Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

MILITÄR/784: 360.000 US-Veteranen sollen an Gehirntrauma leiden (SB)


360.000 US-Veteranen sollen an Gehirntrauma leiden

Das Pentagon veröffentlicht neue, schockierende Zahlen


Zu den gigantischen Kosten der Kriege in Afghanistan und im Irak, die den US-Staatshaushalt auf Jahrzehnte hinaus belasten werden, zählen die Ausgaben des Verteidigungsministeriums in Arlington zur medizinischen Betreuung erkrankter und verletzter Veteranen. Die Betreuung erhalten nicht nur Soldaten, bei denen die Kriegsversehrtheit offensichtlich ist und denen man zum Beispiel ein durch eine Bombe abgerissene Hand durch eine Prothese ersetzen muß, sondern welche, die auf dem ersten Moment völlig gesund zu scheinen wirken. Zu letzterer Gruppe gehören die allermeisten der gehirntraumatisierten Veteranen des "Antiterrorkrieges", deren Anzahl nach einer am 4. März veröffentlichten Studie einer für medizinische Fragen zuständigen Sonderabteilung des Pentagons auf sage und schreibe 360.000 geschätzt wird.

Bislang haben rund 1,800.000 amerikanische Soldaten mindestens einmal für sechs Monate am Hindukusch oder im Zweistromland gedient. Die offizielle Zahl der US-Verluste beider Kriege steht derzeit bei 33.000 - davon fast 5000 tot und die restlichen verletzt. Bereits letztes Jahr hatte die renommierte, seit dem Zweiten Weltkrieg für das US-Verteidigungsministerium arbeitende Denkfabrik RAND die Zahl derjenigen Kriegsveteranen, die von Afghanistan und dem Irak mit Gehirntrauma nach Hause kehrten auf 320.000 geschätzt. Die neue Studie, die von Medizinexperten im Verteidigungsministerium durchgeführt wurde, zeigt, daß die Zahl um einiges höher ist.

Vorgestellt wurde die neue Studie auf einer Pressekonferenz in Pentagon von Brigadegeneral Loree Sutton, Leiterin der dortigen Centers of Excellence for Psychological Health and Traumatic Brain Injury. Über die Angaben von Sutton und ihren Kollegen Oberstleutnant Lynne Lowe, Leiterin des Programms zur Behandlung schwerer Hirnverletzungen, und James Kelly, Direktor des National Intrepid Center of Excellence, einem auf Hirntrauma und psychologische Gesundheit spezialisierte Behandlungszentrum im Verteidigungsministerium, berichtete am 5. März Gregg Zoroya in USA Today, der auflagestärksten Zeitung Amerikas, unter der Überschrift "360,000 veterans may have brain injuries".

Offiziell sind seit Beginn der Kriege in Afghanistan im Oktober 2001 und im Irak im März 2003 mindestens 9100 amerikanische Soldaten mit Hirnverletzungen diagnostiziert worden. Davon wurden von Department of Veterans Affairs rund 8000 Soldaten in medizinische Behandlung genommen. Nach Veröffentlichung der RAND-Studie im letzten Jahr hatte das Pentagon auf Anweisung des Kongresses begonnen, alle heimkehrende US-Soldaten auf eventuelles Hirntrauma zu untersuchen. Bei diesen Untersuchungen stellte man fest, daß bis zu 20 Prozent der Veteranen unter den Folgen einer Kopfverletzung litten, angefangen bei leichter Gehirnerschütterung bis hin zu schwerem Schädeltrauma. Während sich die meisten Verletzten erholen, brauchen nach Angaben Kellys zwischen 45.000 und 90.000 Betroffenen eine Spezialbetreuung.

Zu den Anhaltenden Symptome der Hirnverletzungen gehören Störungen des Schlafs, der Sicht und des Gleichgewichts sowie Gedächtnisverlust. Die meisten Hirnverletzungen werden auf Erschütterungen des Kopfes infolge einer Bomben- oder Minenexplosion in unmittelbaren Nähe des Betroffenen zurückgeführt. Interessanterweise sind sich die Experten, welche die neue Studie verfaßt haben, nicht sicher, ob nicht traumatische Erfahrungen, die ein Soldat, der selbst körperlich unversehrt bleibt, in einer solchen Situation macht, auch für einige Symptome verantwortlich sein könnten, die man bisher unter Gehirntrauma infolge physischer Einwirkung subsumiert.

7. März 2009