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NAHOST/1479: Washington, London und Riad fördern Terror im Jemen (SB)


Washington, London und Riad fördern Terror im Jemen

Vermeintliche Feuerwehr entpuppt sich wieder als Brandleger


Seit eineinhalb Jahr versucht eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition neun sunnitischer Staaten im Jemen vergeblich den von schiitischen Rebellen gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder an die Macht zu hieven. Riads Militärallianz kontrolliert zwar Aden und weite Teile des Südens und Ostens, hat jedoch die Huthis, die den Norden und Westen beherrschen, nicht bezwingen können, weil sich diese mit den regulären jemenitischen Streitkräften verbündet haben, die zu weiten Teilen gegenüber dem langjährigen Präsidenten Ali Abdullah Saleh - Hadis Erzfeind - treu geblieben sind. Der Krieg im Armenhaus Arabiens hat unsägliches Leid verursacht. Rund 10.000 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten, sind bereits gewaltsam ums Leben gekommen. Millionen von Menschen sind auf der Flucht vor den Kämpfen. Etwa zwei Drittel der rund 28 Millionen Yemeniten befinden sich in einer prekären humanitären Lage oder sind vom Hungertod bedroht.

Vom anhaltenden Kriegsgeschehen im Jemen profitieren vor allem die USA und Großbritannien, die wichtigster Waffenlieferanten der reichen Petromonarchien am Persischen Golf. Amerikanische und britische Rüstungsunternehmen können sich vor Milliarden Dollar schweren Nachschubbestellungen ihrer saudischen, emiratischen und katarischen Partner kaum retten. Verbindungsoffiziere der amerikanischen und britischen Streitkräfte arbeiten im Kommandozentrum in Saudi-Arabien an der Kriegsplanung mit. Kampfjets aus Saudi-Arabien und den anderen Staaten des Golfkooperationsrats werden in der Luft von US-Tankflugzeugen mit Treibstoff versorgt, während US-Militärsatelliten die Zielkoordinaten für die Angriffe liefern. Westliche Techniker sorgen auf Luftwaffenstützpunkten in Saudi-Arabien für die Wartung und Instandsetzung der von ihren Unternehmen gelieferten Kriegsmaschinerie, während ausländische Söldner im Auftrag westlicher Sicherheitsunternehmen, vornehmlich aus den USA und Großbritannien, am Boden mitkämpfen. Ende April, Anfang Mai ist sogar offiziell eine erste Einheit von Spezialstreitkräften in der Hafenstadt Al Mukalla, Hauptstadt des östlichen Gouvernements Hadramaut, an Land gegangen. Von dort aus sollen sie den Kampf gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel koordinieren.

Bei näherer Betrachtung fällt es jedoch schwer, den "Antiterrorkrieg" des Westens im Jemen ernst zu nehmen. Nach dem Beginn von Operation "Entscheidender Sturm" haben Angehörige von Al Qaeda in the Arabian Peninsula (AQAP) rund ein Jahr lang Al Mukalla verwaltet, die dortige Dependence der Zentralbank geplündert, verhaftete Gesinnungsgenossen aus dem Gefängnis befreit und sogar bei ausländischen Frachtern Hafengebühren eingetrieben. Als Ende April die Hadi-Truppen mit Hilfe von Soldaten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten den Spuk beendeten, ging die Übergabe Al Mukallas reibungslos vonstatten. Nach Vermittlungsgesprächen irgendwelcher sunnitischen Persönlichkeiten haben sich die AQAP-Kämpfer einfach zurückgezogen. Die Nachrichtenmeldung von 800 getöteten Terroristen bei der Einnahme der Stadt hatte mit der Wirklichkeit nichts zu tun und sollte nur den Schein wahren.

Vor kurzem sind monatelange Friedensverhandlungen in Kuwait zwischen Vertretern von Hadis im saudischen Exil befindlichen Regierung und dem Huthi-Saleh-Zweckbündnis gescheitert. Der Friedensplan des mauretanischen UN-Sondervermittlers Ismail Ould Cheikh Ahmed deckte sich mit der von den USA letztes Jahr durchgepeitschten Resolution des UN-Sicherheitsrat 2216 und sah den vollständigen Abzug der Huthi- und Saleh-Leute aus allen Gebieten, einschließlich der Hauptstadt Sanaa, die sie seit Mitte 2014 eingenommen hatten, vor und verlangte von den Hadi-Gegnern zudem die Übergabe aller schweren Waffen. Wenig überraschend haben die Huthis und Salehs Getreue Cheikh Ahmeds einseitigen Entwurf als Kapitulation ihrerseits abgelehnt.

Während nun US-Außenminister John Kerry die Huthis für die anhaltenden Kämpfe im Jemen verantwortlich macht und sein saudischer Amtskollege Adel Al Dschubeih alle Welt von den vermeintlichen Umtrieben des Irans dort zu überzeugen versucht, scheint sich in Washington, London und Riad niemand auch nur im geringsten daran zu stören, welche terroristischen Verbindungen die eigenen jemenitischen Schützlinge haben. In einem Artikel, der am 9. September auf der Website des renommierten Carnegie Institute for International Peace unter der Überschrift "Saudi-Backed Extremists Fueling Yemeni Outrage" erschien, hat der jemenitische Journalist Nasser Arabyee sensationelle Angaben über die Zusammensetzung der Hadi-Regierung gemacht, die jedoch in der westlichen Berichterstattung kein Echo fanden. Demnach stehen drei politische Verbündete Hadis wegen nachgewiesener Nähe zum Al-Kaida- "Netzwerk" als "globale Terroristen" auf der entsprechenden Liste des US-Finanzministeriums. Genannt wurden Abdul Madschid Al Zindani, Nayif Salih Salim Al Qaysi, den Hadi im Dezember 2015 zum Gouverneur von Baida ernannte, und Abdul Wahhab Humayqani, der letztes Jahr als Abgesandter Hadis an einer früheren Runde von Friedensverhandlungen in Genf teilnahm. Vor diesem Hintergrund dürfte Arabyee mit seiner ernüchternden Einschätzung, wonach Al Kaida und die sunnitischen Extremisten im Jemen, unabhängig von allen anderen Entwicklungen, gestärkt aus dem Krieg dort hervorgehen werden, wahrscheinlich richtig liegen.

17. September 2016


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