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MEDIEN/472: Fox-News-Starmoderator Bill O'Reilly unter Beschuß (SB)


Fox-News-Starmoderator Bill O'Reilly unter Beschuß

Großmaul der US-Nachrichtenwelt als Hochstapler enttarnt


In den USA steht der Fernsehmoderator Bill O'Reilly erneut im Mittelpunkt einer heftigen Kontroverse. Diesmal geht es nicht wie so häufig in der Vergangenheit darum, daß der Fox-News-Kommentator ein Mitglied einer Minderheitengruppe, einen Bürger eines ausländischen Staates oder eine ganze Religion wie den Islam beleidigt hat. Aktuell sieht sich O'Reilly Vorwürfen ausgesetzt, mehrere Episoden in seiner beruflichen Laufbahn falsch dargestellt bzw. nachkoloriert zu haben, um die eigene Legende als mutiger Reporter und unerschrockener Sucher nach Wahrheit zu etablieren. Wenngleich die Vorwürfe stichhaltig zu sein scheinen, dürften sie für O'Reilly kaum negative berufliche Folgen haben. Der Starmoderator von Fox News genießt die Unterstützung nicht nur vom Chef und vom Eigentümer des Senders - Roger Ailes und Rupert Murdoch -, sondern einer millionenstarken Zuschauerschaft, die allesamt sein chauvinistisches, dumpfbackiges Weltbild teilen und ihn deshalb vor jeden Angriff seitens der "liberalen Medien" in Schutz nehmen werden.

O'Reilly ist seit der Gründung von Fox News im Jahr 1996 das Aushängeschild des reaktionären US-Nachrichtensenders schlechthin. Mit seiner Sendung The O'Reilly Factor hat er die Art, wie in den USA die Nachrichten für den Fernsehkonsumenten aufbereitet werden - weniger faktengestützt, dafür mit um so mehr einseitiger Meinungsmache - nachhaltig geprägt. Nicht umsonst schneiden in Umfragen seit Jahren die Zuschauer von Fox News, was Erkenntnisse über das tatsächliche Geschehen in der Welt betrifft, katastrophal ab. Noch lange nach dem angloamerikanischen Einmarsch 2003 in den Irak glaubte zum Beispiel eine Mehrheit der Fox-News-Zuschauer - möglicherweise ist es heute immer noch der Fall -, Saddam Hussein wäre für die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 verantwortlich gewesen bzw. hätte Massenvernichtungswaffen vor den UN-Inspekteuren versteckt. Unvergessen in diesem Zusammenhang bleibt die Szene, als O'Reilly wenige Wochen vor der illegalen Irakinvasion Jeremy Glick, den Sohn eines 9/11-Opfers, hochkantig aus seiner Sendung warf und als Vaterlandsverräter beschimpfte, nur weil dieser für eine friedliche Beilegung des Streits zwischen Saddam Hussein und der Regierung George W. Bushs eintrat.

Auslöser der jüngsten Kontroverse waren hämische Bemerkungen O'Reillys, als am 4. Februar Brian Williams, der langjährige, mehrfach preisgekrönte Moderator der Abendnachrichten beim Fernsehsender NBC für sechs Monate ohne Gehalt beurlaubt wurde. Zuvor war herausgekommen, daß Williams bei mehreren Gelegenheiten zu Unrecht den Eindruck erweckt hatte, 2003 als Reporter im Irak an Bord eines US-Kampfhubschraubers gewesen zu sein, der unter Raketenbeschuß geriet und deshalb notlanden mußte (tatsächlich passierte dies einem anderen Hubschrauber, der dem von Williams auf derselben Route um einige Minuten vorausflog). Am gleichen Abend nutzte O'Reilly die Meldung von Williams Sturz in Ungnade, um über die "liberalen" Medien und deren "Verfälschungen" herzuziehen. Amerikas Journalisten - er selbst natürlich ausgenommen - seien "nicht halb so verantwortungsbewußt" wie die Gründerväter Amerikas, George Washington und Thomas Jefferson, so der Ultrapatriot.

