Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1374: Präsidentenwahl 2016 - zwischen Trump und Clinton? (SB)


Präsidentenwahl 2016 - zwischen Trump und Clinton?

Ted Cruz und Bernie Sanders machen den Favoriten das Leben schwer


Im US-Präsidentenwahlkampf neigt sich die Phase der Vorwahlen allmählich dem Ende zu. Bei den Republikanern ist die Anzahl der Bewerber um die Nominierung zum offiziellen Kandidaten der Partei bei der Präsidentenwahl am 8. November von ursprünglich 14 auf drei zusammengeschrumpft, den Baumagnaten und Fernsehentertainer Donald Trump, den Senator Ted Cruz aus Texas und John Kasich, Gouverneur des Bundesstaats Ohio. Bei den Demokraten sieht sich die haushohe Favoritin Hillary Clinton mit einer überraschend ernstzunehmenden Konkurrenz in Person von Bernie Sanders, dem Senator und selbsternannten "demokratischen Sozialisten" aus Vermont, konfrontiert. Zwar liegen Trump und Clinton derzeit in der Anzahl der bei den Vorwahlen gesammelten Delegiertenstimmen vorne, doch kann bis zu den Parteitagen der Republikaner und Demokraten, die vom 18. bis zum 21. Juli in Cleveland beziehungsweise vom 25. bis zum 28. Juli in Philadelphia stattfinden, noch einiges passieren.

Zweifelsohne ist Trump die alles überragende Persönlichkeit des bisherigen Wahlkampfes. Mit seinem losen Mundwerk und seinem provokanten Auftreten ist der New Yorker Immobilienjongleur, dessen Lebensabenteuer seit den achtziger Jahren die Klatschspalten der amerikanischen Boulevardblätter füllen, ein Publikumsmagnet. Es gibt einen einfachen Grund, warum die Fernsehanstalten überproportional über jeden Auftritt und jede Äußerung Trumps berichten: er zieht die Zuschauer, unabhängig davon, ob sie ihn mögen oder nicht, an. Diskussionrunden und -debatten erzielen durch Trumps Anwesenheit weit höhere Zuschauerquoten als üblich. Die Medien tragen zwar zum Trump-Phänomen bei - aber eher aus geschäftlichem Interesse als aus politischer Sympathie.

Wie die Amerikaner zu sagen pflegen, "There's no business like showbusiness", und derzeit ist der Politneuling Trump die größte Attraktion weit und breit. Statt sich ernsthaft mit den Programmen seiner Gegner, allesamt Berufspolitiker, auseinanderzusetzen, hat er sie einen nach dem anderen durch Sprücheklopfen und Machogehabe kleingekriegt. Allein an Trumps insistierender Infragestellung ihrer Männlichkeit sind Präsidentensohn Jeb Bush und Marc Rubio, Senator aus Florida und einst Protégé der Neokonservativen, verzweifelnd gescheitert. Bisher ist kein republikanischer Kandidat dieser Art von Verbalangriffen gewachsen gewesen, die Trump beim World Wrestling Entertainment gelernt hat. (Bei WrestleMania 23 im Jahr 2007 trat er sogar gegen WWE-Chef Vince McMahon im "Battle of the Billionaires" an und gewann.)

Trumps unerschrockener Populismus hat Vor- und Nachteile. Er hat Millionen weißer Männer der Mittel- und Unterschicht, die am schwersten unter der Auslagerung amerikanischer Industriebetriebe in Billig-Lohn-Länder wie China in den letzten dreißig Jahren zu leiden gehabt haben und mitanschauen mußten, wie das Politestablishment in Washington ihre Interessen auf dem Altar des Freihandels und der Globalisierung opferte, zu seinen Anhängern gemacht. Gleichzeitig haben seine beleidigenden Sprüche über Mexikaner, Muslime und Frauen ihn für jene Bevölkerungssegmente nahezu unwählbar gemacht. Seine jüngsten Äußerungen, wonach Frauen, die eine "illegale Abtreibung" durchführen lassen, strafrechtlich belangt werden sollen, gilt nach Meinung vieler Beobachter als kapitaler Fehler, der Trump die Präsidentschaft kosten könnte. Inzwischen hat sich Trump von der Formulierung distanziert und gibt sich mißverstanden.

