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NAHOST/1257: Ex-Diplomat Rohani wird neuer Präsident des Irans (SB)


Ex-Diplomat Rohani wird neuer Präsident des Irans

Iranische Reformer im Aufwind - Grund zur Entspannung?



Die Wahl Hassan Rohanis zum neuen Präsidenten des Irans am 14. Juni hat Hoffnungen auf eine Entspannung des Verhältnisses der Islamischen Republik zum westlichen Ausland aufkommen lassen. Rohani hatte sich im dreiwöchigen Wahlkampf als derjenige verkauft, der am besten dazu geeignet sei, den Iran aus der diplomatischen Isolation zu führen. Seine Kritik an seinem ärgsten Konkurrenten Said Dschalili, dieser sei mit seiner harten Haltung in den Verhandlungen um das iranische Atomprogramm für die internationalen Wirtschaftssanktionen, unter denen der Iran schwer leidet, mitverantwortlich, hat offenbar bei den Wählern gefruchtet. Bei einer unerwartet hohen Wahlbeteiligung von rund 75 Prozent hat Rohani eine absolute Mehrheit von 50,7 Prozent erzielt und damit eine Stichwahl gegen den zweitplazierten Mohamad Baghir Ghalibaf, den Bürgermeister von Teheran - 16,6 Prozent - vermeiden können. Dschalili, der als Wunschkandidat des Obersten Geistlichen Führers, Großajatollah Ali Khamenei, galt, landete mit 11,3 Prozent auf dem enttäuschenden dritten Platz.

Der Erfolg von Rohani ist das Ergebnis der großen Unterstützung, die er im Wahlkampf seitens der Realisten um seinen Mentor Ali Akbar Haschemi Rafsanschani und der Reformer um Mohammad Khatami erfahren hat. Die beiden Ex-Präsidenten haben nicht nur die eigenen Anhänger mobilisiert, sondern auch den eigentlichen Reformer Mohammadreza Aref in der letzten Wahlkampfwoche zur Aufgabe der eigenen Kandidatur überredet, um die Siegeschancen Rohanis zu erhöhen. Sie haben zudem an die vielen Unzufriedenen im Lande appelliert, die sich nach dem Scheitern der Grünen Revolution bei der umstrittenen Wiederwahl Mahmud Ahmadinedschads vor vier Jahren von der Politik abgewandt hatten, nun doch zur Wahlurne zu gehen und für Rohani zu stimmen, um der erzkonservativen Führung um Khamenei einen Denkzettel zu verpassen. Und tatsächlich ist die Rechnung aufgegangen.

Wie Khamenei, Khatami und Rafsandschani ist auch der 64jährige Rohani ein Veteran der Islamischen Revolution von 1979. Seit dem Sturz des Schahs hat er diverse ranghohe Staatsämter bekleidet. Während der Präsidentschaft Rafsandschanis von 1989 bis 1997 arbeitete er für diesen als Nationaler Sicherheitsberater. Danach gehörte er acht Jahre lang dem Nationalen Sicherheitsrat an. Unter Präsident Khatami diente er von 2003 bis 2005 als Chefunterhändler des Irans bei den Atomverhandlungen mit der Gruppe P5+1 - bestehend aus den ständigen Mitgliedstaaten im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, also China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und den Vereinigten Staaten plus Deutschland. Unter seiner Leitung hatte der Iran nach Sondergesprächen mit der EU-3 - Deutschland, Frankreich und Großbritannien - die Anreicherung von Uran fast zwei Jahre lang eingestellt. Die Weigerung der damaligen US-Regierung von George W. Bush, das Zugeständnis Teherans zu würdigen und auch nur das leiseste Entgegenkommen zu signalisieren, hat den Kompromißkurs Rohanis diskreditiert, die Hardliner um Khamenei in ihrer negativen Meinung bezüglich der feindseligen Absichten Washingtons bestärkt und letztlich zum Sieg Ahmadinedschads bei der Präsidentenwahl 2005 geführt. Dessen wiederholt provokante Äußerungen bezüglich Israels und des Holocausts haben den Iran diplomatisch quasi zum Pariah-Staat gemacht.

