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MILITÄR/906: Vernichtung aller US-Chemiewaffen schreitet voran (SB)


Vernichtung aller US-Chemiewaffen schreitet voran

US-Armee nimmt Spezialanlage zur Senfgas-Beseitigung in Betrieb


Wie aufwendig die Beseitigung von Chemiewaffen ist, zeigt das Beispiel Syrien. Als sich die Regierung in Damaskus 2013 auf Druck Moskaus zur Aufgabe ihres gesamten C-Waffenarsenals bereiterklärte, dauerte es Monate - nicht zuletzt dem laufenden Krieg in Syrien geschuldet -, unter Aufsicht von Inspektoren der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) die fraglichen Kampfstoffe, Vorläuferprodukte und bereits gefüllten Artilleriegeschosse transportfähig zu machen. Danach wurden diese per Lastwagen zur Mittelmeerküste gefahren und dort auf Handelsschiffe verladen, die sie zu einem in internationalen Gewässern stationierten Spezialschiff der US-Marine brachten. An Bord der USS Cape Ray wurden die Chemiewaffen mittels eines Hydrolyse-Systems zu weniger gefährlichen Stoffen zerlegt. Erst nachdem diese Prozedur abgeschlossen war, erfolgte die endgültige Vernichtung des Produkts des Hydrolyse-Verfahrens in Verbrennungsanlagen auf dem US-amerikanischen und westeuropäischen Festland.

1997 hatte sich die Administration von Bill Clinton im Rahmen der damals von insgesamt 178 Staaten unterzeichneten Chemical Weapons Convention (CWC) zur Vernichtung der Bestände der USA an Chemiewaffen aus der Zeit des Kalten Krieges innerhalb von zehn Jahren verpflichtet. Als sich abzeichnete, daß man diese Frist auch nicht annähernd würde einhalten können, bat im Mai 2006 die Nachfolgeregierung George W. Bushs um einen Aufschub von weiteren fünf Jahren, also bis 2012, um die gefährliche Mammutaufgabe bewältigen zu können. Noch im November desselben Jahres sah sich das Pentagon gezwungen, sich eine weitere Fristverlängerung bis 2023 zu genehmigen.

Damals hieß es, das US-Militär habe bisher 41 Prozent seines einst 31.500 Tonnen umfassenden Chemiewaffenarsenals beseitigt. Die meisten Kampfstoffe wurden bzw. werden immer noch in speziellen Verbrennungsanlagen in den Bundesstaaten Alabama, Arkansas, Oregon, Utah und auf dem Johnston Atoll im Südpazifik vernichtet beziehungsweise in sogenannten Neutralisierungslagen in Indiana und Maryland in ihre Bestandteile zerlegt und unschädlich gemacht. Damals stellte man die Inbetriebnahme zweier weiterer Anlagen der US-Armee nahe der Städte Pueblo in Colorado und Richmond in Kentucky in Aussicht, mittels derer Senfgas-Granaten neutralisiert statt verbrannt werden sollen. Die Arbeit in diesen beiden Anlagen sollte irgendwann zwischen 2020 und 2023 abgeschlossen sein, so die damalige Einschätzung aus dem Hause Donald Rumsfelds.

Am 1. September kündigte die Nachrichtenagentur Associated Press den bevorstehenden Betriebsbeginn des Pueblo Chemical Depot (PCD) der US-Armee im südlichen Colorado an. AP zitierte Greg Mohrman, den Chef der 4,5 Milliarden Dollar teueren, vom Unternehmen Bechtel gebauten Anlage dahingehend, daß nach dem Wochenende vom 3. und 4. September die aufwendige Vorbereitungsphase vorbei sei und mit der eigentlichen Kampfstoffbeseitigung begonnen werde. Auf dem Gelände des PCD lagern derzeit 2600 Tonnen Senfgas. Die damit gefüllten Geschosse werden zunächst von Robotern auseinandergenommen. Danach wird die für den Menschen hochgiftige Chemikalie mittels Wasser und Bakterien in harmlosere Stoffe zurückgebaut. Beim geplanten Hochbetrieb sollen auf diese Weise 500 Geschosse pro Tag unschädlich gemacht werden. Mit einem Abschluß der Arbeiten in Pueblo wird Mitte des nächsten Jahrzehnts gerechnet.

Den jüngsten Angaben des US-Verteidigungsministeriums zufolge ist dessen ursprünglich mehr als 30.000 Tonnen umfassendes C-Waffenarsenal inzwischen zu 90 Prozent vernichtet worden - das meiste, wie gesagt, durch Verbrennung. Neben den Beständen in Pueblo lagern weitere 523 Tonnen Senfgas und anderer gefährlicher Nervengifte in flüssiger Form auf dem Gelände des Blue Grass Army Depot in Kentucky. Mit der Betriebnahme der dortigen Anlage wird für das kommende Jahr und mit einem Abschluß der Arbeit im Jahr 2023 gerechnet.

3. September 2016


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