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USA/1251: CIA in Sorge um den Export von US-Terrorismus? (SB)


CIA in Sorge um den Export von US-Terrorismus?

Jüngste Wikileaks-Veröffentlichung stößt auf wenig Resonanz


Am 25. August hat das Internetportal Wikileaks ein Geheimpapier der CIA veröffentlicht, das im Vergleich zu früheren Enthüllungen wie dem im April ins Internet gestellten Video "Collateral Murder" von dem Massaker unter einer Gruppe Iraker 2007 auf offener Straße in Bagdad durch eine US-Hubschrauberbesatzung oder den im Juli freigegebenen Lageberichten des US-Militärgeheimdienstes über den Afghanistankrieg kein allzu großes Aufsehen erregte. Der Grund für das mediale Desinteresse hängt eventuell mit dem brisanten Thema des Berichts, nämlich jenem "Terrorismus", der von den USA "exportiert" wird, zusammen. Seit Anfang der siebziger Jahren versuchen die Amerikaner der Welt weiszumachen, sie seien das Hauptziel des internationalen "Terrorismus". Die Flugzeuganschläge vom 11. September 2001, woraufhin der damalige US-Präsident George W. Bush den "globalen Antiterrorkrieg" ausrief, der Jahrzehnte, wenn nicht Generationen dauern sollte, haben diese einseitige These bestätigt. Die Vorstellung, Amerika exportiere selbst "Terrorismus" in die übrige Welt, paßt offenbar nicht ins allgemeine Bild und ist auch schwer zu vermitteln, weshalb sich vermutlich die großen Medien nicht sonderlich mit der Wikileaks-Veröffentlichung des CIA-Berichts mit dem Titel "What If Foreigners See the United States as an 'Exporter of Terrorism'?" befaßten.

Das dreiseitige, auf Februar 2010 datierte Papier ist die Zusammenfassung einer Diskussion, die innerhalb der bei der CIA offenbar für die PR-Front zuständigen "Red Cell" geführt wurde (Bereits im März veröffentlichte Wikileaks eine Analyse der "roten Zelle", bei der es um die schwindende Unterstützung der Europäer für den Afghanistankrieg ging und darum, wie man sie mit Schauergeschichten über die Frauenfeindlichkeit der Taliban mehr hinter die eigenen Regierungen bringen könne). Die Mitglieder der CIA Red Cell machen sich offenbar Sorgen darüber, daß der "Export" von "Terrorismus" aus den USA den Bemühungen des amerikanischen Sicherheitsapparats um die Bekämpfung desselben abträglich sein könnte: Ausländische Regierungen könnten sich weigern, Amerikaner, die unter "Terrorismus"-Verdacht stehen, an die USA auszuliefern; sie könnten selbst die Auslieferung solcher Personen, sofern diese in die USA geflüchtet sind, verlangen; sollte dem nicht entsprochen werden, könnten sie auf die Idee gekommen, die eigenen Geheimdienstler in die USA zu schicken, um solche "Terrorverdächtigen" zu entführen, ähnlich wie es die CIA seit Jahren mit ihren "außergewöhnlichen Überstellungen" tut.

In diesem Zusammenhang wurden vier Beispiele des aus den USA exportierten "Terrorismus" angeführt: erstens die jahrzehntelange, finanzielle Unterstützung vieler irisch-stämmiger Amerikaner für den bewaffneten Kampf der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) gegen die britischen Streitkräfte in Nordirland; zweitens die Gewaltätigkeit "mancher amerikanischer Juden ... gegen diejenigen, die sie für Feinde Israels halten" im allgemeinen, der Fall des Arztes Baruch Goldstein, der 1983 von New York nach Israel auswanderte, sich der radikalen jüdischen Siedlerbewegung im besetzten palästinensischen Westjordanland anschloß und 1994 mit einem Sturmgewehr 29 Besucher der Moschee am Grab der Patriarchen in Hebron erschoß und weitere 125 verletzte, bevor er selbst überwältigt und umgebracht wurde, im besonderen; drittens die fünf US-Moslems, die letztes Jahr nach Pakistan zwecks Ausbildung für den Dschihad gereist waren und dort deshalb verhaftet wurden; und viertens der Fall David Headley, ein US-Bürger pakistanischer Herkunft, der seit dem letzten Oktober in Chicago unter Anklage steht, Ende 2008 bei den verheerenden Anschlägen in Mumbai eine Rolle gespielt zu haben.

Gegenüber der Presse hat die CIA die Bedeutung des Papiers natürlich heruntergespielt. Es enthalte lediglich "provokante Ideen", welche die Gedanken der Verantwortlichen im Antiterrorkampf anregen sollen, so Marie Harf, Sprecherin des US-Auslandsgeheimdienstes in einem Artikel, der am 26. August in der Washington Post unter der Überschrift "WikiLeaks releases CIA paper on U.S. as 'exporter of terrorism'" erschienen ist.

