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NAHOST/1259: USA laden den Iran zu bilateralen Gesprächen ein (SB)


USA laden den Iran zu bilateralen Gesprächen ein

Zieht Washington Konsequenzen aus dem politischen Chaos in Ägypten?



Durch die Wahl des gemäßigten Hassan Rohani zum neuen iranischen Präsidenten am 14. Juli sind berechtigte Hoffnungen auf eine Entspannung zwischen Teheran und Washington aufgekommen. Die amerikanischen Gegner eines Rapprochements, die seit Jahren den Traum eines "Regimewechsels" in Teheran verfolgen und deshalb ein Dauerbrimborium um das nicht-existente "Atomwaffenprogramm" des Irans machen, haben entsprechend hysterisch auf die neue Lage reagiert. In den US-Medien warnten neokonservative Scharfmacher vor Rohani als vermeintlichem Wolf im Schafspelz, während im Kongreß ihre Gefolgsleute neue Sanktionen gegen die Islamische Republik, diesmal gegen die dortige Bergbauindustrie, verabschiedet haben. Nichtsdestotrotz hat die Regierung von US-Präsident Barack Obama die Gelegenheit zur Entspannung ergriffen und dem Iran ein Angebot zu bilateralen Gesprächen unterbreitet.

Washingtons Vorstoß ist deshalb bemerkenswert, weil die USA seit dem Sturz des Schahs, der Islamischen Revolution und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen 1979 fast ausschließlich nur zu Gesprächen mit Vertretern des Irans in multilateralen Zusammenhängen bereit waren. Zwar hat es inoffizielle Kontakte - Stichwort Iran-Contra-Skandal - aber keine direkten Gespräche der beiden verfeindeten Staaten gegeben. Dies könnte sich nun ändern. In einem Interview mit iranischen Medien bestätigte der Sprecher des US-Außenministeriums, Alan Eyre, am 4. Juli, daß Washington Teheran ein entsprechendes Angebot bezüglich der Aufnahme bilateraler Gespräche gemacht hat. Ein Interview mit Eyre erschien auf Englisch nur kurz auf der Website der iranischen Nachrichtenagentur Fars, bevor es dort wieder heruntergenommen wurde. Eine ins Persisch übersetzte Version des Interviews blieb jedoch auf anderen iranischen Webseiten stehen. Wie Jason Ditz am 4. Juli bei Antiwar.com berichtete, hat das State Department die Authentizität des Eyre-Interviews samt spektakulären Inhalts bestätigt.

Es dürften mehr Faktoren als nur die Wahl Rohanis sein, die zur Annäherung zwischen dem Iran und den USA führen. In Syrien ist der Versuch der USA, die Teheran-freundliche Regierung Baschar Al Assads durch eine pro-westliche zu ersetzen, gescheitert. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges in Syrien vor zwei Jahren haben auf Seiten der Opposition die gemäßigten säkularen Kräfte permanent an Boden verloren. Unter den Assad-Gegnern gibt die Moslembruderschaft, unterstützt von salafistischen Freiwilligen aus allen Teilen der islamischen Welt und darüber hinaus, den Ton an. Entsprechend streng nach der Scharia wird in den "befreiten" Teilen Syriens bei Aleppo im Norden an der türkischen Grenze und in der dünnbesiedelten Region entlang der Grenze zum Irak regiert.

Die Umwälzungen in Ägypten und die einjährige Präsidentschaft des Moslembruders Mohamed Mursi, die am 3. Juli durch einen, von breiten Teilen der Bevölkerung unterstützten Militärputsch zu Ende ging, dürften den USA und ihren NATO-Partnern zu denken gegeben haben. Entgegen allen Wahlversprechen, Präsident aller Ägypter zu sein, ist Mursi niemals richtig auf die christlichen Kopten, Säkularisten und gemäßigten Muslime zugegangen. Angeblich aus Rücksicht auf die radikalen Salafisten, die im Parlament seiner Moslembruderschaft zur Mehrheit verholfen hatten, drängte er Ägypten permanent in Richtung eines islamischen Gottesstaates. Höhepunkt des bedenklichen Regierungskurses war die Ernennung Adel Khayats, eines Mitglieds der Gamaa Islamiya, zum Gouverneur der Provinz Luxor. Anhänger jener radikalen Gruppe hatten in Luxor 1996 ein blutiges Massaker unter ausländischen Touristen angerichtet, das 50 Menschen das Leben kostete. Nicht umsonst reagierten viele Ägypter mit Entsetzen auf die Personalie - allen voran der Tourismus-Minister, der deswegen sein Amt niederlegte.

Mursis Teilnahme an einer Konferenz Mitte Juni in Kairo, bei der mehr als 70 radikale sunnitische Imame alle jungen ägyptischen Männer zur Teilnahme am Dschihad in Syrien aufriefen, soll für nicht wenige seiner Landsleute und Regierungsvertreter im Ausland das Faß zum Überlaufen gebracht haben. In diesem Moment sollen Presseberichten zufolge die Verantwortlichen in den USA erkannt haben, daß ihnen die Destabilisierung Syriens vollkommen außer Kontrolle zu geraten droht. Durch das Gesprächsangebot an Teheran und das vorläufige Ende der Herrschaft der Moslembruderschaft am Nil besteht nun vielleicht eine Chance, den sich zuspitzenden Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten - in Syrien, im Irak, im Libanon, im Jemen und in Bahrain - zu entschärfen: vorausgesetzt, es ist noch nicht zu spät dazu.

6. Juli 2013