorisierten Rolle, bei der Freilassung von Geiseln zu vermitteln, nicht eingehalten und der FARC Ratschläge gegeben, die in der Konsequenz andere Regierungen begünstigt hätten. [3] Gemeint sind offenbar Venezuela und Ecuador, deren Vermittlungsbemühungen von Präsident Uribe nach allen Regeln perfider Kunst sabotiert wurden.

Darüber hinaus habe Córdoba öffentliche Erklärungen abgegeben, "welche die Interessen der subversiven Gruppe favorisiert" hätten. Der letztgenannte Vorwurf des Generalstaatsanwalts dürfte sich darauf beziehen, daß die Senatorin nie einen Hehl aus ihrer Kritik an der ungleichen Verteilung des Reichtums in dem südamerikanischen Land gemacht hat. Sollte diese Meinungsäußerung im Kolumbien des Jahres 2010 als illegal eingestuft und mit Demission sanktioniert werden, müßte Alejandro Ordóñez konsequenterweise die Bevölkerungsmehrheit etwaiger Ämter entheben und mit Aberkennung des passiven Wahlrechts bestrafen.

Anmerkungen:

[1] Politikverbot für Senatorin in Kolumbien. Staatsanwaltschaft feuert Piedad Córdoba aus dem Senat und erteilt ihr für 18 Jahre Berufsverbot (28.09.10)
amerika21.de

[2] Frieden verboten. Kolumbien: Kriegsgegnerin wurde Parlamentsmandat entzogen. Guerilla bestätigt Tod des Comandante Jorge Briceño (28.09.10)
junge Welt

[3] Colombian Senator, Accused of Aiding Rebels, Is Dismissed (27.09.10)
New York Times

29. September 2010