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USA/1191: Streit um Telefonüberwachung überdauert Bushs Amtszeit (SB)


Streit um Telefonüberwachung überdauert Bushs Amtszeit

Skandal um illegales NSA-Programm immer noch nicht ganz vertuscht


Entgegen anderslautender Erwartungen seitens Regierungskritikern in den USA hat George W. Bush am Ende seiner zweiten und letzten Amtszeit Irv Lewis Libby, Vizepräsident Dick Cheneys ehemaligen Stabschef, der 2007 wegen seiner Rolle bei der Enttarnung der CIA-Undercover-Agentin Valerie Plame, Ehefrau des profilierten Irakkriegsgegners Joseph Wilson, vier Jahre zuvor der Falschaussage, der Justizbehinderung und des Meineids schuldig gesprochen und zu einer eineinhalbjährigen Haftstrafe auf Bewährung sowie einer saftigen Geldstrafe verurteilt worden war, nicht begnadigt. Der scheidende Präsident hat ebenfalls gegenüber Steven Rosen und Keith Weissman von der mächtigen pro-israelischen Lobby-Gruppe AIPAC, die seit 2005 wegen Spionage "für eine ausländische Macht" unter Anklage stehen und deren Maulwurf im Pentagon, Larry Franklin, bereits 2006 zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwölf Jahren verurteilt wurde, keine Gnade walten lassen und damit die Möglichkeit offengelassen, daß sich die beiden Zionisten demnächst vor Gericht werden verantworten müssen.

Dafür hat Bush mit einer seiner allerletzten Amtshandlungen erneut versucht den Skandal um das von ihm 2001 verordnete Ausspionieren des Telefon- und E-Mail-Verkehrs in den USA durch die National Security Agency unter den Teppich kehren zu lassen. Dies geht aus einem Bericht hervor, der am 20. Januar auf der Website der US-Elektronikzeitschrift Wired unter der Überschrift "In Final Legal Act, Bush Appeals Spy Ruling" veröffentlicht wurde. Demnach hat die Bush-Regierung um 22.56 Uhr Ostküstenzeit am 19. Januar, 13 Stunden vor der Vereidigung Barack Obamas als neuen Präsidenten, beim Richter Vaughn Walker vom 9. Bezirksgericht in San Francisco Einspruch gegen dessen Entscheidung vom 5. Januar eingelegt, die Klage der beiden Anwälte Wendell Belew und Asim Ghafoo, die sich als Opfer des illegalen Spionageprogramms im Innern sehen, zuzulassen. Wenn es nach Bush geht, soll Walker der US-Regierung gestatten, seine Entscheidung vor dem Berufungsgericht des 9. Bundesbezirks anzufechten.

Der Fall Belew und Ghafoo ist deshalb von großer Bedeutung, weil diese beiden bisher die einzigen Personen sind, die eventuell in der Lage wären, nachzuweisen, daß ihr Telefon- und E-Mail-Verkehr tatsächlich abgehört und ausgewertet worden ist. Bei allen anderen Personen und Gruppen, die nach der spektakulären Enthüllung der nicht verfassungskonformen NSA-Operation Ende 2005 durch die New York Times versucht haben juristisch dagegen vorzugehen und mehr darüber zu erfahren, stützten sich die Klagen auf Indizien und keine handfesten Beweise. Belew und Ghafoo dagegen waren in den Besitz eines Geheimdokuments aus dem Finanzministerium gelangt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß sie 2004, als sie eine islamische Wohltätigkeitsvereinigung namens Al-Haramain anwaltlich vertraten, elektronisch ausspioniert wurden. Bis zuletzt hat die Bush-Regierung versucht eine Erörterung der Bedeutung jenes Dokuments vor Gericht zu verhindern, weil dies angeblich die "nationale Sicherheit" der USA beeinträchtigte.

Der Kampf Belews und Ghafoos bietet vielleicht die allerletzte Chance, mehr über das wahre Ausmaß des NSA-Programms zu erfahren, denn durch ein Gesetz, das letztes Jahr durch Repräsentantenhaus und Senat gebracht wurde, erhielten die beteiligten Telekomunternehmen rechtliche Immunität, womit auf einen Schlag die restlichen Klagen in diesem Zusammenhang wie beispielsweise die der American Civil Liberties Union (ACLU) gegenstandslos geworden waren. Die große Einmütigkeit, mit der die allermeisten Kongreßabgeordneten und Senatoren - darunter auch Barack Obama trotz anderslautender Versprechen - im letzten Sommer das Immunitätsgesetz verabschiedet haben, hat einen einfachen Grund. Es gibt glaubhafte Hinweise, wonach das NSA-Programm sowohl nicht - wie stets behauptet - erst nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001, sondern gleich nach dem Einzug Bushs ins Weiße Haus Anfang desselben Jahres ins Leben gerufen wurde, als auch sich nicht nur gegen Personen richtete, die von den USA mit "Terroristen" im Ausland elektronisch kommunizierten, sondern gegen alle Telefon- und E-Mail-Nutzer Amerikas.

Für die Richtigkeit dieses Verdachts sprechen Äußerungen, die Russell Tice bei einem Auftritt am 21. Januar in der Sendung Countdown des US-Nachrichtensenders MSNBC machte. Tice, ein ehemaliger Mitarbeiter der NSA, war die wichtigste Quelle für jenen berühmten NYT-Artikel mit der Überschrift "Bush Lets U.S. Spy on Callers Without Courts", mit dem am 16. Dezember 2005 die Reporter James Risen und Eric Lichtblau den ganzen Skandal losgetreten hatten. Gegenüber dem Countdown-Moderator Keith Olbermann beschrieb Tice den Umfang der illegalen Spionageoperation wie folgt: "Die National Security Agency hatte Zugang zu allen Kommunikationen eines jeden US-Bürgers - ihre Faxe, Telefonanrufe und Computerkommunikationen. Es spielte keine Rolle, ob man in Kansas mitten auf dem Lande war und niemals mit dem Ausland kommuniziert hatte. Sie haben alle Kommunikationen überwacht." Während der Bush-Ära wurden alle Versuche Tices, eine Vorladung zur Aussage vor dem Kongreß zu erhalten, blockiert. Nach dem Machtwechsel in Weißen Haus hofft der Ex-NSA-Mann, sich endlich Gehör bei den Politikern in Washington zu verschaffen. Doch daß dies Tice gelingt, ist ebenso wenig wie eine umfassende gerichtliche Behandlung der Klage Belews und Ghafoos gegen die US-Regierung zu erwarten.

23. Januar 2009