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USA/1316: Armee ermittelt gegen Menschenrechtler (SB)


Armee ermittelt gegen Menschenrechtler

Pentagon nimmt die Unterstützer Bradley Mannings aufs Korn



In den USA laufen die Vorbereitungen für den Militärprozeß gegen Bradley Manning, der im September beginnen soll, auf Hochtouren. Dem 24jährigen Gefreiten, der als Hauptquelle jener Dokumente gilt, mit denen das Internetenthüllungsportal Wikileaks die US-Regierung seit 2010 in schwere Verlegenheit bringt, wird Weitergabe geheimer Informationen und sogar "Hilfe für den Feind" vorgeworfen. Ihm droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Amerikas Friedensaktivisten, darunter Daniel Ellsberg, der vor vierzig Jahren durch die Veröffentlichung der sogenannten "Pentagon Papers" über den Vietnamkrieg den Zorn der Regierung Richard Nixons auf sich zog, sehen in Manning dagegen einen Helden des Gewissens, der aus Protest gegen den kriminellen Umgang des US-Militärs mit Zivilisten im Irak Wikileaks zahlreiche Dateien über die Machenschaften Washingtons im Ausland zukommen ließ. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß die US-Armee die Mitglieder des Bradley Manning Support Network und die Betreiber der Website bradleymanning.org observiert. In Barack Obamas Amerika leben offenbar politische Dissidenten und ihre Freunde gefährlich.

Seit einigen Wochen liefern sich Verteidigung und Anklage vor dem Militärgericht in Fort Meade, Maryland, einen heftigen Streit. Mannings Anwälte bezichtigen die Anklage, wichtige Dokumente zurückzuhalten, die den Angeklagten entlasten könnten, und damit gegen die Prozeßordnung zu verstoßen. Es geht hierbei um eine angeblich bereits existierende Analyse des Office of the National Counterintelligence Executive (ONCIX), derzufolge die Veröffentlichung der von Manning Wikileaks zugespielten Dateien für die US-Regierung in allererster Linie peinlich gewesen ist, jedoch keinen materiellen Schaden - etwa durch die Bekanntgabe geplanter oder laufender Militär-und Geheimdienstoperationen und dadurch die Gefährdung des Lebens amerikanischer Soldaten und Geheimdienstagenten - angerichtet hat. Sollte das ONCIX tatsächlich zu nämlichem Schluß gekommen sein, wäre der schwerste Anklagepunkt weitestgehend entkräftet.

Die noch laufenden Ermittlungen des FBI gegen Manning stellen nur einen kleinen Teil einer umfangreichen Operation des US-Sicherheitsapparats gegen Wikileaks dar. Nach Angaben des Chefanklägers Major Ashden Fein enthält die Akte gegen Manning 8751 Seiten oder 636 verschiedene Dokumente - die Gesamtakte gegen Wikileaks dagegen 42.135 Seiten oder 3475 verschiedene Dokumente. Neben Manning wird nach Angaben von Mark Mander, Special Agent des Computer Crime Investigative Unit der US-Armee, seit Juni 2010 gegen sieben Verantwortliche bei Wikileaks, darunter der australische Gründer der Website Julian Assange, ermittelt. Wie die World Socialist Website am 27. Juni berichtete, erfährt Mander hierbei Amtshilfe von Neil McBride, dem Staatsanwalt des östlichen Gerichtsbezirks in Alexandria, Virginia. McBride gilt als derjenige, der eine geheime Grand Jury einberufen hat, die über die Anklageerhebung gegen Assange entscheiden soll. Aus Angst vor der Auslieferung in die USA ist der Wikileakschef, der von Großbritannien nach Schweden zwecks Befragung wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung ausgeliefert werden soll, Mitte Juni in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, wo er einen Antrag auf politisches Asyl gestellt hat.

Die Angst Assanges vor einem politischen Schauprozeß ist mehr als begründet. Der Umgang der US-Behörden mit Manning, der bereits zwei Jahre in Isolationshaft verbracht hat, deutet daraufhin, daß sie den ehemaligen Militärgeheimdienstler auf Teufel komm heraus dazu bringen wollen - eventuell gegen Strafmilderung -, Assange zu belasten. Gelingt es ihnen, Manning zu der Erklärung zu bewegen, er habe nicht allein gehandelt, sondern sei durch Assange zur Verschickung der vertraulichen Daten animiert oder verleitet worden, dann müßte sich der Australier wegen Spionage verantworten und Washington könnte an der Person, die wie keine andere die Kriegspropaganda der USA für alle Welt entlarvt hat, ein abschreckendes Exempel statuieren. Deshalb sind diejenigen, die Manning in seiner Notlage den Rücken stärken und ihm moralischen Beistand leisten, dem Pentagon ein Dorn im Auge. Vor diesem Hintergrund überrascht die am 2. Juli von antiwar.com und Russia Today anhand eines freigegebenen Dokuments des US Army Criminal Investigation Command (USACIDC) verbreitete Nachricht, wonach die US-Militärpolizei eine "aktive Ermittlung mit unbestimmtem Abschlußdatum" gegen das Bradley Manning Support Network betreibt, nicht wirklich. Gleichwohl spricht es Bände über den desolaten Stand der Meinungsfreiheit in den immer offener imperialistisch agierenden USA.

5. Juli 2012