Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REDAKTION


USA/1389: Hillary Clinton bekennt sich zur Führungsrolle Amerikas (SB)


Hillary Clinton bekennt sich zur Führungsrolle Amerikas

Ehemalige First Lady droht Rußland indirekt mit Krieg


Als Dick Cheney am 26. August 2002 in seiner Funktion als Vizepräsident George W. Bushs bei einem Auftritt auf dem Jahrestag der Veterans of Foreign Wars (VFW) in Nashville die inakzeptable Bedrohung beschwor, die von den angeblich im Besitz Saddam Husseins befindlichen Massenvernichtungswaffen ausging, dürfte jedem klar gewesen sein, daß in Washington die Entscheidung für einen militärischen Überfall der USA auf den Irak - der wenige Monate später erfolgen sollte - gefallen war. Die Rede Cheneys gilt im Rückblick als Auftakt zu einer von der damaligen Bush-Regierung sorgfältig inszenierten Propagandakampagne, mit der die vermeintliche Notwendigkeit eines gewaltsamen Regimewechsels in Bagdad "verkauft" wurde, um die Wortwahl des damaligen Stabschefs im Weißen Haus, Andrew Card, zu gebrauchen.

Nur wenige Tage nach der kriegerischen Rede Cheneys, nämlich am 6. September 2002 auf einem Treffen der Außenminister der Arabischen Liga in Kairo, warnte deren Generalsekretär Amr Moussa, eine amerikanische Militärintervention im Irak würde die "Tore zur Hölle aufstoßen". Die Einschätzung des langjährigen ägyptischen Chefdiplomaten sollte sich als richtig erweisen. Die demokratische Erneuerung und die wirtschaftliche Gesundung des Nahen Ostens, die Bushs republikanische Neoconriege in die Irakinvasion hinein projiziert hatte, sind eine Fata Morgana geblieben. Statt dessen hat die massive Sprengkraft der "Shock-and-Awe"-Kampagne der hochgerüsteten US-Streitmacht bei ihrem Anti-Saddam-Kreuzzug eine ganze Region destabilisiert, Millionen von Menschen das Leben gekostet und ganze Gesellschaften - neben Irak auch in Libyen, Jemen und Syrien - ruiniert. Am 29. August hat in Cincinnati Hillary Clinton vor dem Veteranenverband American Legion eine Rede gehalten, die mindestens soviel Unheil, wenn nicht sogar mehr als in Cheneys Rede vor 14 Jahren, ankündigt. In ihrem Vortrag bekannte sich die Demokratin, die in November zur ersten Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten gewählt werden will, mit Leib und Seele zum Exzeptionalismus, zu der Idee, daß die Welt am amerikanischen Wesen genesen soll.

Clintons republikanischer Rivale Donald Trump hat im Wahlkampf der bisherigen interventionistischen Außen- und Sicherheitspolitik Washingtons eine eindeutige Absage erteilt. Der Baumagnat mag ein populistischer Sprücheklopfer sein, doch immerhin hat er erkannt, daß die USA unter dem schwer zu leiden haben, was man in der geopolitischen Fachsprache "imperiale Überdehnung" nennt. Statt unzählige Milliarden Dollar für sinnlose Kriege in Afrika und Asien auszugeben, will er den US-Militärapparat verschlanken, Basen in Übersee schließen und das eingesparte Geld in die Erneuerung der amerikanischen Infrastruktur investieren. Er schlägt vor, daß Washington künftig die Verantwortung für Frieden und Stabilität in der Welt mit Berlin, Brasilia, London, Moskau, Neu-Delhi, Paris, Peking, Tokio et cetera teilt. Mit diesem multipolaren Ansatz hat Trump die Rüstungslobby und die republikanischen Neokonservativen gegen sich aufgebracht. Sie verteufeln ihn als Isolationisten und machen sich öffentlich für Clinton als die bessere Oberkommandierende der Streitkräfte stark.

