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USA/1231: Pentagon geht aus Super Bowl XLIV als Sieger hervor (SB)


Pentagon geht aus Super Bowl XLIV als Sieger hervor

Amerikas Vietnam-Trauma endlich ad acta gelegt


Der Rummel um den Super Bowl, das Endspiel um die Meisterschaft des amerikanischen Footballs in den USA, ist jedes Jahr gigantisch. Am Austragungsort herrscht, da das Spiel seit den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 als National Special Security Event gilt und von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen begleitet wird, höchste Alarmstufe. Der Super Bowl ist auch traditionell die Fernsehsendung mit dem größten Publikum des Jahres. Es schauen auch Millionen Amerikaner rein, die zwar am Football nicht das geringste Interesse haben, sich jedoch die Sonderspots, welche internationale Konzerne mit viel Aufwand extra für die Pausen während dieses Spiels gedreht haben, und die Halbzeit-Show mit ihren Lieblingspopstars nicht entgehen lassen wollen.

Die breitere kulturelle Relevanz dieses modernen Circus Maximus für die amerikanische Gesellschaft kann nicht unterschätzt werden. Dies zeigte sich besonders deutlich Anfang 2002 beim Super Bowl XXXVI, als Amerika noch unter dem Schock der Anschlägen vom 11. September stand und die irische Rockgruppe U2, die für ihr religös-angehauchte Rumdudelei berühmt ist, während der Halbzeit-Show einen riesigen schwarzen Vorhang, auf dem in weißen Buchstaben die Namen aller fast 3000 Opfer des 9/11-Angriffs zu lesen waren, hinter der Bühne aufziehen ließ. Inwieweit diese musikalisch-theatralische Verarbeitung der traumatischen Ereignisse von New York, Arlington und Shanksville der amerikanischen Psyche tatsächlich "closure" verschaffte, ist nicht bekannt.

Einen handfesten Skandal mit nachhaltiger Wirkung lieferte 2004 die Halbzeitshow des Super Bowl XXXVIII, als bei einer Tanz- und Gesangsnummer der Boy-Group-Nachwuchstar und Möchtegern-Hiphopper Justin Timberlake die eine Seite der schwarzen Lederjacke seiner musikalischen Partnerin, der alternden Soul-Prinzessin Janet Jackson, wegriß und dabei deren rechte Brust entblößte. Konservative Medienkommentatoren und Politiker waren entsetzt und malten den moralischen Untergang der USA an die Wand. Die staatliche Federal Communications Commission (FCC) verhängte gegen den verantwortlichen Sender CBS eine Strafe in Höhe von 550.000 Dollar und führte neue Regeln zum Schutz vor Anstößigkeit im Fernsehen ein. Die National Football League erteilt dem Musiksender MTV, der für die umstrittene Choreographie verantwortlich war, ein Dauerverbot jedweder Beteiligung an der Super-Bowl-Halbzeitschau. Jackson und Timberlake entschuldigten sich öffentlich, letzterer mit der Behauptung, nur die Lederacke sollte zur Seite gezogen werden, der Büstenhalter sei einfach gerissen, es habe sich um eine "wardrobe malfunction" gehandelt.

Eine ständige Begleiterscheinung des Super Bowl stellt seit dem 11. September, der Ausrufung des "globalen Antiterrorkrieges" durch Präsident George W. Bush und den Einmärschen in Afghanistan und im Irak das militärische Brimborium dar. Folglich hat man es beim Super Bowl mit einer patriotischen Jubelorgie erste Güte zu tun. Dazu gehören die Kampfjets, die über das Stadion rasen, die Militärkapellen, die vor dem Anpfiff auf dem Rasen auf und ab marschieren, die Gedenkworte für gefallene Soldaten und Soldatinnen und die Grußbotschaften an alle Militärs, die in Übersee stationiert und von dort aus live zugeschaltet sind, und der stets vor Pathos triefend obligatorische Gesang der Nationalhymne "The Star Spangled Banner" vor dem Spiel. Die Version, die Whitney Houston vor dem Super Bowl XX im Frühjahr 1991, mitten während des Golfkrieges, vortrug, gilt als die beste in der Geschichte des amerikanischen Football-Meisterschaftspiels.

Vor diesem Hintergrund liegen die einen, welche die Bedeutung des diesjährigen Super Bowl im 31-zu-17-Punkte-Sieg der New Orleans Saints über die Indianapolis Colts sehen und daraus den symbolischen Auftakt zum Wiederaufstieg der Metropole an der Mississippi-Mündung nach der verheerenden Überschwemmungskatastrophe infolge des Hurricanes Katrina 2004 herleiten, genauso wie die anderen, welche die Frage, ob Audi, Budweiser oder die Luftwaffe der US-Nationalgarde mit ihrem jeweiligen Werbespot für die meiste Aufmerksamkeit der amerikanischen Konsumenten gesorg hat, daneben. Der wichtigste kulturelle Aspekt des jüngsten Super Bowl ist die Tatsache, daß er mit einem Fernsehpublikum von 106,5 Millionen den bisherigen Zuschauerrekord gebrochen hat, welchen die Erfolgserie M*A*S*H in ihrer Schlußsendung 1983 aufgestellt hatte. Die Tragiekomödie MASH, die vom Leben einer Gruppe Ärzte im Feldlazarett im Koreakrieg handelt, war bekanntlich die Antikriegsserie schlechthin und eine Reverenz Hollywoods an die damalige Friedensbewegung. Daß sie nicht mehr den ersten Platz der meistgesehensten Fernsehsendungen der USA belegt, ist ein großer medientechnischer Sieg für das Pentagon und ein kultureller Dammbruch.

10. Februar 2010