Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

NAHOST/934: Der Iran und die USA - das Feilschen beginnt (SB)


Der Iran und die USA - das Feilschen beginnt

Können Washington und Teheran endlich das Kriegsbeil begraben?


Mit der Wahl Barack Obamas im letzten November zum 44. Präsidenten der USA verknüpfte sich für viele Menschen nicht nur dort die Hoffnung, daß der als liberal geltende Demokrat aus Chicago eine deutlich weniger aggressive Nahost-Politik als sein republikanischer Vorgänger, der Texaner George W. Bush, verfolgen würde. Erste Zeichen in diese Richtung hat der neue Mann im Weißen Haus inzwischen gesetzt. Er hat den ehemaligen Senator George Mitchell, der in den neunziger Jahren im Auftrag der Regierung Bill Clintons den sogenannten "Friedensprozeß" in Nordirland erfolgreich begleitete, zum neuen Sondervermittler zwischen Israelis und Palästinensern ernannt, die schnellstmögliche Schließung des umstrittenen Internierungslagers Guantánamo Bay auf Kuba angeordnet, seine Militärs um einen Plan zum zügigen Abbau der Zahl der amerikanischen Soldaten im Irak gebeten und sogar ein Ende des seit Oktober 2001 anhaltenden Kriegs in Afghanistan in Aussicht gestellt (Im Interview für das CBS-Nachrichtenmagazin "60 Minutes", das am Abend des 22. März ausgestrahlt wurde, sprach Obama in Bezug auf Afghanistan erstmals in der Öffentlichkeit von der Notwendigkeit einer "Exit-Strategie").

Was die Beendigung der Konfrontation mit dem Iran betrifft, so ist der Handlungsspielraum Obamas eng. In den USA gibt es mächtige Kreise, für die das "Mullah Regime" in Teheran aus verschiedenen Gründen - dazu gehören der Sturz des Schahs 1979 und die anschließende 444tägige Geiselnahme der US-Botschaftsangehörigen in Teheran sowie die verheerenden Bombenanschläge 1983 auf die US-Botschaft und den Stützpunkt der US-Marines in Beirut - unbedingt beseitigt werden muß. Aus Sicht dieser Kreise - die starke Verbündete bei den rechten Militaristen in Israel finden - muß die Islamische Republik weg, weil sie den Hegemonialinteressen Washingtons und Tel Avivs in der Region im Wege steht und demonstrativ Widerstandsgruppen wie die schiitische Hisb Allah im Libanon und die Hamas in den besetzten palästinensischen Gebieten unterstützt. Eigentlich hatten die US-Neokonservativen und ihrer Verbündeten vom israelischen Likud 2003 gehofft, daß auf den Einmarsch in den Irak der "Regimewechsel" in Teheran folgen würde.

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, daß Obamas bisherige Schritte auf Teheran zu ausgesprochen klein und vorsichtig gewesen sind. Bei der Antrittsrede am 20. Januar und seinem ersten Fernsehinterview mit dem Sender Al Arabiya rund eine Woche später bot Amerikas Hoffnungsträger dem Iran und anderen Ländern, die den USA feindlich gegenüberstehen, eine "ausgestreckte Hand", sollten diese die "geballte Faust öffnen". Danach kam erstmal - bis auf die Einladung der neuen US-Außenministerin Hillary Clinton an Teheran, Vertreter zu einer für Ende März in Den Haag geplanten Konferenz zum Thema Afghanistan zu entsenden, nichts. Obamas erste richtige Initiative erfolgte erst am 20. März mit der Veröffentlichung einer an das iranische Volk gerichteten Videobotschaft anläßlich des persischen Neujahrsfestes Newroz auf der Website des Weißen Hauses.

