Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


MILITÄR/938: Chemiewaffen - Kriegsvorwand und Manipulationshilfe ... (SB)


Chemiewaffen - Kriegsvorwand und Manipulationshilfe ...


Aktuell steigen die Spannungen zwischen den USA und dem Iran rapide an. Die Gefahr eines Krieges am Persischen Golf ist seit langem nicht mehr so groß gewesen. Hauptverantwortlicher für die Eskalation ist US-Präsident Donald Trumps Nationaler Sicherheitsberater John Bolton, der bekanntlich unter George W. Bush als Staatssekretär für Rüstungskontrolle im Washingtoner Außenministerium wesentlich an dem Zustandekommen und der medialen Verbreitung der erlogenen Begründung für den angloamerikanischen Einmarsch in den Irak und den gewaltsamen Sturz des Baath-"Regimes" in Bagdad 2003 mitgewirkt hat. Damals hieß es, Saddam Hussein müsse wegen der Gefahr der Weitergabe von "Massenvernichtungswaffen" an das Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens beseitigt werden. Heute wirft Bolton den "Mullahs in Teheran" vor, "Hauptsponsoren des internationalen Terrorismus" zu sein, und droht ihnen offen mit schwerster militärischer Vergeltung, sollten die US-Streitkräfte oder die Interessen Washingtons im Nahen Osten seitens schiitischer Milizen - sei es im Irak, in Syrien oder im Jemen - zum Ziel von Anschlägen werden. Dabei zeigen neueste Enthüllungen über den Konflikt in Syrien, mit welcher Leichtigkeit die westlichen Geheimdienste und ihre Partner vor Ort die internationale Berichterstattung propagandistisch beeinflussen können.

Die Rede ist hier vom vermeintlichen Giftgaseinsatz, der am 7. April 2018 in der Rebellenhochburg Douma in Ostghouta am Rande von Damaskus 43 Zivilisten das Leben gekostet haben soll. Damals warfen die Aufständischen und mit ihnen die Regierungen in London, Paris und Washington der Syrischen Arabischen Armee (SAA) vor, vom Hubschrauber aus chlorhaltige Fässer auf Douma abgeworfen zu haben. Videobilder, die von der vom Westen finanzierten "Hilfsorganisation" White Helmets aufgenommen worden waren und die Kinderleichen sowie unter schwerer Atemnot leidende Menschen zeigten, lösten rund um die Welt Entsetzen und den Ruf nach Vergeltung aus. Trump, der nur wenige Tage zuvor bei einem heftigen Streit mit seinen Generälen den Abzug aller US-Streitkräfte aus Syrien durchgesetzt zu haben meinte, fühlte sich, nachdem First Daughter Ivanka, die Mutter seiner Enkel, ihm Fotos einiger der toten Kinder persönlich vorgelegt hatte, zum Handeln gezwungen.

In den frühen Morgenstunden des 14. April 2018 griffen die Streitkräfte der USA, Frankreichs und Großbritanniens von Flugzeugen sowie von Schiffen im Mittelmeer aus mit 103 Raketen und Marschflugkörpern drei Objekte an, die angeblich in Verbindung mit dem mutmaßlichen Chlorgasvorfall von Douma standen. Zerstört wurden dabei eine medizinische Forschungsanlage in Damaskus und zwei Stützpunkte bei Homs, wo angeblich chemische Kampfmittel heimlich gebunkert wurden. Damals wies die Regierung in Damaskus den Vorwurf der Verwendung von Chemiewaffen entschieden von sich und insistierte hartnäckig darauf, im Rahmen der im September 2013 von Rußland initiierten Vereinbarung mit den USA sämtliche Chemiewaffenbestände und -produktionsstätten Syriens vernichtet zu haben - was ihr 2015 sogar von der Organisation zum Verbot Chemischer Waffen (OPCW) bescheinigt worden war.

Den ersten konkreten Hinweis, daß hier Präsident Baschar Al Assad und die SAA vielleicht zu Unrecht an den Pranger gestellt worden waren, lieferte der langjährige, mehrfach ausgezeichnete britische Nahost- und Kriegskorrespondent Robert Fisk in einem Text- und Videobeitrag, der am 16. April 2018 auf der Website des Londoner Independent erschienen war. Am Tag zuvor hatte Fisk ohne Begleitung durch syrische Beamte oder Militärs Douma, aus dem nur Stunden zuvor die SAA die Kämpfer der von Saudi-Arabien finanzierten und ausgerüsteten Gruppe Dschaisch Al Islam endgültig vertrieben hatte, durchwandern und mit Ärzten und Einwohnern frei sprechen konnte. Die Aussagen der Augenzeugen Fisk gegenüber bestärkten den Verdacht, daß es sich bei dem schrecklichen Vorfall von Douma um eine "Falsche-Flagge-Aktion" der Rebellen gehandelt hatte.

