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NAHOST/1368: Jemens Präsident Hadi bietet den Huthis die Stirn (SB)


Jemens Präsident Hadi bietet den Huthis die Stirn

Der Jemen an der Schwelle zum Bürgerkrieg?


Durch die gelungene Flucht des jemenitischen Präsidenten Abd Rabbuh Mansur Hadi am 21. Februar aus der Hauptstadt Sanaa, wo er sich seit Januar unter Hausarrest der schiitischen Huthi-Rebellen befand, nach Aden hat die politische Krise im Armenhaus Arabiens eine spektakuläre Wende genommen. Der Putsch der Huthis - die Einnahme von Sanaa im vergangenen September, die Festnahme von Hadi und seinem Kabinett einschließlich der Übernahme der staatlichen Institutionen im vergangenen Monat sowie die Auflösung des Parlaments am 6. Februar - könnte sich für sie als Pyrrhussieg erweisen. Vieles deutet darauf hin, daß ihr Aufstand gegen die Zentralregierung seinen Zenit überschritten hat. Die Huthis, die ihre Bewegung Ansar Allah nennen, werden sich entweder mit den anderen ethnischen, politischen und religiösen Kräften arrangieren, oder es kommt zu einem verheerenden Bürgerkrieg, der Jemen wie Syrien, den Irak und Libyen zugrunde richtet.

Bereits 2004 kam es im Norden Jemens zu einer Erhebung der jemenitischen Schiiten, angeführt von Hussein Badreddin Al Huthi, die bis 2007 andauerte. Das Friedensabkommen, das die Huthis 2008 mit der Regierung in Sanaa schlossen, hat sich seitdem immer wieder als brüchig erwiesen. Als 2011 infolge des Arabischen Frühlings Massenproteste im Jemen ausbrachen und 2012 der langjährige Präsident Ali Abdullah Saleh zurücktreten mußte, sahen sich die Huthis mit neuen Herausforderungen, allen voran mit der Ausbreitung der sunnitisch-salafistischen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), konfrontiert. Immer wieder gerieten diese beiden Gruppen aneinander. Die politische Instabilität im Jemen seit dem Austausch Salehs durch seinen ehemaligen Stellvertreter Hadi hat die Huthis im vergangenen Jahr dazu veranlaßt, ihre Hochburg im Gouvernement Saada zu verlassen, in Sanaa einzumarschieren und sich als die neue Ordnungsmacht aufzuspielen.

Die Machtergreifung, welche die Huthis mit dem Kampf gegen Korruption begründet hatten, hat jedoch nicht zur Verbesserung der allgemeinen Lage geführt. Wurde der Einzug der Huthi-Rebellen in Sanaa anfangs begrüßt, so sind die meisten Hauptstadt-Bewohner ihrer inzwischen überdrüssig. In den Augen vieler Jemeniten sind die vermeintlichen Befreier von einst sehr schnell zu Vertretern einer Willkürherrschaft geworden. Seit Wochen kommt es deshalb in Sanaa und anderen Städten zu Protesten gegen die Festnahme Hadis, die Auflösung des Parlaments sowie Übergriffe bewaffneter Huthi-Kämpfer gegen Zivilisten zum Beispiel bei Straßenkontrollen. Eher widerwillig haben die anderen politischen Parteien an den Gesprächen über die Pläne der Huthis für eine neue Verfassung sowie neue Präsidenten- und Parlamentswahlen teilgenommen. Das zunehmende Durcheinander in Sanaa hat zur Schließung sämtlicher Botschaften dort geführt. Nachdem vor Monaten Saudi-Arabien aus Protest gegen den Vormarsch der Huthis seine Finanzhilfe für Jemen in Höhe von vier Milliarden Dollar jährlich eingestellt hatte, hat am 18. Februar die Weltbank ihr Büro in Sanaa geschlossen und ihre ausländischen Mitarbeiter abgezogen.

Bereits am 16. Februar waren im südlichen Gouvernement Al-Baida bei schweren Kämpfen zwischen Huthi-Rebellen und sunnitischen Stammesmilizionären, die angeblich von AQAP-Mitgliedern unterstützt wurden, 26 Menschen ums Leben gekommen. Am darauffolgenden Tag haben die Gouverneure von drei südlichen der insgesamt 21 Gouvernements des Jemen - Aden, Lahidsch und Al-Mahra - mit anderen Politikern die Freilassung von Hadi samt Kabinett gefordert und sich zu dem Plan, der im vergangenen Jahr auf der National Dialogue Conference (NDC) beschlossen wurde, den Jemen zu einer Bundesrepublik bestehend aus nur noch sechs Provinzen zu machen, bekannt. Nach der Flucht nach Aden hat Hadi am 22. Februar, nach einem Treffen mit südlichen Gouverneuren und einer Reihe von ihm treuen Militärkommandeuren, bei einer Fernsehansprache erklärt, er sei immer noch Staatsoberhaupt. (Hadi hatte nach der Festnahme im Januar seinen Rücktritt erklärt, nur hatten sich die Abgeordneten geweigert, ihn anzunehmen, was unter anderem für die Huthis Anlaß gewesen ist, das Parlament aufzulösen.) In einem Telefonat mit dem UN-Sondergesandten für den Jemen, dem marokkanischen Diplomaten Dschamal Benomar, hat Hadi seine Bereitschaft, an einem friedlichen Ausweg aus der politischen Krise mitzuwirken, bekundet.

Leider stehen die Zeichen eher auf Sturm. Medienberichten zufolge bereiten die Huthis eine Offensive auf das Gouvernement Marib, wo ein Großteil des jemenitischen Gases und Öls gefördert wird, vor. Gleichzeitig droht der Golf-Kooperationsrat - bestehend aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten - damit, selbst im Jemen zu intervenieren. Am 16. Februar berichtete der Londoner Guardian, die Saudis ließen bereits sunnitische Stammeskrieger in Marib Waffen und Munition zukommen, während die Regierungen in Riad und Kairo über ein mögliches gemeinsames Vorgehen diskutierten.

In dem Zusammenhang soll die ägyptische Armee bereits eine mehrere tausend Mann starke Sondereingreiftruppe zusammengezogen haben. Für Ägypten ist es vor allem wichtig, daß der Zugang zum Roten Meer an der Meeresenge Bab Al-Mandab zwischen dem Jemen im Osten und Dschibuti im Westen für die internationale Schiffahrt offen bleibt. Dabei soll in Ägypten ein Militärengagement im Jemen gut überlegt sein. Als die Ägypter 1962 halfen, die tausend Jahre alte zaidistisch-schiitische Monarchie des Jemens zu stürzen, um sie durch eine säkulare Regierung nach Kairos Gnaden zu ersetzen, entwickelte sich daraus ein grausamer Krieg, der acht Jahre dauern, rund 200.000 Jemeniten und 20.000 ägyptische Soldaten das Leben sowie Gamal Abdel Nasser seinen Ruf als Befreier der arabischen Massen kosten sollte.

24. Februar 2015


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