Zwar hatte George W. Bush in den Jahren zuvor schriftlich solche Botschaften an die Iraner gerichtet, doch bei diesen schwang immer die Idee mit, Amerika stehe dem geknechteten iranischen Volk bei und wünsche sich nichts sehnlicher, als daß dieses der "Mullahkratie" ein Ende mache, um eine "Demokratie" nach Art der Anglosphäre ausrufen zu können. In den Worten Obamas fehlte jeder direkte oder indirekte Hinweis auf den gewünschten "Regimewechsel". Die Botschaft richtete sich nicht nur an das iranische Volk, sondern ausdrücklich auch an die Führung der Islamischen Republik. Auf diese Weise hat Obama diese faktisch anerkannt und ihre politischen Vertreter zu potentiellen Gesprächspartnern erhoben. Um sich jedoch den Rücken vor den zu erwartenden Angriffen der heimischen Kriegsfalken freizuhalten, hat Obama gleichzeitig einige Vorwürfe erhoben. Seine Regierung suche mit Teheran "Kontaktaufnahme", die "ehrlich" sei und "auf gegenseitigem Respekt" basiere, dafür müßten die Iraner auf "Terror" und das Streben nach "Waffen" - gemeint ist die Atombombe - verzichten.

In der wichtigsten offiziellen Reaktion Teherans auf die Videobotschaft hat Ajatollah Ali Khamenei, Irans oberster Führer, am 21. März bei einer Rede in der Stadt Maschad erklärt, daß auf die Worte Obamas Taten folgen müßten. Er schlug vor, daß Washington in einem ersten Schritt die Handelssanktionen gegen sein Land lockere und/oder die 1979 vor dem Hintergrund der Geiselnahme an der amerikanischen Botschaft in Teheran eingefrorenen Guthaben des Irans in den Vereinigten Staaten freigebe. Gleichzeitig stellte Khamenei entsprechende Gegenmaßnahmen, die dazu beitragen könnten, Spannungen abzubauen und eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, in Aussicht.

Der Wunsch Teherans nach konkreten Schritten seitens Washingtons ist begründet. Bereits zweimal während der Ära von Bush jun. hat die Islamische Republik gegenüber den USA Vorleistungen erbracht und dafür im Gegenzug nichts als offene Feindseligkeit zu spüren bekommen. Ende 2001 halfen die Iraner, die afghanischen Taliban zu stürzen, nur um Anfang 2002 in Bushs erster Rede zur Lage der Nation zu erfahren, daß die Islamische Republik zusammen mit Nordkorea und dem Irak Saddam Husseins eine "Achse des Bösen" bilde. Im Frühsommer 2003 hat die iranische Führung über die diplomatische Vertretung der Schweiz dem Weißen Haus einen schriftlichen Geheimvorschlag zur Beilegung aller bilateralen Probleme zukommen lassen. Zu dem Vorschlag gehörte auch die Bereitschaft Teherans, Israel anzuerkennen und mäßigend auf die palästinensischen Widerstandsgruppen einzuwirken. Der Vorstoß wurde jedoch von der Bush-Regierung, die nach dem Sturz Saddam Husseins auf dem Höhepunkt ihrer Macht stand, brüsk abgewiesen und der Schweizer Botschafter Tim Guldiman für seine Vermittlungsbemühungen sogar gerügt.

Bei Obama gibt es jedoch Signale, daß Washington im Bezug auf den Iran tatsächlich auf Diplomatie setzen und auf Drohungen verzichten will. Vor wenigen Tagen berichtete der Nahost-Experte Robert Dreyfuss auf seinem Blog auf der Webseite der altehrwürdigen linken US-Wochenzeitschrift Nation von einigen Besonderheiten, was den jüngsten Besuch des israelischen Generalstabschefs Gabi Ashkenazi in Washington betrifft. Im Vergleich zu letztem Jahr hatten für Gazi weder Verteidigungsminister Robert Gates noch Admiral Michael Mullen, der Vorsitzende der Vereinigten Stabschefs, Zeit. So kam der israelische Gast lediglich mit Außenministerin Clinton, deren Beauftragten für den Persischen Golf, Dennis Ross, und dem Nationalen Sicherheitsberater General James Jones zusammen. Wollte Ashkenazi vor allem das Thema der vermeintlichen iranischen Bedrohungen bei seinen Gastgebern anbringen, so wurde das Gespräch mit Jones von diesem auf den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern beschränkt, so Robert Dreyfuss unter Verweis auf die konservative elektronische Zeitung Worldtribune.com. Man kann davon ausgehen, daß die iranische Führung solche Signale seitens der Obama-Regierung zu deuten wissen wird.

23. März 2009