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USA/1318: Romney spielt gegen Obama die Israel-Karte (SB)


Romney spielt gegen Obama die Israel-Karte

Republikanischer Präsidentschaftskandidat erhält Hilfe von Netanjahu



Knapp vier Monate vor dem Urnengang Anfang November ist der Kampf um die US-Präsidentschaft in die heiße Phase getreten. Laut jüngsten Umfragen liefern sich Amtsinhaber Barack Obama und Herausforderer Mitt Romney ein Kopf-an-Kopf-Rennen. In einer am 11. Juli veröffentlichten Umfrage des demoskopischen Unternehmens Gallup lag der Demokrat Obama mit 47 Prozent knapp vor dem Republikaner Romney, den 45 Prozent der Befragten favorisierten. In einer am 12. Juli erschienenen Umfrage von Rasmussen waren die Plätze vertauscht; der ehemalige Senator aus Illinois fiel hier auf 45 Prozent zurück, wohingegen der Ex-Gouverneur von Massachusetts auf 46 Prozent kam. Um so erbitterter dürfte folglich in den kommenden Wochen um jede Stimme und jeden Vorteil in der medialen Darstellung gekämpft werden.

Das wichtigste Thema im Wahlkampf ist die lahmende Wirtschaft und mit ihr die hohe Arbeitslosigkeit. Obama führt die desolate Lage auf die ruinöse Politik seines Vorgängers George W. Bush zurück und behauptet, in den letzten vier Jahren mit Bankenrettung, Hilfe für die Autoindustrie, Förderung der Energiebranche und der Reform des Krankenversicherungssystems das Beste aus den schwierigen Umständen herausgeholt zu haben. Obwohl er selbst nichts getan hat, um die unter Bush jun. verabschiedeten Steuererleichterungen für Schwerreiche, durch die dem Fiskus in Washington zwischen 1,5 und 1,8 Billionen Dollar entgangen sind, rückgängig zu machen, versucht sich Obama als Interessensvertreter des kleinen Mannes darzustellen. Er wirft Romney offen vor, ein Finanzjongleur zu sein, dessen geschätztes Vermögen von 250 Millionen Dollar durch die Vernichtung von amerikanischen Arbeitsplätzen und deren Verlagerung in Billiglohnländer wie China und Mexiko entstanden ist. In diesem Zusammenhang haben die Demokraten in den letzten Monaten recht erfolgreich die Praxis Romneys, mittels Sonderkonten auf Bermuda, den Cayman-Inseln und in der Schweiz die eigene Steuerlast sowie die des von ihm gegründeten Finanzunternehmens Bain Capital so gering wie möglich zu halten, thematisiert.

Inwieweit Obama mit der Klassenkampfrhetorik punkten kann, ist unklar, denn viele linkstendierende Wähler, die vor vier Jahren für einen "Wandel, an dem man glauben kann" stimmten, fühlen sich von Amerikas erstem schwarzen Präsidenten betrogen und werden vermutlich diesmal zuhause bleiben. Hinzu kommt, daß die Steuerbetrugsvorwürfe gegen Romney bei Amerikas Finanzelite nicht gut ankommt und deren Bereitschaft, Obama Geld für seinen Wahlkampf zu spenden, offenbar schmälert. Wie die britische Tageszeitung Guardian am 13. Juli berichtete, hat Romney im Juni Wahlkampfspenden in Höhe von 107 Millionen Dollar eintreiben können, Obama dagegen lediglich 71 Millionen (Den größten Teil solcher Spenden gibt man im Wahlkampf bekanntlich für die Fernsehwerbung aus).

Seinerseits präsentiert sich Romney als glühender Verfechter des amerikanischen Kapitalismus und der geschichtlichen Sonderrolle der USA. Er lehnt die Schwulenehe ab, macht Stimmung gegen "illegale" Einwanderer und bezichtigt Obama, in der Außenpolitik einen allzu zu defensiven Kurs zu verfolgen. Als Präsident will er den "Atomstreit" mit dem Iran militärisch lösen, Wladimir Putins Rußland isolieren und der wachsenden Konkurrenz durch die Volksrepublik China energisch entgegentreten - was auch immer das heißen mag. Mit Blick auf die jüdischen Wähler, deren Stimmen für den Sieg in wichtigen Bundesstaaten wie Florida und New York entscheidend sein können, sowie die politisch einflußreiche und finanzkräftige zionistische Lobby wirft Romney Obama vor, Israel so schäbig wie kein anderer US-Präsident vor ihm behandelt zu haben.

Um seine Verbundenheit mit Israel zu demonstrieren, hat Romney die neokonservative Führungsriege zu seinen Beratern ernannt. Im Falle eines Sieges über Obama soll John "Bonkers" Bolton, der ehemalige UN-Botschafter von Bush jun., der seit Jahren den totalen Krieg gegen alle "Schurkenstaaten" predigt, US-Außenminister werden. Als künftige Vizepräsidentin an der Seite Romneys ist Condoleezza Rice im Gespräch. Auf seiner ersten Auslandsreise als Präsident will Romney mit der Air Force One nach Israel fliegen und sich dort zu Jerusalem als die unteilbare Hauptstadt des jüdischen Staats bekennen. Als Vorgeschmack dessen, wird Romney einem am 11. Juli in der Jerusalem Post erschienenen Bericht zufolge am 29. Juli ein Essen für Wahlkampfspender in Jerusalem geben, bei dem die Teilnahme mindestens 60.000 Dollar pro Kopf kostet. Am nächsten Tag will er die eigene Nahost-Strategie vorstellen.

Während der zweitägigen Stippvisite in Israel wird Romney mit seinem alten Kumpel Benjamin Netanjahu zusammenkommen. Gemäß eines längeren Artikels am 8. April bei der New York Times kennen sich Romney und der amtierende israelische Premierminister seit gemeinsamen Tagen Mitte der siebziger Jahre als junge aufstrebende Mitarbeiter der Boston Consulting Group. Seitdem kommen beide regelmäßig "zum Essen in Boston, New York und Jerusalem" zusammen. Als Romney 2003 Gouverneur von Massaschusetts wurde, soll er sich beim damaligen Finanzminister Israels Rat eingeholt haben, wie man die öffentlichen Ausgaben verkürzt.

Angeblich hält Netanjahu, der Obamas Bemühungen um eine Versöhnung zwischen Israelis und Palästinensern systematisch zunichte machte und diesen mehrmals öffentlich brüskierte, Romney über die Nahost-Politik des Weißen Hauses auf dem laufenden. Wegen der offensichtlichen Angst Obamas, von Romney im Wahlkampf als unzuverlässiger Verbündeter Israels kritisiert zu werden, hat die US-Regierung in den vergangenen Monaten bei den Verhandlungen mit Teheran eine kompromißlose Haltung eingenommen, die eine Beilegung des "Atomstreits" bisher unmöglich macht - und leider damit die Kriegsgefahr am Leben erhält.

13. Juli 2012