Am 19. Februar haben David Corn und Daniel Schulman unter der Überschrift "Bill O'Reilly Has His Own Brian Williams Problem" in einem Artikel für die linke US-Zeitschrift Mother Jones die Fox-News-Galionsfigur als Heuchler und Blender enttarnt. Demnach hat O'Reilly über die Jahre bei Medienauftritten behauptet, 1982 aus dem Falklandkrieg berichtet zu haben, was nicht stimmen kann, denn die einzigen Reporter, die das taten, waren entweder bei den argentinischen oder britischen Streitkräften eingebettet. In seinem eigenen 2001 erschienenen Buch "The No-Spin Zone" gibt O'Reilly zunächst richtig an, am Tag der Kapitulation Argentiniens in Buenos Aires gewesen zu sein, um dann zu behaupten, beim anschließenden Massenprotest in der argentinischen Hauptstadt hätten die Sicherheitskräfte das Feuer auf die Demonstranten eröffnet und mehrere Menschen getötet, wodurch auch er in Lebensgefahr geraten wäre. Dies stimmt nicht. Nachweislich kam es bei besagter Demonstration zwar zu Tumulten, aber es gab keine Toten; die Polizei hat lediglich Tränengas eingesetzt. Darüber hinaus warfen Corn und Schulman O'Reilly vor, im nachhinein seine Erlebnisse als Reporter in El Salvador 1980 als heldenhafter und gefährlicher ausgegeben zu haben, als es die eigenen Berichte von damals hergaben. In beiden Fällen haben ehemalige Kollegen von O'Reilly beim Fernsehsender CBS die Richtigkeit der Mother-Jones-Schilderung bestätigt.

Seitdem befindet sich O'Reilly in der Defensive und versucht in der eigenen Show sowie bei Gastauftritten in anderen konservativen Radio- und Fernsehsendungen seinen Ruf zu retten. Wie die Washington Post berichtet, hat O'Reilly seinen Hauptkontrahenten Corn, den Chef des Washingtoner Büros von Mother Jones, als "Lügner" und "Gassenkind" bezeichnet, den Mother-Jones-Artikel zur eigenen Person als "politisches Attentat" stilisiert. Amerikas liberalen und linken Medien wäre "die Wahrheit völlig egal". "Ihr Geschäft besteht darin, andere zu schädigen", so O'Reilly in der Opferpose.

Offenbar ermutigt durch eine am 22. Februar herausgegebene, unterstützende Stellungnahme seitens der Fox-News-Führung ist O'Reilly auch in die Offensive gegangen. Am 24. Februar hieß es in der New York Times, O'Reilly hätte im Telefonat mit einem ihrer Journalisten gesagt, "es würde Folgen haben, sollte er das Gefühl bekommen, daß irgendein Teil von seiner Berichterstattung unangemessen sei. 'Ich werde Sie dann mit allem, was mir zur Verfügung steht, belangen', sagte O'Reilly. 'Das können Sie als Drohung nehmen'". Es zeugt von der ungeheuren Rückendeckung, die Murdochs Fox News bei den neokonservativen Kräften in den USA genießt, daß sich O'Reilly einen solch offen einschüchternden Umgang mit den Vertretern der angesehendsten Zeitung Amerikas leisten kann.

Inzwischen kommen noch weitere Zeugnisse der Neigung O'Reillys zum Fabulieren zutage. Am 24. Februar enthüllte die liberale Website Media Matters for America, O'Reilly habe an zahlreichen Stellen, darunter in mehreren Büchern über die Ermordung von US-Präsident John F. Kennedy, behauptet, 1977 - auf der Suche nach einem Interview - an der Türschwelle der Wohnung von George de Mohrenschildt, einem Freund des mutmaßlichen Attentäters Lee Harvey Oswald, in Florida gestanden zu haben, als dieser sich mit einer Schrottflinte selbst umbrachte, um keine Aussage vor dem House Select Committee on Assassinations machen zu müssen. Das kann nicht stimmen, denn an dem Tag arbeitete O'Reilly im Büro des Senders WFAA-TV in Dallas, Texas. Dies haben mehrere seiner damaligen Kollegen bezeugt. Es wäre zu wünschen, daß O'Reilly, dessen Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, den öffentlichen Diskurs in den USA in Richtung Fremdenfeindlichkeit und Ignoranz zu verschieben, über die jüngste Kontroverse stolpert und von der Bildfläche verschwindet. Leider ist mit der Erfüllung dieses Wunsches nicht zu rechnen. Zu wichtig ist O'Reilly als Propagandist für den US-Imperialismus im Innern genauso wie im Ausland.

25. February 2015


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