Der Durchmarsch Trumps bei den Vorwahlen hat bei der republikanischen Parteiführung Unmut ausgelöst. Was sie vor allem stört ist die Absage Trumps an die Rolle Amerikas als Weltpolizei. Um die Vereinigten Staaten zu alter Größe zu führen - so sein Wahlslogan -, will Trump den Verteidigungshaushalt halbieren und das Geld in die Sanierung der maroden Infrastruktur des Landes investieren. Er hat die Politelite der beiden großen Parteien in Washington durch seine Infragestellung der NATO, seine kategorische Weigerung, Wladimir Putin als Schurken zu betrachten, seine Bereitschaft, einen Modus vivendi mit dem aufstrebenden China zu finden und seine wiederholte Feststellung, die USA hätten durch Militärinterventionen im Nahen Osten Chaos und Leid verursacht und sollten sich dort nicht mehr einmischen, gegen sich aufgebracht. Aus diesem Grund schart sich derzeit sämtliche Prominenz bei den Republikanern hinter Ted Cruz.

Der Vertreter der Tea-Party-Bewegung gilt als engstirniger Intrigant und ist deshalb innerhalb der eigenen Fraktion im Washingtoner Senat extrem unbeliebt. In vielen Fragen vertritt Cruz eine weit extremere Position als Trump. Er befürwortet ein generelles Abtreibungsverbot sowie Rundumüberwachung aller US-Muslime durch das FBI und will Flächenbombardements gegen Stellungen der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS) in Syrien und Irak anordnen. Sollte er ins Weiße Haus einziehen, will er das von Barack Obama mühsam ausgehandelte Atomabkommen mit Teheran einseitig aufkündigen und den Iran, sollte er dagegen aufmucken, mit Atombomben angreifen. Es gibt sogar beunruhigende Hinweise darauf, daß der christliche Fundamentalist Cruz die Welt bereits in den "Endzeiten" wähnt und durch drastische Maßnahmen das Armageddon herbeizuführen bereit wäre.

Doch das alles stört den einflußreichen Nutznießer des militärisch-industriellen Komplexes nicht. Frank Gaffney und Michael Ledeen, zwei besonders islamophobe Vertreter der Neokonservativen, haben sich bereits als Berater dem Wahlkampfteam von Cruz angeschlossen. Bisher hat Trump 743 Delegiertenstimmen sammeln können und Cruz 545. Für die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten sind bei den Republikanern 1.237 erforderlich. Derzeit ist nicht klar, ob Trump diese Zahl bis zum Parteitag erreichen wird. Sollte es ihm nicht gelingen, wollen die Parteioberen eine Mehrheit der entsandten Delegierten aus den Bundesstaaten dazu bringen, Cruz und nicht Trump zum Sieger des Parteitags zu küren. Wie sehr hier überparteiliche Interessen den Ton angeben, zeigt die Tatsache, daß Trump nach Angaben aller Demoskopen weitaus bessere Chancen hätte als Cruz, die Präsidentschaftswahl für die Republikaner zu gewinnen.

Aus denselben überparteilichen Interessen macht sich auch der vom Ideengeber Robert Kagan angeführte "gemäßigte" Flügel der Neokonservativen, die traditionell den Republikanern verbunden sind, offen für die Kandidatur Hillary Clintons stark. Aus Sicht der neokonservativen Militaristen und der "humanitären" Interventionisten bei den Demokraten scheint von allen noch verbliebenen Bewerbern die ehemalige First Lady der einzige Garant für eine Fortsetzung des bisherigen Konfrontationskurses der USA gegenüber Rußland und der Containment-Strategie des Pentagons gegenüber der Volksrepublik China zu sein. Doch gerade die von den Neocons gelobten Leistungen Hillarys als Senatorin für New York von 2001 bis 2009 und als Außenministerin von 2009 bis 2013 sind auch der Grund, warum sich viele demokratische Wähler von der Gattin Bill Clintons abwenden.