Beim Auftritt in Cincinnati hat Hillary Clinton mit einem an Arroganz kaum zu überbietenden Bekenntnis zur Führungsrolle der USA sowie zur unbedingten Aufrechterhaltung der militärischen Überlegenheit der amerikanischen Streitkräfte die Avancen der Neocons mehr als erwidert. Natürlich durften in der Rede der Ex-Außenministerin Barack Obamas die zahlreichen Hinweise auf die Alliierten Amerikas und dessen Eintritt für "Werte" wie "Frieden und Fortschritt" nicht fehlen. Doch die Hauptbotschaft lautet, die USA seien einzigartig, die "unverzichtbare Nation", ohne die aus der Sicht von Bill Clintons Gattin unsere Welt vermutlich in Chaos und Barbarei zurückfiele.

Clinton rief zu einer umfassenden Modernisierung von Armee, Marine, Marineinfanterie und Luftwaffe auf, um sich den "sich entwickelnden Bedrohungen seitens Staaten wie Rußland, China, Iran und Nordkorea, seitens kriminellen und terroristischen Netzwerken wie des IS" stellen zu können. In diesem Zusammenhang kündigte sie als eine ihrer ersten Handlungen im Oval Office an, eine Generalüberprüfung der Bereitschaft und der Eignung des vorhandenen Atomwaffenarsenals der USA "auf die künftigen Bedrohungen" anzuordnen. Wie mehrmals in den letzten Wochen behauptete sie, daß sich hinter den jüngsten Hacker-Angriffen auf Computer der demokratischen Parteizentrale in Washington russische Stellen verbergen würden (Führende Verschlüsselungsexperten wie der ehemalige NSA-Softwareentwickler William Binney halten bekanntlich die These von der Urheberschaft Rußlands für abwegig). Darauf folgte eine indirekte Kriegsdrohung an die Adresse Moskaus: "Als Präsidentin werde ich klarmachen, daß die USA Cyberangriffe wie jeden anderen Angriff behandeln werden. Wir werden darauf mit ernsthaften politischen, wirtschaftlichen und militärischen Gegenmaßnahmen reagieren."

Als Außenministerin hat Clinton die Containment-Strategie der USA gegenüber der Volksrepublik China stark vorangetrieben. Sie gilt war maßgeblich an der Entscheidung, mit Kampfjets und Spezialstreitkräften den Sturz Muammar Gaddhafis 2011 in Libyen herbeizuführen, beteiligt. Danach haben sie und der damalige CIA-Chef General a. D. David Petraeus dafür gesorgt, daß ausländische Dschihadisten und größere Mengen Waffen aus den Beständen der früheren Armee Gaddhafis nach Syrien gelangten. In der Syrien-Frage war sie die erste ausländische Politikerin, die den Rücktritt Baschar Al Assads als Präsident zur Bedingung für eine friedliche Beilegung des Konflikts machte. An dieser Position hält sie bis heute eisern fest.

Aus Clintons Umfeld heißt es, als Nachfolgerin Obamas will sie eine Flugverbotszone über den syrischen Luftraum verhängen, um Angriffe der syrischen Luftwaffe auf Rebellenstellungen zu verhindern. Daß die Verwirklichung eines solches Vorhabens unweigerlich zu einem Krieg mit den in Syrien aktiven Streitkräften Rußlands führen muß, liegt auf der Hand. 2014 hat Clinton Wladimir Putin wegen des Verhaltens Moskaus in der Ukraine-Krise - Stichwort Krim-Annektierung - auf eine Stufe mit Adolf Hitler gestellt. Im Wahlkampf ist sie nicht einen Millimeter von diesem hochkonfrontativen Standpunkt zurückgewichen. Das Gegenteil ist der Fall. Daher erscheint eine Konfrontation zwischen den USA und Rußland unvermeidlich, sollte die ehemalige Senatorin aus New York im November die Präsidentenwahl gewinnen. Seit Hillary Clintons Rede vor der American Legion in Cincinnati dürfte jeder vor dem eventuell kommenden Unheil gewarnt sein.

2. September 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang