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MEDIEN/488: USA - Trump und Konsorten, Alleswisser und Besserkönner (SB)


USA - Trump und Konsorten, Alleswisser und Besserkönner ...


Die amerikanische Wild-West-Mythologie wird von diversen Figuren bevölkert wie dem aufrichtigen Sheriff, dem schießwütigen Banditen, der geduldigen Frontiershausfrau, dem edlen Indianer oder dem wankelmütigen Mexikaner. Doch keine Figur des Western-Filmgenres, nicht einmal der Rinderbaron, ist mit so vielen negativen Eigenschaften behaftet wie der Schlangenölverkäufer, der als reisender Quacksalber den gutgläubigen, medizinisch unterversorgten Siedlern in der endlosen Prärie ohne die geringsten Gewissensbisse die Linderung aller Leiden durch seine nutzlose und/oder giftige Tinktur verspricht, um gleich darauf ihr hart verdientes Geld einzusacken und sich mit seinem Planwagen so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen. Im November 2016 haben die US-Wähler mit Donald Trump eine solche Figur zum Präsidenten gewählt. Seit Januar residiert der womöglich größte Blender und erfolgreichste Marktschreier der US-Geschichte im Weißen Haus.

Im Wahlkampf hatte Trump unter dem billigen Slogan "Make America Great Again" versprochen, eine Mauer zu Mexiko zu bauen, um die illegale Einwanderung aus Lateinamerika zu beenden, Arbeitsplätze aus Billiglohnländern in die USA zurückzuholen und die kostspieligen und verlustreichen Militärabenteuer des Pentagon in Übersee zu beenden. Von alledem hat er nichts vollbracht. Statt dessen hat er einen Handelskrieg mit China angezettelt, durch Beleidigungen die Beziehungen der USA zu den europäischen Verbündeten ruiniert, das Atomabkommen mit dem Iran einseitig aufgekündigt, große Steuererleichterungen für die Schwerreichen durch den Kongreß gebracht, ein Einreiseverbot für Muslime verhängt und Abertausende arme Einwanderer aus Zentralamerika in Konzentrationslagern nahe der Grenze zu Mexiko eingesperrt - die Eltern und Kinder teilweise sogar getrennt. Das allergrößte Versprechen - den Washingtoner "Sumpf" aus gut vernetzten Insidern und Lobbyisten "trocken zu legen" hat sich als reine Luftnummer erwiesen. Trump hat als Chefs der diversen Ministerien und Behörden die eigenen Amigos eingesetzt und zahlreiche Amtsleiter mit großem Fachwissen entlassen, um zwecks effektiverer Ausplünderung die Regeln zu lockern - zum Beispiel die Umweltauflagen zu Gunsten der Fracking-Industrie.

Trumps überraschender Wahlsieg über die erfahrene Profipolitikerin Hillary Clinton ist auch der Höhepunkt einer Entwicklung, die seit den Tagen Ronald Reagans das öffentliche Leben in den USA kennzeichnet, nämlich das Anhimmeln und Beweihräuchern des Geschäftsmanns, des Industriekapitäns, der als einziger über den nötigen Weitblick verfügt, einen multinationalen Konzern oder einen Staat richtig zu lenken. In den achtziger Jahren verkörperten Chrysler-Chef Lee Iacocca oder der von Michael Douglas in Oliver Norths Kinofilm "Wall Street" gespielte Börsenmakler Gordon Gecko ("Gier ist gut!") die kreativen Genies der neoliberalen Marktwirtschaft. Tom Wolfe hat die Vertreter dieses Menschentyps in seinem Roman "Fegefeuer der Eitelkeiten" als "Masters of the Universe" persifliert. Später waren es Leute wie Warren Buffett, Steve Jobs und Jeff Bezos, die nicht nur in der amerikanischen Presse als Idealverkörperung des erfolgreichen Geschäftsmanns, dem alles gelingt, angebetet und gepriesen werden.

