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NAHOST/1258: Hosni Mubarak meldet sich aus dem Gefängnis zurück (SB)


Hosni Mubarak meldet sich aus dem Gefängnis zurück

Ägyptens Ex-Präsident gibt sich überraschend selbstbewußt und kämpferisch



Zwei Jahre nach dem Rücktritt Hosni Mubaraks als Präsident Ägyptens und ein Jahr nach der Wahl seines Nachfolgers Mohammed Mursi befindet sich das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt in einer schweren Krise. Der demokratische Aufbruch im Zuge des "arabischen Frühlings" hat am Nil nicht stattgefunden. Statt dessen haben Mursi und die Moslembrüder die Macht per Wahl übernommen und drangsalieren ihre politischen Gegner genauso wie einst Mubaraks alleinregierende Nationaldemokratische Partei (NDP). Die anhaltenden Demonstrationen der Opposition und die Übergriffe der mit der Moslembruderchaft verbündeten Salafisten auf Kopten und Säkularisten lähmen das Land und verschrecken potentielle ausländische Touristen. Nicht zuletzt deshalb liegt die ägyptische Wirtschaft am Boden.

Vor diesem Hintergrund ist es der ägyptischen Zeitung Al Watan gelungen, ein Interview mit Ex-Präsident Mubarak, der sich wegen Korruptionsverdachts vor Gericht verantworten muß und deshalb seit mehr als einem Jahr in einem Kairoer Gefängnis sitzt, zu führen. Wegen der Länge ist das ausgiebige Interview über zwei Tage, am 19. und am 20. Juni, bei Al Watan erschienen. Mubarak zeigt sich selbstbewußt, traurig über die Entwicklung seit seinem Rücktritt und erzählt interessante Einzelheiten über die entscheidende Phase im Januar und Februar 2011:

Obama hat mich zwei- oder dreimal angerufen. Ehrlich gesagt, ich wollte seine Anrufe nicht entgegennehmen. Doch am Ende habe ich es doch getan. Er fragte mich: "Wie sieht Ihre Lage jetzt aus?" Und noch bevor ich geantwortet hatte, sagte er schnell; "Ich denke, Sie sollten die Macht an eine Gruppe Politiker, darunter Mohamed Elbaradei abgeben."

Nach eigenen Angaben reagierte Mubarak auf den forschen und nicht besonders freundlichen Vorstoß des amerikanischen Amtskollegen wie folgt:

"Hören Sie mal zu, Obama, ich verstehe das ägyptische Volk besser als Sie, genauso wie Sie das amerikanische Volk besser als ich verstehen. Was das Volk Ägyptens betrifft, so nehme ich weder von Ihnen noch von irgend jemanden irgendwelche Befehle entgegen. Wenn die Menschen mich nicht haben wollen, dann werde ich sofort mein Amt niederlegen. Meine Aufgabe besteht darin, das ägyptische Volk vor der Lage zu warnen, in der es sich befindet." So ging das Gespräch zu Ende.

Der langjährige Präsident kritisierte die seit Ende 2011 regierende Moslembruderschaft, weil sie nach seiner Einschätzung "ein Problem mit dem modernen Zeitalter" hat, in volkswirtschaftlichen Belangen vollkommen unerfahren ist und einen pluralistischen Gesellschaftkonsens nicht herstellen kann. Für die USA und Israel hat er auch kein gutes Wort übrig:

Das Einzige, was die USA interessiert, ist in erster Linie die Sicherheit Israels zu garantieren. Mit diesem Ziel im Sinn haben sie stets Druck auf die Araber auszuüben versucht. Während meiner Amtszeit habe ich Israel einmal besucht, um anläßlich des Todes von [Premierminister Itzak] Rabin mein Beileid auszusprechen. Der Mann hatte sich für den Pfad des Friedens entschieden und uns den Gazastreifen vollständig gegeben. Deshalb haben die Israelis ihn getötet. Als ich das Land besuchte, um meinen Respekt zu bezeugen, haben sie mich gebeten, länger zu bleiben. Ich lehnte es ab und kehrte sofort nach Kairo zurück.

Auf die Frage nach seiner Beurteilung der aktuellen Lage in Ägypten erklärte er, er sei darüber "verärgert". Seinem Nachfolger Mursi lastete er an, daß dieser "offenbar gern in der Welt" herumreist, statt sich um die Bedürfnisse der Menschen im eigenen Land zu kümmern. Was die Kritik der Ägypter an der neuen Führung betrifft, so hatte Mubarak mit seinen Landsleuten wenig Mitleid. "Es sind diejenigen, die sie gewählt haben", sagte er lakonisch.

Er verwahrte sich gegen die Bezeichnung "abgesetzter Präsident" und beteuerte, es sei seine freiwillige Entscheidung gewesen, zurückzutreten, "um Menschenleben zu retten und Blutvergießen zu vermeiden." Er erklärte, er sei wohlauf und gedenke, den Kampf um die Rehabilitation fortzusetzen:

Sie wollen mich verspotten. Sie verlegen mich vom Krankenhaus ins Gefängnis, ins Gericht. Sie glauben, mich damit erniedrigen zu können, doch in meinem Leben habe ich viel mehr als das gesehen. Ich habe gekämpft, und als wir in der Armee waren, haben wir hart gearbeitet. In unserem Leben waren wir Leid gewöhnt. Heute lebe ich einfach und habe keine Angst.

22. Juni 2013