Entsprechend vorsichtig optimistisch fielen die Reaktionen im Ausland auf die Wahl Rohanis aus, der am 3. August offiziell die Nachfolge Ahmadinedschads antritt. Bei einem Auftritt am 16. Juni in der CBS-Fernsehsendung "Face the Nation" meinte Denis McDonough, Stabschef im Weißen Haus, im Ausgang der iranischen Präsidentenwahl ein "potentiell hoffnungsvolles Signal" zu erkennen. Wolle Rohani seine Wahlkampfversprechen einlösen und "die Beziehungen des Irans zur restlichen Welt heilen", dann bestehe seitens der Obama-Regierung dazu jede Gelegenheit. Gleichwohl machte McDonough zur Bedingung, daß Teheran sein "illegales Atomprogramm offenlegen" müsse.

Bekanntlich beteuert der Iran seit Jahren, lediglich an der friedlichen Nutzung der Kernenergie interessiert zu sein und keine militärische Forschung zu betreiben. In der Behauptung, heimlich Atomsprengköpfe zu entwickeln, sehen die Iraner eine böswillige und fadenscheinige Unterstellung der USA und Israels, um die Islamische Republik an den Pranger zu stellen und sie in ihrer technologischen Entwicklung zu blockieren. Den Kernpunkt des Problems zwischen dem Westen, allen voran den USA, und dem Iran hat Rohani in einer Rede, die er 2004 in Teheran hinter verschlossenen Türen hielt und die erst zwei Jahre später veröffentlicht wurde - daraus zitierte am 17. Juni die New York Times - wie folgt beschrieben: "Wir haben kein Vertrauen zu ihnen. Leider haben sie auch kein Vertrauen zu uns. Sie denken, wir wollen sie hinters Licht führen, während wir in ähnlicher Weise glauben, daß sie uns austricksen und betrügen wollen."

Auf seiner ersten Pressekonferenz nach Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses der Wahl legte Rohani am 17. Juni im Teheraner Zentrum für Strategische Studien, die er seit 22 Jahren leitet, die Ziele seiner Präsidentschaft dar als "Rettung" der iranischen Wirtschaft, "Wiederbelebung der Ethik und konstruktive Interaktion mit der Welt durch Mäßigung". Auf die Frage eines amerikanischen Journalisten für die Chancen zur Beendigung der Dauerkonfrontation mit den USA erklärte der Geistliche: "Es handelt sich hier um eine alte Wunde, die der Heilung bedarf". Er kündigte Transparenz in der Atomfrage an und sprach sich für gegenseitigen Respekt in den Beziehungen zwischen dem Iran, seinen arabischen Nachbarstaaten und den westlichen Ländern aus.

Wollten Barack Obama und seine Amtskollegen in Großbritannien und Frankreich, David Cameron und Francois Hollande, Rohani beim Wort nehmen, dann könnten sie ihren Widerstand gegen den Vorschlag Rußlands aufgeben, den Iran zur Teilnahme an der geplanten Friedenskonferenz für Syrien, die irgendwann demnächst in Genf stattfinden soll, einzuladen. Durch die jüngste Entscheidung Washingtons, den syrischen Rebellen direkte militärische Hilfe zukommen zu lassen, und die Überlegung der NATO, eine Flugverbotszone über Syrien zu verhängen, besteht derzeit die Gefahr eines großen Regionalinfernos. Wie der langjährige, in Beirut lebende Nahost-Korrespondent Robert Fisk am 16. Juni im Londoner Independent on Sunday berichtete, soll der Iran bereits vor der Präsidentenwahl entschieden haben, 4000 Revolutionsgardisten nach Syrien zu entsenden, um den Truppen Baschar Al Assads den Rücken zu stärken. Die geplante Friedenskonferenz für Syrien ist vielleicht die letzte Chance, dort ein weit größeres Gemetzel als bisher zu vermeiden. Sollte sie jemals Erfolg haben, müssen die Vertreter Teherans eingeladen werden.

17. Juni 2013