Der windige Bauunternehmer, Ex-Kasinobetreiber, Immobilienmagnat und mehrfacher Pleitier Trump ist selbst ein Produkt der Reagan-Ära. Noch lange bevor er in den Nullerjahren Reality-TV-Star mit der Sendung "The Apprentice" wurde, wo er am Ende jeder Episode einen erfolglosen Bewerber oder eine erfolglose Bewerberin um ein einjähriges Volontariat bei der Trump Organisation mit dem demütigenden Spruch "You're fired!" entließ, hatte die Dauerberichterstattung über den Marktschreier aus Queens, dessen Liebesleben sowie seine geschäftlichen Höhenflüge und Abstürze die Boulevardpresse von Gotham City, die New York Daily News und Rupert Murdochs New York Post, über Wasser gehalten. Es war auch Murdochs konservativer Kanal Fox News, der in den neunziger Jahren die Fernsehnachrichten in den USA boulevardisierte und damit einem Opportunisten und Populisten wie Trump den Weg an die absolute Staatsspitze ebnete.

Doch die Corona-Virus-Krise beschert Trump, der im November eine zweite Amtszeit erringen will, womöglich sein Waterloo. Die Seuche hat Wahlkampfverstaltungen vorerst unmöglich gemacht. Also hat Trump die tägliche Pressekonferenz im Weißen Haus zur Covid-19-Pandemie zu einer Werbebühne in eigener Sache umgewandelt. Doch leider gibt es nicht viel Gutes zu vermelden. Wegen Trumps anfänglichem Herunterspielen der Problematik werden aus den USA weltweit die mit Abstand meisten Toten und Erkrankten vermeldet. Statt den Epidemiologen und Virologen die Bühne zu überlassen, drängt sich Trump ständig in den Vordergrund und gibt jede Menge Halbgares und Unwissenschaftliches von sich.

Gegen den Rat des eigenen Gesundheitsministeriums preist er seit Wochen jeden Abend zur besten Sendezeit als Heilmittel gegen das neuartige Corona-Virus das Anti-Malaria-Medikament Hydroxychloroquin. Manche Beobachter munkeln, Trump tut dies nur, weil er ein größeres Aktienpaket des Pharmakonzerns Novartis, der in den USA Hydroxychloroquin herstellt und unter dem Markennamen Plaquenil vertreibt, besitzt. Fest steht, daß Richard Bright, Leiter der Biomedical Advanced Research and Development Authority beim United States Department of Health und Human Services (HHS), kurzerhand entlassen wurde, nachdem er am 22. April in einer amtlichen Stellungnahme Privatpersonen vor der gesundheitsgefährdenden Einnahme von Hydroxychloroquin als Mittel gegen Sars-Cov2 gewarnt und Ärzte von der unzulässigen Verschreibung des Medikaments abgeraten hatte (Bright will mit juristischen Mitteln gegen die aus seiner Sicht unberechtigte Entlassung kämpfen).

Trump hatte seinen ursprünglichen Einsatz für Hydroxychloroquin am 19. März mit den Worten begründet: "I feel good about it. That's all it is, just a feeling. You know, smart guy. I feel good about it". ("Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Mehr ist es nicht, nur ein Gefühl. Schlauer Kerl, wissen sie. Ich habe ein gutes Gefühl dabei.") Die eigene Dauerselbstüberschätzung wurde Trump jedoch am 23. April zum Verhängnis, als er in seiner Rolle als "Weitdenker" auf der Pressekonferenz im Weißen Haus laut darüber sinnierte, ob sich Menschen gegen Covid-19 nicht vielleicht Desinfektionsmittel "injizieren" sollten. Dabei räumte Trump ein, "I'm not a doctor ...", er sei zwar "kein Arzt", nur um gleich mit dem Finger auf seinen Kopf zu zeigen und zu ergänzen: "... but I'm, like, a person that has a good you-know-what" ("... aber ich bin, na ja, ein Mensch mit was hier oben"). Seit diesem völlig deplazierten und peinlichen Exkurs in die Welt der Medizin hagelt es Kritik an Trump. Der New Yorker Prahlhans steht nun endgültig als Blender, als Kaiser ohne neue Kleider, da. Selbst Trumps republikanische Parteikollegen gehen laut New York Times auf Distanz zu ihm aus Angst, er könnte aufgrund rasch sinkender Popularitätswerte im November nicht nur die Präsidentenwahl verlieren, sondern ihnen die Mehrheit im Senat kosten.

28. April 2020


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