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USA/1296: Skandal um Umgang des Nationalarchivs mit 9/11-Papieren (SB)


Skandal um Umgang des Nationalarchivs mit 9/11-Papieren

Belastendes zum 11. September soll unter Verschluß bleiben


Unmittelbar vor dem zehnten Jahrestag der Flugzeuganschläge vom 11. September 2001 stellt sich heraus, daß das Nationalarchiv in Washington größere Mengen an Regierungsdokumenten über dieses Ereignis, die als Grundlage für den 2004 veröffentlichten Untersuchungsbericht der regierungsunabhängigen 9/11-Kommission dienten und auf Empfehlung dieser veröffentlicht werden sollten, weiterhin unter Verschluß hält. Zu den zurückgehaltenen Dokumenten gehören unter anderem die 30seitige Abschrift der Befragung Präsident George W. Bushs und Vizepräsident Dick Cheneys im Oval Office am 29. April 2004 durch alle zehn Mitglieder der 9/11-Kommission. Über diesen Skandal berichtete am 8. September Scot J. Paltrow exklusiv für die Nachrichtenagentur Reuters.

In ihrem Abschlußbericht hatte die 9/11-Kommission empfohlen, daß der größte Teil des Materials ab dem 2. Januar 2009 und damit nach der Präsidentenwahl im November 2008 veröffentlicht werden sollte. Doch bis heute ist dies nicht passiert. Im Reuters-Artikel heißt es unter Verweis auf Matt Fulgham, den leitenden Direktor der Rechtsabteilung beim Nationalarchiv, nur ein Drittel der Dokumente wären bisher auf die mögliche Veröffentlichung geprüft worden. Viele von ihnen sind aber zu Verschlußsachen erklärt oder nur in einer sehr stark redigierten Version - das heißt mit zahlreichen geschwärzten Stellen - veröffentlicht worden. Bei den meisten freigegeben Dokumenten aus dem Arbeitsmaterial der 9/11-Kommission handelt es sich ohnehin um Artikel und Meldungen der herkömmlichen Presse. Die Zweidrittel an Material, die zurückgehalten werden, bestehen großenteils aus Hintergrunds- und Ermittlungsberichte der 17 US-Geheimdienste über den Kampf gegen das Al-Kaida-"Netzwerk", auf deren Nicht-Veröffentlichung die Behördenvertreter bestanden hätten. Dazu Reuters-Reporter Paltrow:

Die Weigerung des Nationalarchivs, das Material zu veröffentlichen, stellt für Historiker und andere, die einem der dramatischsten Ereignisse der amerikanischen Geschichte auf den Grund gehen wollen, ein Hindernis dar.

(...)

Mehrere Mitarbeiter der Kommission erklärten angesichts der Tatsache, daß es keinen nennenswerten Versuch gibt, das verbliebene Material zur Veröffentlichung freizugeben, daß Teile der Aufzeichnungen, von denen man gehofft hätte, sie wären längst veröffentlicht worden, auf unbestimmte Zeit unter Verschluß gehalten werden.

Es wäre nicht das erste Mal, daß irgendwelche Geheimnisse des 11. September ihren Weg aus dem Washingtoner Nationalarchiv nicht wieder gefunden hätten. Man erinnert in diesem Zusammenhang an die von den großen Medien heruntergespielte Affäre, als 2004 der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Sandy Berger wegen des Diebstahls und der Vernichtung von Geheimdokumenten aus dem Nationalarchiv aus dem Wahlkampfteam des damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten, Senator John Kerry, ausscheiden mußte. Als offizieller Vertreter der früheren Regierung Bill Clintons sollte Berger der 9/11-Kommission über die früheren Jahre des Kampfes gegen den "islamistischen Terrorismus" à la Osama Bin Laden beraten. In dieser Funktion hatte er 2003 das Nationalarchiv mehrmals besucht, war jedoch dabei erwischt worden, als er wichtige Originaldokumente in seinen Socken und seiner Unterhose herauszuschmuggeln versuchte. Später wurde Berger dafür vom Gericht rechtskräftig verurteilt, weil er nicht nur Dokumente zu stehlen versucht, sondern erfolgreich gestohlen und zu Hause zerstört hatte, und zu einer recht milden Strafe - 100 Stunden lang Müll einsammeln und 56.905 Dollar zahlen - verurteilt. Bis heute weiß man nicht, welche Dokumente hierbei unwiederbringlich verlorgen gingen. Dem sonderbaren Verhalten Bergers nach zu urteilen, müssen sie jedenfalls ziemlich brisant gewesen sein.

10. September 2011