Der Versuch der CIA, die Bedeutung des Papiers herunterzuspielen, liegt nahe. Schließlich stecken die US-Geheimdienste viel tiefer im Geschäft mit dem "Terrorexport", als die Analyse der "Red Cell" auch nur erahnen läßt. Im Bericht wird natürlich nicht erwähnt, daß David Coleman Headley, der für die pakistanische Terrorgruppe Laschkar-e-Taiba (L-e-T) angeblich die ganze Späharbeit für die Anschläge von Mumbai durchgeführt hat, jahrelang ein Agent der US-Drogenbekämpfungsbehörde DEA gewesen sein soll. Dies enthüllte am 14. Dezember 2009 die US-Zeitungsgruppe McClatchy Newspapers. Zwei Tage später meldete die Times of India, die CIA habe bereits im Vorfeld der Anschläge vom Mumbai, die 180 Menschen das Leben kosteten, von der Zusammenarbeit zwischen Headley und der L-e-T gewußt.

Unerwähnt im Bericht der CIA Red Cell blieb die Verwicklung des Amerikaners Kenneth Haywood in die Mehrfachanschläge, die sich am 25. und 26. Juli 2008 in den indischen Städten Bangalore - sieben Bomben, zwei Tote - und Ahmedabad - 17 Bomben, 45 Tote - ereigneten und am 29. Juli desselben Jahres in der Kaschmir-Region entlang der Line of Control (LoC) zu einem dreizehnstündigen Artillerieduell zwischen den Streitkräften Indiens und Pakistans führten. Bei den Ermittlungen stellte die indische Polizei fest, daß die Bekenner-E-Mail in Bezug auf die Anschläge von Ahmedabad, die als Vergeltung für das Pogrom in Gujarat ausgewiesen wurden, bei dem 2002 rund 1000 Moslems von einem aufgebrachten Hindumob gelyncht worden waren, vom Laptop Haywoods abgeschickt worden war, der damals in Mumbai für ein dort ansässiges US-Unternehmen arbeitete. Zwei Tage, bevor Haywood am 18. August 2008 von den Ermittlern des Bundesstaates Maharashtra vernommen werden sollte, flog er mit Ehefrau und den beiden Kindern von Mumbai in die USA zurück. Die Frage, wie er dies schaffen konnte, obwohl gegen seine Person ein Ausreiseverbot vorlag, ist bis heute nicht geklärt worden.

Wie der Zufall so will, kamen bei den Anschlägen von Mumbai der Chef des Anti-Terror Squad (ATS) im Bundesstaat Maharashtra, Hemant Karkare, und seine beiden Assistenten, Ashob Kamte und Vijay Salaskar, die ursprünglich Headley hätten vernehmen sollen, ums Leben. Wenige Wochen vor ihrem Tod hatten Karkare und seine Ermittlerkollegen eine Gruppe Hindufanatiker mit Verbindungen zum Militärgeheimdienst und der Führung der oppositionellen hindunationalistischen Bharatiya Janata Party (BJP) ausgehoben, die Anschläge durchführten und diese als das Werk "islamistischer Terroristen" erscheinen ließen.

Ebenfalls sucht man im Red-Cell-Bericht der CIA zum Thema des von Amerika exportierten Terrorismus vergeblich nach den Namen Michael Meiring und Ali Mohamed. Meiring machte im Mai 2002 in den Philippinen Schlagzeilen, als er sein Zimmer im Evergreen Hotel in Davao auf der Insel Mindanao in die Luft jagte und dabei beide Beine verlor. Noch bevor die philippinische Polizei den schwerverletzten Bombenbastler vernehmen konnte, wurde er von zwei Männern, die behaupteten, FBI-Agenten zu sein, aus dem Krankenhaus abgeholt und mit einer Chartermaschine in die USA geflogen. Damals wurde Mindanao von einer Reihe schwerer Bombenanschläge erschüttert. Man vermutet, daß Meiring an einer Destabilisierungsoperation der CIA beteiligt war, die dem Zweck diente, den Vorwand der "Terrorbekämpfung" für eine Rückkehr des US-Militärs auf die Philippinen zu schaffen.

Der Ägypter Ali Mohamed, der berüchtigste "Konterterrorist" überhaupt, bildete, während er noch an der Akademie der US-Spezialstreitkräfte in Fort Bragg, Maryland, lehrte, an den Wochenenden diejenigen "Terroristen" von New York im Schießen und Bombenbau aus, die sich später wegen des ersten Anschlags auf das World Trade Center 1993 und geplanter Anschläge auf andere Wahrzeichen der Stadt am Hudson vor Gericht wiederfanden. Danach wurde er Leibwächter Osama Bin Ladens, half dem Al-Kaida-Chef 1996 beim Umzug vom Sudan nach Afghanistan und ließ als Planer die Anschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam durchführen. Während seiner ganzen Karriere als "Topterrorist" stand Ali Mohamed in Verbindung mit den US-Geheimdiensten, weshalb er auf deren Bitten 2001 in die USA zurückkehrte, um im Prozeß um die Botschaftsanschläge gegen seine früheren Untergebenen auszusagen. Seitdem gilt er als vermutlich bestbewachtes Subjekt des Zeugenschutzprogramms des US-Justizministeriums. [1]

Fußnote:

1. Siehe unter SCHATTENBLICK -> INFOPOOL -> POLITIK -> REPORT -> INTERVIEW/021: Theologe und 9/11-Experte David Ray Griffin (SB)

31. August 2010