Als Mitglied der Legislative hat Hillary 2003 dem Irak-Krieg von George W. Bush zugestimmt. Als Chefdiplomatin Obamas hat sie durch die kategorische Forderung nach dem Rücktritt von Präsident Baschar Al Assad eine friedliche Beilegung des Bürgerkrieges in Syrien unmöglich gemacht. 2011 setzte sie sich im Obama-Kabinett mit dem Drang nach einer Militärintervention der NATO in Libyen durch und machte sich nach dem "Regimewechsel" in Tripolis in der Öffentlichkeit über die bestialische Ermordung Muammar Gaddhafis lustig. Darüber hinaus hat Bernie Sanders in den vergangenen Wochen auf die Nähe Hillary Clintons zu den amerikanischen Großbanken und die Verantwortung ihres Mannes für die strafrechtliche Diskriminierung und Brutalisierung der schwarzen Bevölkerung durch die Strafrechtsbehörden seit den neunziger Jahren hingewiesen. Von den letzten acht Vorwahlen hat Sanders sieben gewonnen. Er befindet sich also im Aufwind. Sollte Sanders die bevorstehende Vorwahl im bevölkerungsreichen Bundesstaat New York am 19. April gewinnen, ist bis zum demokratischen Parteitag ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ihm und Hillary gewiß.

Derzeit verfügt Clinton über 1.267 Delegiertenstimmen, Sanders über 1.037. Der Abstand zwischen beiden ist nicht sonderlich groß. Um Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu werden, sind 2.383 Stimmen erforderlich. Beobachter sagen Clinton einen Sieg auf dem Parteitag deshalb voraus, weil sie sich die Stimmen von 469 sogenannten Superdelegierten zurechnen kann - Sanders dagegen nur von 31. Superdelegierte geben auf dem Parteitag ihre Stimmen nach den Anweisungen der Führung der Demokraten ab. Weil dort die politischen Verbündeten und Weggefährten des Ehepaars Clinton die Kontrolle ausüben, soll Hillary hier den entscheidenden Vorteil haben. Gegen das System der Superdelegierten regt sich parteiintern jedoch immer mehr Widerstand. Ob sich der Ruf nach einer Reform ausreichend Gehör verschafft, um für Wettbewerbsgleichheit auf dem Parteitag der Demokraten im Juli zu sorgen, ist jedoch zu bezweifeln.

Sollte Clinton, wie eigentlich erwartet, den Kampf um die demokratische Kandidatur gewinnen, ist ihr der eigentliche Wahlsieg im November alles andere als sicher - auch wenn die Konzernmedien den gegenteiligen Eindruck vermitteln. Tritt Clinton gegen Cruz an, wird sie wegen dessen Entfernung von der politischen Mitte vermutlich haushoch gewinnen. Wenn sich aber Trump entgegen den bisherigen Erwartungen auf dem Parteitag der Republikaner durchzusetzen sollte, würden Hillarys Siegschancen beträchtlich sinken. Trump wird sie als Verkörperung des verhaßten Parteienkartells in Washington an den Pranger stellen und damit die Ressentiments der Wutbürger in den USA schüren können. Gleichzeitig werden viele demokratische Wähler, die zweimal für Obama als Präsidenten votiert haben und sich derzeit für Sanders' Vision eines gerechteren Amerikas mit ordentlichen Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystemen begeistern lassen, ihre Stimme nicht der Politinsiderin Clinton geben, sondern vermutlich den Wahllokalen fernbleiben.

Darüber hinaus besteht für Hillary Clinton nach wie vor die Gefahr, daß in den kommenden Monaten gegen sie in Verbindung mit der E-Mail-Affäre und des Verdachts des tausendfachen Verstoßes gegen die staatlichen Geheimschutzgesetze während ihrer Zeit als Außenministerin Anklage erhoben wird. Vor einiger Zeit hat Bryan Pagliano, der in Clintons Privathaus in Upstate New York den Server eingerichtet hatte, über den sie als Außenministerin vier Jahre lang ihren behördlichen E-Mail-Verkehr leitete, einen Immunitätsdeal mit dem FBI ausgehandelt. Dieser Umstand deutet sowohl auf die Schwere der gegen Clinton vorliegenden Verdachtsmomente als auf eine mögliche Bereitschaft der Staatsanwaltschaft hin, den Fall vor Gericht zu bringen. Vor diesem Hintergrund läßt sich keine definitive Prognose zum Ausgang der diesjährigen US-Präsidentenwahl treffen, außer natürlich, daß der Kampf darum bis zum Schluß hochspannend bleibt.

11. April 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang