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NAHOST/1383: Schwere Kämpfe in Aden - Der Jemen am Abgrund (SB)


Schwere Kämpfe in Aden - Der Jemen am Abgrund

Leiten Selbstmordanschläge auf Moscheen in Aden den Bürgerkrieg ein?


Die Hoffnungen auf eine Beilegung der politischen Krise in Jemen, die durch die Aufnahme von Gesprächen zwischen der vom Iran unterstützen schiitischen Huthi-Rebellen und der Regierung Saudi-Arabiens, dem wichtigen ausländischen Verbündeten von Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, haben sich zerschlagen. Am 19. März kam es am Flughafen der Stadt Aden, wohin Hadi im Februar geflohen war, zu heftigen Kämpfen, die 13 Menschen das Leben kosteten. An dem mehrstündigen Feuergefecht waren Anhänger Hadis und Streitkräfte beteiligt, die dem früheren langjährigen Präsidenten des Jemen, Ali Abdullah Saleh, der mit den Huthis offenbar paktiert, gegenüber loyal sind. Zuvor hatten unbekannte Flugzeuge mehrere Bomben auf die aktuelle Residenz Hadis im Süden der Hafenmetropole abgeworfen. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs war der Präsident aber nicht anwesend. Es entstanden lediglich Sachschäden.

Der 74jährige Saleh hat sich offenbar immer noch damit nicht abgefunden, daß man ihn 2011 nach landesweiten Massenprotesten zum Rücktritt gezwungen hat. Der nicht ganz freiwilligen Machtübergabe Salehs an seinen damaligen Stellvertreter Hadi standen die USA und der Golf-Kooperationsrat, bestehend aus Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, Pate. Beobachter geht davon aus, daß es den Huthis, deren Hauptsiedlungsgebiet im Norden Jemens liegt, im letzten September nur deshalb gelungen ist, die Hauptstadt Sanaa zu erobern, weil sich wichtige Einheiten der Streitkräfte passiv verhalten haben. Inzwischen üben die Huthis, die rund 30 Prozent der Bevölkerung des Jemens ausmachen, in neun von 21 Gouvernements die Herrschaft aus.

Im Januar hatten die Huthis Hadi und die gesamte Regierung in Sanaa unter Hausarrest gestellt. Nachdem sich der Präsident im Februar nach Aden absetzen konnte, gelang auch Verteidigungsminister General Mahmud Al Subaihi Anfang März der Ausbruch. Seitdem baut Hadi Aden zur Alternativhauptstadt aus. Als Zeichen der Solidarität haben die Staaten des Golf-Kooperationsrats ihre Botschaften in Sanaa geschlossen und nach Aden verlegt. Vor wenigen Tagen haben sich Hadi-Anhänger, sunnitische Stammesanführer, Vertreter der demokratischen Reformbewegung und südliche Separatisten zu einer Anti-Huthi-Front namens Nationale Rettungsallianz zusammengeschlossen.

Hadis Konsolidierung seiner Position im Süden des Jemens stand jedoch die Präsenz einer Garnison von mehreren tausend Spezialstreitkräften in Aden, die dem Befehl von General Abdel Hafes Al Sakkaf, einem Vertrauensmann Salehs, folgen, im Wege. Am 12. März kam es im Stadtzentrum zu einer ersten blutigen Schießerei zwischen den Soldaten Sakkafs und den Sicherheitskräften Hadis, die drei Menschen das Leben kostete. Es waren auch Sakkafs Männer, die am 19. März den internationalen Flughafen von Aden erstürmten. Sie behaupten, die Operation nur deshalb unternommen zu haben, weil zuvor vom Flughafengelände Schüsse auf sie abgefeuert worden seien. Dagegen spricht die zeitliche Nähe des Überfalls auf den Flughafen zum Luftangriff auf die Residenz Hadis. Angeführt wurden die Truppen, welche die Eindringlinge vom Flughafen vertrieben, von Verteidigungsminister Al Subaihi persönlich. Anschließend warf Hadi Saleh und den Huthis indirekt vor, einen "Putschversuch" unternommen zu haben.

Was die Urheberschaft des Luftangriffs auf den Präsidentenpalast betrifft, so berichtete noch am selben Tag der Nachrichtensender Sky News Arabia, daß die Flugzeuge vom Luftwaffenstützpunkt Al Dulaimi bei Sanaa gestartet seien. Die Huthis hatten die komplette Führungsspitze der jemenitischen Luftwaffe am 16. März wegen Befehlsverweigerung ausgetauscht. Da die Huthi-Bewegung, die sich selbst Ansar Allah nennt, über keine eigene Luftwaffe verfügt, geht man davon aus, daß es Saleh-treue Piloten waren, die am Steuer der unmarkierten Kampfjets über Aden saßen.

Als Geste des guten Willens hatten die Huthis ebenfalls am 16. März Premierminister Khaled Bahah und die restlichen, seit Januar unter Hausarrest befindlichen Kabinettsmitglieder freigelassen. Berichten zufolge ist Bahah gleich nach Saudi-Arabien gereist mit dem Ziel, sich zu seiner Familie, die in New York lebt, zu begeben. Auf seiner Facebook-Seite rief Bahah die politischen Parteien in seinem Heimatland, dem er jetzt aus Angst um das eigene Leben den Rücken kehrte, zur Dialogbereitschaft auf. Er warnte vor "schlimmen Konsequenzen", sollte der demokratische Übergangsprozeß nicht weiter verfolgt werden.

Leider scheint die Entwicklung im Jemen Richtung Bürgerkrieg unaufhaltsam zu sein. Einen Tag nach den Kämpfen am Adener Flughafen kam es in Sanaa zu einem verheerenden Mehrfachanschlag, der 137 Menschen tötete und weitere 345 verletzte. Während des Freitagsgebets haben sich drei Selbstmordattentäter unter die Besucher zweier hauptsächlich von zaiditischen Huthis benutzten Moscheen in Zentrum Sanaas gemischt und dort in die Luft gejagt. Die Explosion zweier Sprengstoffgürtel in der Badr-Moschee rissen laut Al Jazeera unter anderem den dortigen Imam sowie einen führenden religiösen Gelehrten der Huthis, Al Murtada Bin Zaid Al Muhatwari, in den Tod. Bei den Anschlägen sollen zwei wichtige Anführer der Huthi-Bewegung, Taha Al Mutawakki und Khalid Madani, schwer verwundet worden sein. Gegenüber Al Jazeera machte Huthi-Vertreter Mohammed Al Bukhaiti Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel für die schreckliche Tat verantwortlich. Am selben Abend bekannte sich der Islamische Staat (IS) zu dem Anschlag und kündigte weitere an. Die Antwort der Huthis auf die Aktion der sunnitisch-salafistischen Fundamentalisten dürfte nicht lange auf sich warten lassen.

21. März 2015


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