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NAHOST/1541: Großoffensive der Hisb Allah gegen IS und Al Nusra (SB)


Großoffensive der Hisb Allah gegen IS und Al Nusra

Hisb-Allah-Miliz nutzt schwierige Lage der Rebellen in Syrien aus


Seit Monaten verzeichnet die Syrische Arabische Armee (SAA) mit Hilfe russischer Streitkräfte große Geländegewinne auf Kosten der Aufständischen. Im Rahmen des Astana-Friedensprozesses, an dem auch Rußland, die Türkei und der Iran als Schirmherrn beteiligt sind, hat die Regierung in Damaskus eine Reihe von Waffenstillständen mit gemäßigten Rebellenformationen schließen können. Dadurch ist der Krieg im Westen Syriens weitgehend, aber nicht ganz, zum Erliegen gekommen. Der Hauptkonflikt hat sich in den bevölkerungsarmen, stark von Wüste geprägten Osten verlagert, wo vom Norden her die syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) mit Hilfe der USA und vom Westen her die SAA gerade dabei sind, die "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) aus ihren bisherigen Hochburgen Rakka respektive Deir ez-Zor zu vertreiben.

Die derzeitige militärische Schwäche der syrischen Rebellengruppen nutzt nun die schiitisch-libanesische Hisb-Allah-Miliz für eine großangelegte Offensive, mittels derer die gebirgige Grenzregion zwischen dem Libanon und Syrien von den sunnitischen Dschihadisten befreit werden soll. Im Mittelpunkt der Hisb-Allah-Offensive, die am 21. Juli begonnen hat, steht die Kleinstadt Arsal in der Region Baalbek. In der umliegenden Gegend haben sich in den letzten Jahren IS-Freiwillige sowie Kämpfer der Al-Nusra-Front eingenistet. Diese al-kaida-nahe Formation hat sich 2016 in Jabhat Fatah Al Sham (JFS) umbenannt.

2014 hatte die Al Nusra Front Arsal gestürmt und fünf Tage lang besetzt gehalten. Bei dem durch die libanesische Armee erzwungenen Rückzug haben die Aufständischen 30 Polizisten und Soldaten als Geiseln genommen, die sie gegen im Libanon gefangengehaltene Gesinnungsgenossen austauschen wollten. Doch dazu kam es nicht, weil sich die Regierung in Beirut weigerte, darüber zu verhandeln. Vier der Geiseln wurden von ihren Peinigern getötet - einer sogar geköpft; ein Fünfter starb infolge von Verletzungen, die er sich bei den Kämpfen um Arsal zugezogen hatte. Als Zeichen des guten Willens wurden im Dezember 2015 16 Geiseln freigelassen. Neun weitere sollen sich noch in den Händen der JFS befinden. Ob sie tatsächlich noch am Leben sind, wissen nur ihre Entführer.

An 4. Juli führte die libanesische Armee auf der Suche nach versteckten JFS-Mitgliedern und Waffen ein Razzia in dem Flüchtlingslager vor den Toren Arsals durch, wo rund 45.000 arme Syrer unter schwierigsten Bedingungen hausen. Bei der Aktion wurden die Soldaten von Selbstmordattentätern empfangen. Insgesamt kamen elf Menschen ums Leben, darunter auch ein vierjähriges Mädchen, das von einem gepanzerten Truppentransporter überfahren wurde. Vier syrische Männer, die der Mitgliedschaft von IS bzw. JFS verdächtigt wurden, sind nach der Gefangennahme von libanesischen Militärangehörigen so schwer mißhandelt worden, daß sie ihren Verletzungen erlagen. Jedenfalls scheint der blutige Vorfall im Flüchtlingslager bei Arsal die Regierung in Beirut dazu veranlaßt zu haben, der Hisb Allah grünes Licht für deren schon länger geplante Offensive zur Sicherung der libanesisch-syrischen Grenze im Raum Baalbek und der eigenen Verbindungsrouten nach Damaskus zu geben.

Im Vorfeld der Hisb-Allah-Operation soll den Aufständischen bei Arsal freies Geleit in das nördlich von Baalbek gelegene syrische Gouvernement Idlib, das sich nach wie vor fast komplett in Rebellenhand befindet, zugesichert worden sein. Auf das Angebot ist jedoch niemand eingegangen, vielleicht deshalb, weil derzeit in Idlib ein mörderischer Bruderkampf zwischen JFS und der Gruppe Ahrar Al Scham tobt. Wie dem auch sei. Während die libanesische Armee die Zufahrtsstraßen nach Arsal sichert, gehen die Hisb Allah auf ihrer Seite der Grenze und die SAA auf der anderen gemeinsam gegen die Aufständischen vor. Inwieweit sich die Luftangriffe der SAA auf Ziele auf der syrischen Seite der Grenze beschränken ist unklar. Laut Reuters hatte die Hisb Allah zuletzt 130 getötete Dschihadisten und 19 eigene Gefallene gemeldet und stand nach eigener Einschätzung kurz vor dem Abschluß der Militäraktion.

25. Juli 2017


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