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NAHOST/982: Iran feiert Festnahme des "Topterroristen" Rigi (SB)


Iran feiert Festnahme des "Topterroristen" Rigi

Umstände der Inhaftierung des Jundallah-Chefs nicht ganz klar


In Medien und Politik des Irans herrscht über die Festnahme Abdolmalek Rigis, des Chefs der sunnitischen Untergrundgruppe Jundallah (Soldaten Gottes), die für zahlreiche blutige Anschläge der letzten Jahre in der östlichen Provinz Sistan-Belutschistan verantwortlich gemacht wird - bei dem schwersten im letzten Oktober kamen 49 Menschen, darunter mehrere ranghohe Mitglieder der Revolutionsgarde, ums Leben - große Zufriedenheit. Irans Sicherheitsapparat habe durch die Inhaftierung Rigis denjenigen Kräften einen schweren Schlag verpaßt, die das Land destabilisieren und die Islamische Republik beseitigen wollen, so der allgemeine Tenor. Gemeint sind in diesem Zusammenhang natürlich die USA und ihre Verbündeten. Doch zu einem wirklichen Ende solcher Destabilisierungsbemühungen im Iran dürfte es erst kommen, wenn Teheran und Washington ihren seit dem Sturz des Schahs vor mehr als 30 Jahren tobenden Streits entweder beigelegt oder zu Ende ausgefochten haben.

Gemeldet wurde die Festnahme Rigis und eines seiner engsten Kampfgefährten mit Namen Hamza von den iranischen Medien am 23. Februar. Im staatlichen Fernsehen strahlte man Aufnahmen aus, wie Rigi in Handschellen von vier vermummten Mitgliedern der Sicherheitskräfte aus einem kleinen Firmenjet herausgeführt wurde. Zuvor sollen zwei Kampfflugzeuge der iranischen Luftwaffe eine Passagiermaschine, in der Rigi gesessen hatte, zur Landung auf dem Flughafen der an der Straße von Hormus liegenden Stadt Bandar Abbas gezwungen haben. Nach Angaben des staatlichen iranischen Nachrichtensenders Press TV war die Maschine auf dem Weg von Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der anderen Seite des Persischen Golfs nach Bischkeck, Hauptstadt Kirgisistans, unterwegs. Auf der Pressekonferenz zur offiziellen Bekanntgabe der Festnahme Rigis hielt am 23. Februar der iranische Geheimdienstminister Heydar Moslehi vor den versammelten Journalisten ein Foto von Rigi hoch, das 24 Stunden vor dessen Festnahme auf einem Stützpunkt des US-Militärs in Afghanistan, wo man den Jundallah-Chef angeblich mit einem gefälschten afghanischen Reisepaß ausgestattet hätte, aufgenommen worden sein soll. Man sei im Besitz von "eindeutigen Dokumenten, die beweisen, daß Rigi mit den amerikanischen, israelischen und britischen Geheimdiensten zusammenarbeitete", so Moslehi.

Seit Jahren besteht der Verdacht, daß die Jundallah mit den Feinden Teherans zusammenarbeitet. Im April 2007 meldete die Nachrichtenredaktion des US-Fernsehsenders ABC unter Verweis auf Quellen beim pakistanischen Geheimdienst, die mehrere hundert Mann starke, belutschistanische Separatistentruppe, die am Länderdreieck zwischen Afghanistan, Pakistan und dem Iran auch in den Opiumschmuggel verwickelt sein soll, erhalte seit 2005 - ähnlich der kurdischen Separatistengruppe PEJAK und den aus dem Irak heraus operierenden Volksmudschaheddin MEK - finanzielle und materielle Unterstützung sowie Anweisungen von der Central Intelligence Agency (CIA), dem US-Auslandsgeheimdienst. Im Juli 2007 berichtete der Enthüllungsspezialist Seymour Hersh in der Zeitschrift New Yorker, der Kongreß in Washington habe heimlich 400 Millionen Dollar zur Finanzierung einer von der Regierung George W. Bush ausgedachten, schwarzen - das heißt, offiziell stets zu verleugnenden - Operation zur Destabilisierung des Irans bewilligt. Als einen der vorgesehenen Empfänger der US-Finanzhilfe nannte der Pulitzerpreisträger ausdrücklich Rigis Jundallah.

Auf der bereits erwähnten Pressekonferenz behauptete der Geheimdienstminister Moslehi, die Festnahme Rigis sei das Ergebnis einer umfassenden, fünf monatigen Spähoperation gewesen, welche die Iraner ohne Hilfe irgendwelcher ausländischer Dienste zu einem erfolgreichen Abschluß geführt hätten. Eine Teilbestätigung für die Version Teherans vom Abgefangenen Flug Rigis lieferte die staatliche kirgische Luftlinie Kyrgyzstan Aba Joldoru. Deren Stellvertretender Vorsitzender Taalaibek Turumbekov wurde in einem Bericht des US-Propagandasenders Radio Free Europe/Radio Liberty von 24. Februar mit der Angabe zitiert, die iranischen Behörden hätten eine ihrer Maschinen, die der Firma Istok-Avia gehört und mit 119 Passagieren an Bord von Dubai nach Bischkeck unterwegs war, nach Bandar Abbas umdirigiert, sie dort drei bis vier Stunden lang inspiziert und zwei Insassen festgenommen, bevor man den Weiterflug durch den Luftraum der Islamischen Republik gestattete.

Dessen ungeachtet beansprucht die Regierung in Islamabad, die seit Jahren von Teheran bezichtigt wird, die Jundallah in der südwestpakistanischen Provinz Belutschistan gewähren zu lassen bzw. nicht energisch genug gegen sie vorzugehen, bei der Verhaftung Rigis eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Auf einer Pressekonferenz am 24. Februar in der pakistanischen Botschaft in Teheran erklärte sich der dortige Chef Mohammad Abbasi über die Inhaftierung des Jundallah-Gründers "glücklich" und behauptete, "ohne die Kooperation Pakistans" wäre die Operation nicht möglich gewesen. In einem Artikel der Asia Times Online vom 25. Februar verwies der Chef von deren Pakistan-Büro, Syed Saleem Shahzad, auf Stammesmitglieder aus der Region Taftan in Belutschistan, die behaupteten, Rigi sei eigentlich von den pakistanischen Behörden festgenommen und erst danach den Iranern übergeben worden.

Unter Beobachtern und Kennern der Szene ist nun eine Diskussion um die Bedeutung und die tatsächlichen Umstände der Festnahme Rigis ausgebrochen. Alle sind sich darin einig, daß das ganze ein Zugeständnis Pakistans gegenüber Teheran ist. Es gibt sogar vereinzelte Vermutungen, Islamabad hätte für eine solche folgenreiche Geste grünes Licht aus Washington haben müssen. Sollte dies der Fall sein, wäre die Festnahme Rigis ein Signal der Regierung Barack Obamas gegenüber der iranischen Staatsführung um Mahmud Ahmadinedschad und Ali Khamenei, daß man sich nicht auf das Ziel eines "Regimewechsels" in Teheran versteife und ungeachtet aller derzeitigen Drohungen seitens US-Außenministerin Hillary Clinton an einer friedlichen, für alle Seiten hinnehmbaren Beilegung des sogenannten "Atomstreits" interessiert sei.

25. Februar 2010