Demnach war es am fraglichen Tag, sozusagen am Vorabend der Rückeroberung von Douma durch die SAA, zu erbitterten Kämpfen gekommen. Die Rauch- und Staubentwicklung infolge der Granateneinschläge sowie eines gleichzeitigen Sandsturms in der zerbombten und untertunnelten Ruinenlandschaft hatten viele Menschen mit Atemnot in das örtliche Krankenhaus getrieben. Dort entstand eine Massenpanik, als Mitglieder der Weißhelme in der Notaufnahme erschienen, "Giftgasangriff" herumbrüllten und alle Anwesenden anwiesen, so schnell wie möglich ihre Haut mit Wasser zu waschen. Die Bilder der chaotischen und verstörenden Szene haben die Weißhelme per Videokamera festgehalten und als Beweis für die Grausamkeit des Assad-"Regimes" ins Internet gestellt, wo sie von Politik und Medien des Westens dankend ausgeschlachtet wurden.

Am 21. und 25. April 2018 haben OPCW-Inspekteure Douma besucht und die "Tatorte" ausführlich untersucht, an denen die Giftgasfässer angeblich eingeschlagen waren, dort Proben genommen und Aussagen von Augenzeugen protokolliert. Am 1. März 2019 legte die Fact Finding Mission (FFM) des OPCW in Syrien ihren Bericht dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor. Aus diesem 106seitigen Dokument geht eindeutig hervor, daß es in Douma zur Freisetzung von Chlorgas gekommen ist. Über die Identität der Täter machten die OPCW-Experten keine Angaben. Die westlichen Mächte sahen dennoch im Ergebnis der OPCW-Untersuchung die Bestätigung für ihre These, daß die SAA die Greueltat verübt habe, während das Außenministerium in Damaskus den Bericht als "tendenziös", "nicht objektiv" und "unglaubwürdig" zurückwies.

Wenige Tage später veröffentlichte die Working Group on Syria, Propaganda and Media, ein internationales Gremium linker Dissidenten vornehmlich in der englischsprachigen Welt, die seit Jahren die Lügen westlicher Politik und Medien über den Konflikt in der Levante entlarven, eine Expertise der zur Fact Finding Mission gehörenden Ingenieure, die ihr von unbekannter Seite zugespielt worden war und zuvor keinen Eingang in die endgültige Version des Douma-Berichts der OPCW gefunden hatte. Der vermeintliche Lapsus ist leicht erklärt. Die OPCW-Experten, die vor einem Jahr Douma besuchten und die Begebenheiten vor Ort in Augenschein nahmen, waren zu dem Schluß gekommen, daß der "Giftgasanschlag" - wenn überhaupt - nicht wie von den Aufständischen behauptet geschehen war. Sie sahen zum Beispiel in dem Umstand, daß die beiden fraglichen Fässer fast unbeschädigt waren, obwohl sie aus großer Höhe abgeworfen worden sein und jeweils eine Betondecke durchgeschlagen haben sollen, aber dennoch keine Krater im Boden verursacht hatten, ein extrem starkes Indiz dafür, daß sie an den jeweiligen "Tatorten" hingelegt worden waren. Allein dieser Befund verbannt die These vom bestialischen Vorgehen der SAA in Douma ins Reich der Märchen. Deswegen durfte die Expertise der FNN-Ingenieure nicht im OPCW-Bericht auftauchen.

Daß hier in die Arbeit einer für Fragen von Krieg und Frieden so wichtigen UN-Unterorganisation eingegriffen und manipuliert wurde, ist höchst alarmierend. Nicht umsonst beklagte sich Rußland, das sich selbst seit der sonderbaren Vergiftung des russischen Überläufers Sergej Skripal und seiner Tochter Julia im März 2018 im englischen Salisbury dem Vorwurf der illegalen Besitzes und Einsatzes von Chemiewaffen ausgesetzt sieht, über eine "Politisierung" der Arbeit der OPCW durch die drei westlichen UN-Vetomächte USA, Frankreich und Großbritannien. Beunruhigend ist zudem die Tatsache, daß bei dem fraglichen Vorfall in Douma 43 Menschen ums Leben kamen, deren Todesursache bis heute ungeklärt geblieben ist. Ob diese Personen durch das austretende Chlorgas getötet wurden oder anders starben und ihre Leichen anschließend von den Rebellen und den Weißhelmen an den "Tatort" gelegt wurden, ist bis heute vollkommen unklar.

22. Mai 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang