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USA/1244: Obama-Regierung hält an Bushs Antiterrorkrieg fest (SB)


Obama-Regierung hält an Bushs Antiterrorkrieg fest

Richard Holbrooke beschwört die islamistische Weltbedrohung


Ungeachtet aller Wahlkampfversprechungen des Jahres 2008 bezüglich einer weniger aggressiv-unilateralistisch ausgerichteten US-Außenpolitik weigert sich Präsident Barack Obama, den "globalen Antiterrorkrieg" seines Vorgängers George W. Bush in Frage zu stellen. Obama hat ein paar kosmetische Änderungen vorgenommen. Das Gefangenenlager Guantánamo Bay soll - irgendwann einmal - geschlossen werden; die Zahl der im Irak stationierten US-Soldaten ist stark reduziert worden; die CIA darf nicht mehr mutmaßliche "Terroristen" in eigenen Geheimgefängnissen foltern. Dafür forciert Obama den Krieg in Afghanistan und weitet ihn mittels Drohnenangriffe und des Einsatzes von Spezialstreitkräften auf das Grenzgebiet von Pakistan sowie auf Jemen, Stammland der Familie von Osama Bin Laden, aus.

Wie wenig sich in der Vorstellungswelt der Machtelite in Washington seit dem Einzug Obamas ins Weiße Haus wirklich verändert hat, zeigen Äußerungen Richard Holbrookes, der während der Kriege im ehemaligen Jugoslawien als US-Chefdiplomat Bill Clintons auf dem Balkan zu Weltruhm gelangte und jetzt unter dessen Frau Hillary Clinton, Obamas Außenministerin, als Sonderbeauftragter für die Region Af-Pak agiert. Unmittelbar nach der großen Afghanistan-Konferenz am 20. Juli in Kabul, wo er sich für die "Reintegration" von Aufständischen der unteren und mittleren Ebene, sofern diese der Gewalt abschwören, jedoch gleichzeitig gegen eine "Versöhnung" der Regierung Hamid Karsais mit Mullah Mohammed Omar und der Taliban-Führungsebene aussprach, flog Holbrooke nach Islamabad zu zweitägigen Beratungen mit den politischen und militärischen Verantwortlichen Pakistans.

Auf einer Pressekonferenz am 22. Juli in Islamabad beklagte Holbrooke die Verbindungen des pakistanischen Geheimdienstes Inter-Services Intelligence Directorate (ISI) zu den Taliban. Auf die Frage nach der Gefährlichkeit des Haqqani-Netzwerks, dessen Kämpfer vom pakistanischen Nordwasiristan aus am Krieg gegen die NATO in Afghanistan teilnehmen, und von der Lashkar-e-Taiba (LeT), die für eine Loslösung Kaschmirs von Indien eintritt und für zahlreiche Anschläge, auch die in Mumbai Ende 2008, verantwortlich gemacht wird, holte Holbrooke zum Rundumschlag aus. "Die LeT stellt eine genauso große Bedrohung wie Al Kaida dar. Die LeT, Al Kaida und Taliban arbeiten so eng wie noch niemals zuvor zusammen. ... Ihr langfristiges Ziel besteht darin, die westliche Zivilisation zu zerstören und eine Krise zwischen Pakistan und Indien zu verursachen."

Bis auf den Teil über Indien und Pakistan ist das natürlich absoluter Humbug. Wie der US-Politikwissenschaftler Robert Pape nach der bisher umfassendsten Untersuchung des Phänomens der Selbstmordanschläge in seinem 2005 erschienen Buch "Dying to Win: The Strategic Logic of Suicide Terrorism" feststellte, gibt es "wenig Verbindung zwischen Selbstmordterrorismus und islamischem Fundamentalismus oder irgendeiner der Weltreligionen ... Eher ist es das spezifische, strategische Ziel, die modernen Demokratien dazu zu zwingen, ihre Streitkräfte von deren Territorien abzuziehen, das fast alle Selbstmordanschläge gemein haben."

Bestätigung für die These Papes lieferte am 20. Juli Lady Eliza Manningham-Buller, bis vor kurzem Chefin des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5, bei einem Auftritt vor der Chilcot-Untersuchungskommission zum Thema der Hintergründe des Irakkrieges. Auf Befragung erklärte Manningham-Buller, daß sie persönlich den damaligen britischen Premierminister Tony Blair gewarnt habe, daß die Invasion zu einer Radikalisierung der Muslime nicht nur in Großbritannien führen würde. Darüber hinaus sagte sie aus, daß es keinerlei Beweise für die Existenz von irakischen Massenvernichtungswaffen oder von Verbindungen Saddam Husseins zum Al-Kaida-"Netzwerk" Bin Ladens gab.

Von den tatsächlichen Erkenntnissen des MI5, des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6 oder selbst der CIA wollten weder Blair noch die Führung der Bush-Regierung etwas wissen; statt dessen vertrauten sie auf die eigenen Verschwörungstheorien und ließen unter Donald Rumsfeld im Pentagon eine "alternative Geheimdiensteinheit" einrichten, welche Bestätigung für die ihnen gefälligen Bedrohungszenarien lieferte, so Manningham-Buller. In dem Zusammenhang sprach sie von "Teilen der amerikanischen Maschine", die sich gegen jedwede Aufklärung durch die Geheimdienste als resistent erwiesen hätten. Zu einem der führenden Exponaten für diese innerhalb der Obama-Regierung noch virulente, neokonservative Geisteskrankheit gehört eindeutig Richard Holbrooke.

24. Juli 2010