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USA/1300: Republikaner Perry spielt gegen Obama die Israel-Karte aus (SB)



Republikaner Perry spielt gegen Obama die Israel-Karte aus

Neocons und Israel Firsters wollen Obama zum One Term President machen

Auf der diesjährigen Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York gibt Barack Obama eine bemitleidenswerte Figur ab. Die Absicht der palästinensischen Delegation, die volle UN-Mitgliedschaft zu beantragen, hat die Grenzen der Macht des US-Präsidenten für alle Welt sichtbar gemacht. Obama dürfte wegen der unkonstruktiven Haltung der rechtskonservativen israelischen Regierung Benjamin Netanjahus bei den Bemühungen um eine Lösung des Nahost-Konflikts mit Sicherheit nicht weniger genervt sein als sein palästinensischer Amtskollege Mahmud Abbas. Dennoch sah er sich gezwungen, mit dem Veto der Vereinigten Staaten im Sicherheitsrat zu drohen, um die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern, auch wenn er weiß, daß dies dem Ansehen Amerikas in der Welt schadet. Schließlich stehen rund 140 Staaten bereit, Palästina bei einem Scheitern des Antrags im Sicherheitsrat auf Vollmitgliedschaft in der Generalversammlung den Beobachterstatus einzuräumen (Selbst gegen dieses Ansinnen laufen die Israelis und ihre Verbündeten Sturm, würde doch ein solcher Status den Palästinensern erlauben, den jüdischen Staat aufgrund von Verstößen gegen das Völkerrecht vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu zitieren).

Auch wenn Obama es anders dargestellt hat, waren es nicht in erster Linie außenpolitische Überlegungen oder die Sorge um den "Frieden" im Nahen Osten, wieso er gestern in seiner peinlichen Rede vor der UN-Generalversammlung die Pläne der Palästinenser wegen ihrer vermeintlichen Realitätsferne verurteilte und ihr Leid herunterspielte, dagegen den jüdischen Siedlungsbau im Westjordanland und Ostjerusalem, die Belagerung des Gazastreifens und das umfassende Friedensangebot der Arabischen Liga von 2002 mit keinem Wort erwähnte, um statt dessen die Atommacht Israel zum am meisten gefährdeten Staat in der Region hochzustilisieren. Nein, dies tat er aus innenpolitischen Gründen. Seit Januar 2009 versucht Obama vergeblich die rechtskonservative Regierung Israels um Premierminister Benjamin Netanjahu und Außenminister Avigdor Lieberman zu Zugeständnissen zu bewegen, welche eine Zwei-Staaten-Lösung mit den Palästinensern ermöglichen würden. Doch all seine Bemühungen haben nichts genutzt. Wohlwissend um den Einfluß ihrer Freunde im Kongreß und in den Medien der USA haben Netanjahu und Lieberman die Forderungen des Weißen Hauses einfach an sich abprallen lassen. Der dadurch entstandene Mangel an Erfolg im sogenannten "Nahost-Friedensprozeß" hat Präsident Obama als schwach erscheinen lassen.

Für Obama ist das ein ganz großes Problem, denn wenn es etwas gibt, das die amerikanischen Wähler ihrem Präsidenten am allerwenigsten verzeihen, dann, daß er das Gewicht der USA auf internationaler Ebene nicht zur Geltung bringt. Deswegen - und auch wegen der Wirtschaftskrise und der hohen Arbeitslosigkeit in den USA - sieht sich Obama in allen Umfragen mit dermaßen niedrigen Zustimmungsraten konfrontiert, daß seine Wiederwahl im kommenden Jahr ernsthaft in Gefahr ist. In den Medien werden Vergleiche mit Jimmy Carter und George Bush sen. gezogen, die nur eine Amtszeit lang regieren konnten und deshalb als One Term Presidents, welche die in sie gesteckten Erwartungen nicht haben erfüllen können, in die Geschichtsbücher eingingen.

Mit Blick auf die Schwäche des Demokraten Obama spielt sich plötzlich dessen derzeitiger republikanischer Hauptkonkurrent um die Präsidentschaft, der Gouverneur von Texas, Rick Perry, seit einigen Tagen als Israels größter Verbündeter auf. Wegen des enormen politischen und finanziellen Einflusses der zionistichen Lobby in den USA überrascht es wenig, daß sich Perry ungeachtet seiner völligen außenpolitischen Unerfahrenheit ausgerechnet auf den enorm problematischen Nahost-Konflikt stürzt und sich dabei nicht nur nicht mit Bedacht äußert, sondern sich als eifriger Verteidiger israelischer Interessen zu profilieren sucht.

In einem Gastkommentar, der am 16. September in dem neokonservativen Wall Street Journal erschienen ist, warf der rauhbeinige Texaner Obama "schwere Fehler" in der Nahost-Politik vor. Dazu gehörten die Bemühung um eine Gleichbehandlung von Palästinensern und Israelis wie auch um eine Annäherung zu Syrien und dem Iran. Des weiteren behauptete der Nachfolger George W. Bushs an der Spitze des Lone Star States, die Nahost-Verhandlungen hätten deshalb keinen Erfolg gezeitigt, weil die Palästinenser, PLO und Hamas gleichermaßen, weiterhin auf die einzige für sie angeblich akzeptable Lösung hinarbeiteten, nämlich die Zerstörung des Staates Israel, und stellte Obama zugleich als Naivling dar, der diese Gefahr für amerikanische Interessen im östlichen Mittelmeerraum nicht erkannt hätte.

Und weil der Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft längst voll im Gange ist, beließ es Perry nicht beim Gastkommentar in der Lieblingszeitung von Amerikas Rüstungsindustrie, sondern tauchte am 20. September selbst in New York auf, um vor ultraorthodoxen Juden und strammen Befürwortern der Militärallianz zwischen den USA und Israel eine betont kämpferische Rede zu halten. Unter großem Jubel der versammelten Gäste erklärte Perry, es sei endlich an der Zeit, "die Beschwichtigung der Palästinenser" zu beenden und "die Beziehungen" der USA "zur israelischen Nation zu stärken", um "eine neue robuste Position Amerikas im Nahen Osten, die sich durch Strenge und Entschlossenheit auszeichnet, zu etablieren". Perry begründete seine Haltung nicht nur politisch, sondern auch religiös: "Als Christ bin ich zur Unterstützung Israels eindeutig angehalten. Sowohl als Amerikaner und auch als Christ werde ich mich auf die Seite Israels stellen."

Wahlkampfbeobachter in den USA halten den Schachzug Perrys für genial, wenden sich doch derzeit viele jüdische Wähler, die traditionell eher den Demokraten zugeneigt sind, den Republikanern zu. Als Ausdruck der Unzufriedenheit der zionistischen Lobby mit Obama und der von ihr für seine Wiederwahlchancen ausgehenden Gefahr wird das Ergebnis einer Nachwahl zum Repräsentantenhaus gewertet, die am 13. September stattfand und bei der der Kandidat der Republikaner, Bob Turner, den 9. Kongreßwahlbezirk zum erstenmal seit Jahrzehnten den Demokraten entreißen konnte. Diese Einzelepisode erklärt zum Teil, warum Obama bei seinem Auftritt vor der UN-Generalversammlung die "Sicherheit" Israels über das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat stellte. Im Anschluß an die Rede traf sich Obama mit Netanjahu, jenem Mann, dem er mehr als jedem anderen seinen Ruf als "schwacher" US- Präsident zu verdanken hat. Vor der versammelten Weltpresse erklärte der israelische Premierminister, Obama habe sich mit seiner Rede eine "Ehrenmedaille" verdient. Nun, wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

22. September 2011